Mondsichelmadonna Gotik mit der Gattersäge
An Sägeschnitt und Wurmlöchern lässt sich erkennen, dass diese Mondsichelmadonna aus den 1910er oder 1920er Jahren stammt und nicht aus der damals so hoch gehandelten Spätgotik.
Sie ließe sich leicht der Spätgotik zuordnen, diese pausbäckige Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm. Ihr Gewand fällt in einer Faltenkaskade nach unten und geht dort in eine Mondsichel über. Als Mondsichelmadonna ist sie das spätgotische Marien-Motiv schlechthin, zu datieren zwischen 1490 und 1510. Stilistisch wäre sie nach Franken einzuordnen, wo die spätgotische Skulptur, vor allem durch Tilman Riemenschneider, eine Hochburg hatte.
Allerdings fällt an dieser Madonna einiges Zeituntypisches auf: der Jesusknabe hält die Weltkugel, statt mit einer, mit beiden Händen. Dagegen steht Maria mit nur einem Fuß auf der ungewöhnlich kleinen Mondsichel. Auch ihr gelocktes Haar fällt recht schematisch aus.
Hinten lassen sich an der gehöhlten Figur parallele Sägeschnitte erkennen: Spuren einer Gattersäge. Spätestens daraus ergibt sich auch ihre wirkliche Datierung. Diese Figur wurde in den 1910er oder 1920er Jahren im Stile der Gotik aus einem Lindenholzbrett geschnitzt.
Schon in der zweiten Hälfte des 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzielte die spätgotische Plastik Höchstpreise – ein attraktiver Markt für Fälscher. Die Vermutung, dass auch hier in Fälschungsabsicht gehandelt worden ist, erhärtet sich durch die Wurmlöcher: sie wurden künstlich zugefügt und liefern dem ungeübten Auge nur scheinbar die Garantie für ein hohes Alter der Skulptur – dem Fälscher aber die Aussicht auf einen leicht verdienten Gewinn.
Fakten:
- Geschätzter Wert: 200 bis 300 Euro
- Datierung: 1910 / 1920
- Sendung vom 24. August 2013