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Betrug bei Amazon Wie falsche Händler uns in die Falle locken

Bei Amazon bestellen - für viele von uns eine Selbstverständlichkeit. Die meisten achten dabei auf gute Verkäufer-Bewertungen, damit beim Einkauf alles reibungslos klappt. Doch Vorsicht: genau diese Bewertungen machen sich derzeit Kriminelle zu Nutze. Und dann ist ganz schnell ganz viel Geld verloren…

Stand: 06.12.2016

Amazon Paket | Bild: colourbox.com

Fall 1: Kunden werden mit falschen Händlerbewertungen gelockt

Birgit Wessel bestellt sich bei Amazon ein E-Bike für 617 Euro. Der Verkäufer des Rades ist nicht Amazon selbst, sondern ein Händler auf dem sogenannten Marketplace. Birgit Wessel ist beeindruckt von den durchweg sehr guten Kundenbewertungen des Händlers und bestellt das Rad. Kurz darauf erhält sie eine Mail – scheinbar von Amazon. Es handelt sich um eine Bestellbestätigung mit Amazon-Logo, schriftlicher Dokumentation des Kaufes und Garantie-Bescheinigung. Zudem wird ein offizielles Amazon-Zahlungskonto angegeben, auf welches Birgit Wessel überweisen soll. Nach Durchführung der Überweisung wird sie allerdings skeptisch und meldet den Vorfall über den Amazon-Hilfe-Button. Von Amazon erhält sie die Antwort, dass es sich um eine gefälschte Nachricht handelt, denn die Bestellbestätigung stammt nicht von Amazon. Es stellt sich heraus: Das Fahrrad hat es nie gegeben und das Konto ist in Portugal. Sie ist auf einen Betrüger reingefallen.

"Das Geld war überwiesen, die Bank hat gesagt: So what, nicht unser Problem. Amazon hat gesagt: Haben Sie nicht über uns bestellt. Und die Polizei hat gesagt: Ist Ausland, können wir nichts machen."

Birgit Wessel

Birgit Wessel ist aber nicht das einzige Opfer eines solchen Betruges. In vielen Internetforen melden sich geschädigte Kunden und beschweren sich, dass sie Artikel bei Händlern mit den besten Kundenbewertungen bestellt haben, die Ware aber nie angekommen ist.

Fall 2: Shops von Verkäufern werden gehakt

Deutschlandweit finden wir aber nicht nur betrogene Kunden, auch viele Amazon-Verkäufer sind Opfer dieser Masche geworden. Ihre Online-Shops wurden in den vergangenen Wochen von den Betrügern gehackt und für die Betrugsmasche missbraucht. Eines der Opfer ist "Hobbyfoto", das größte Fotofachgeschäft in Baden-Württemberg. Der Besitzer Andreas Raether verkauft seine Ware schon länger bei Amazon – Ende September klingeln aber plötzlich alle acht Telefonleitungen von "Hobbyfoto" sturm: Zahlreiche Personen rufen an und fragen nach, wo die bestellte Waschmaschine, der Kühlschrank, das Auto oder gar das Boot bleibe. Andreas Reather checkt seine Amazon-Seite und stellt fest, dass 61.000 Artikel zum Kauf angeboten wurden, die zum großen Teil nichts mit Fotografie zu tun haben. Mit diesem Angebot hätte Andreas Raether jedes Kaufhaus bei Weitem übertroffen. Erst zweieinhalb Stunden nach dem Hack sperrt Amazon den Account und beendet den Spuk. Doch der Ärger für Andreas Raether ist damit nicht vorbei: "Wir hatten ein Ranking von 99,8 Prozent. Das ist ein wohl doch sehr, sehr positiver Wert und durch diese Negativ-Bewertungen, die die Kunden dann eben abgegeben haben, weil sie ihr Boot eben nicht von uns bekommen haben, weil wir keine Waschmaschine geliefert haben und auch das Bügeleisen nicht rechtzeitig kam, haben sie uns dann entsprechend bewertet. Aufgrund falscher Tatsachen." Deshalb stellt Andreas Raether auch eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei.

Betrugsmaschen bei Amazon & Co werden dreister

Internetexperte Sebastian Schreiber ist Geschäftsführer der Firma Syss, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und hat solche Betrugsfälle bereits mitbekommen. Er stellt fest, dass die Betrüger auf dem Amazon-Marketplace immer dreister werden:

"Was jetzt gerade in ist, ist, dass die Täter fremde Amazon Marketplace Accounts hacken und in deren Namen Produkte anbieten und dann versuchen, den gutgläubigen Kunden von Amazon wegzulocken und zu einer Überweisung zu verführen."Sebastian Schreiber

Und viele überweisen - der Grund: Die Kunden wiegen sich in Sicherheit, denn die Bestellbestätigungen sehen denen von Amazon täuschend ähnlich. Allerdings wird die Amazon-Bezahlfunktion umgegangen und man soll stattdessen gesondert überweisen.

Wenig Hoffnung auf Rückzahlung

Beim Landeskriminalamt Niedersachsen kümmert sich die Cyber-Polizei um die neue Betrugsform bei Amazon. Hans-Joachim Henschel ist Kriminalkommissar beim LKA Niedersachen und macht betroffenen Kunden keine Hoffnung – das auf externe Konten überwiesene Geld ist in der Regel weg:

"Das Problem ist, dass die Täter meistens irgendwo im Ausland sitzen und dann für ihre Zahlung dieser Verkäufe sogenannte Finanzagenten anwerben. Das sind ganz normale Personen, die hier ganz normal im Inland oder im Ausland auch leben und dann ihr Konto für den Bezahlverkehr zur Verfügung stellen oder vielleicht extra anlegen und das Geld dann nachher weiter an die Täter transferieren mittels Bitcoin oder Western Union oder vergleichbare Wege und somit bleiben die Täter weiterhin außen vor."

Hans-Joachim Henschel

Bei Bitcoins und Co handelt es sich um virtuelle Währungen. Sie sind für illegale Geschäfte sehr attraktiv, da das Geld und alle zugehörigen Transaktionen anonymisierbar sind.  

Die Masche der Betrüger

Bei der Masche, auf die Birgit Wessel hereingefallen ist, gehen Kriminelle folgendermaßen vor: Die Betrüger versuchen die Kunden dazu zu bringen, mit ihnen per E-Mail Kontakt aufzunehmen. Um das zu erreichen stornieren sie Bestellungen der Kunden immer wieder. Viele Kunden beschließen dann, den Verkäufer per Mail zu kontaktieren, um nachzufragen, was es für ein Problem mit der Bestellung gibt. Die Betrüger schreiben dann zurück, dass mit der Bestellung alles in Ordnung sei, das Problem mit Amazon nun gelöst wurde und der Kunde in Kürze eine Bestellbestätigung von Amazon erhalten werde.

Wenige Minuten später kommt dann tatsächlich die Bestellbestätigung per Mail - nur stammt diese nicht von Amazon, sondern wurde von den Betrügern erstellt. Da die Bestätigungsmail täuschend echt aussieht, fällt die Fälschung meist nicht auf. In der Bestellbestätigung wird dann der Kunde zur Zahlung an ein angeblich "offizielles Amazon Kundenkonto" aufgefordert. Dabei handelt es sich aber um nicht um ein offizielles Konto, denn bei einem echten Kauf über Amazon muss man nie aktiv Geld überweisen, sondern der Betrag wird einfach von der hinterlegten Bankverbindung abgebucht. Wer regelmäßig bei Amazon einkauft, dem fällt dieser Unterschied unter Umständen auf. Gelegenheitskäufer hingegen kennen den typischen Zahlvorgang bei Amazon nicht und können auf die offiziell aussehende Zahlungsaufforderung hereinfallen - vor allem wenn der Verkäufer exzellente Kundenbewertungen hat.

Tipp: Nur über das typische Amazonkonto bezahlen

Um nicht auf die Betrugsmasche hereinzufallen, rät Internetexperte Sebastian Schreiber:

"Zunächst mal sollte man skeptisch sein, wenn man weggelockt werden soll von dem Amazon Marketplace. Ganz skeptisch sollte man sein, wenn man über ein anderes Konto als über das Amazonkonto überweisen soll, denn bei Amazon läuft das immer über das typische Amazonkonto."

Sebastian Schreiber


Daher gilt:

  • Bei Bestellungen auf Amazon sich nicht auf andere Webseiten locken lassen oder sich auf andere Zahlungsverfahren einlassen, beispielsweise eine Überweisung direkt an den Händler oder eine Zahlung per Vorkasse. Stattdessen den Vorfall an Amazon melden, den Kontakt zum Händler abrechen und auch keine Ware mehr dort kaufen. Außerdem besser nicht auf die gefälschten Bestellbestätigungen per Mail reagieren, denn so kommen die Betrüger an die private Emailadresse.
  • Um nicht auf einen gehackten oder Fake-Anbieter hereinzufallen, sollte man außerdem die Händler-Informationen genau anschauen. Ist der Anbieter eigentlich ein Fachgeschäft für Musikinstrumente, bietet aber Waschmaschinen oder Fernseher an, dann sollte dort besser nichts gekauft werden. Sofern eine Telefonnummer angegeben ist, kann man den Händler in einem solchen Fall auch einfach mal anrufen und nachfragen, ob sein Amazon-Konto gehackt wurde.
  • Falls man aber doch auf die Masche hereingefallen ist und Geld überwiesen hat, sollte man sofort bei seiner Bank anrufen und versuchen, die Überweisung rückgängig zu machen. Auf diese Weise kann man das Geld vielleicht noch zurück erhalten.

Amazon schreitet bisher nicht ein

Doch was unternimmt der Konzern gegen die Betrüger? Auf unsere detaillierten Nachfragen geht Amazon nicht ein, sondern antwortet lapidar: "Erlangen wir Kenntnis über ein unzulässiges Angebot, entfernen wir dieses unverzüglich."

Bei Fotohändler Andreas Raether dauerte das Entfernen mehrere Stunden. Und auch sein durch den Hack massiv verschlechtertes Ranking kümmert Amazon nicht. Er berichtet, dass sein Umsatz seither deutlich zurückgegangen ist: "Den Imageschaden, der zweifelsohne durch Amazon entstanden ist, dass man da nicht bemüht ist, den wieder zu beheben. Das ist nicht in Ordnung, absolut nicht." Und auch Birgit Wessel ist sauer auf Amazon. Sie findet, dass  Amazon seine Kunden auf die Betrugsmasche hinweisen sollte, auch wenn Amazon als Betreiber der Plattform juristisch nicht haftbar zu machen ist.

"Profitoptimierung" von Amazon

Internetexperte Sebastian Scheiber hat allerdings Verständnis für Amazon, denn wenn Amazon Warnmeldungen vor den eigenen Marketplace-Händlern herausgeben würde, könnten auch seriöse Verkäufer geschädigt werden. Durch die Erhöhung von  Sicherheitsvorkehrungen entsteht außerdem eine gewisse Barriere, die das Abwickeln der Käufe weniger komfortabel für Verkäufer und Käufer macht. Sebastian Schreiber ist sich sicher, dass Amazon in dieser Situation profitoptimal entscheidet, um die Kunden einerseits zu schützen und andererseits die Transaktionen auf dem Portal nicht negativ zu beeinflussen.


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