BR Fernsehen - puzzle


13

Scharfe Beobachterin zwischen Bayern und Bosporus "Die Isartürkin"

Türkei und Deutschland verbindet eine enge Beziehung und etwa 3 Millionen Türkeistämmige leben in Deutschland. Auch wenn die beiden Kulturen seit Jahrzehnten Tür an Tür leben, gibt es Vorurteile. In ihrem Buch "Die Isartürkin" nimmt die deutsch-türkische Autorin Deniz Aykanat auf humorvolle Weise die Eigenheiten beider Seiten ihrer Familie auf die Schippe und begibt sich auf die Suche nach ihrer eigenen Identität.

Von: Agnieszka Schneider

Stand: 27.02.2023

Scharfe Beobachterin zwischen Bayern und Bosporus: "Die Isartürkin"

Die Journalistin Deniz Aykanat ist eine scharfe Beobachterin. Als Tochter türkisch-bayerischer Eltern ist sie größtenteils in München aufgewachsen. Nachdem der Vater in den 1960er-Jahren nach Deutschland kam und sich am Ammersee als Schiffsbauer hat ausbilden lassen, arbeitete er in der Türkei beim Aufbau einer Yachtbasis. Ihre aus der Oberpfalz stammende Mutter lernte Türkisch und die Familie lebte am Bosporus, bis Deniz vier Jahre alt war. Dann kehrte die Familie wieder nach München zurück. Deniz Aykanat merkt schon früh, dass das Pendeln zwischen den beiden Welten sie auf eine Zerreißprobe stellt.

"Ich habe zwei Seiten, und die werden durch eine Brücke irgendwie verbunden. Und ich gehe einfach immer auf der Brücke hin und her und gehe gar nicht richtig auf die eine Seite, nicht richtig auf die andere Seite. Und inzwischen habe ich das Gefühl, du musst dich irgendwie schon entscheiden! Und dann leidet natürlich immer eine Seite darunter. Und dieses Neue, das du dir da irgendwie zusammengesetzt hast, wird irgendwie nicht akzeptiert oder das wird nicht gesehen."

Deniz Aykanat, Buchautorin

Deutsch-Türkische Kolumne in der SZ

Deniz Aykanat startete ihre Kolumne im Frühling 2017 nach der Aufregung über den Putschversuch gegen die Regierung von Erdoğan. Die politische Lage war erdrückend. Aykanat wollte verstehen, warum so viele Türkeistämmige sich mit der alten Heimat und dem türkischen Präsidenten verbunden fühlen.

"Von der Süddeutschen Zeitung, für die ich arbeite, bin ich nach Oberhausen geschickt worden, und dort in der großen Halle ist Binali Yildirim aufgetreten, der damals Premierminister war. Und die Arena war voll. Da waren zigtausend Leute, die ganze Stadt war auf den Beinen. Die Leute sind von Berlin, Stuttgart nach Oberhausen gepilgert, um ihn zu sehen, und die Halle hat getobt. Du hängst natürlich an deiner Heimat fest, wenn du hier kein politisches Mitspracherecht hast oder keine Repräsentation - und wenn immer nur auf dich eingedroschen wird, sodass du irgendwie das Gefühl hast, dass die Parteien dich als Bürger und als potenziellen Wähler nicht sehen, dann wenden sie sich anderen Menschen, anderen Politikern und ihrer alten Heimat zu."

Deniz Aykanat, Journalistin Süddeutsche Zeitung

Wo ist das Wir-Gefühl? Wann fängt die Gesellschaft an, die Unterschiede und Vielfalt auch als Chance zu sehen? Die Journalistin arbeitete für ihre Kolumne Gemeinsamkeiten beider Kulturen heraus. Betont das Verbindende, statt das Trennende. Ihr Beweggrund: die rassistischen Anschläge in Deutschland.

"Bei der NSU-Mordserie war es das erste Mal, dass ich auch Angst hatte, dass ich auch froh war zum Beispiel, dass mein Vater keinen Gemüseladen am Eck hat. Also Rassismus, der bei uns in der Gesellschaft tief verankert ist, den bekomme ich Undercover mit. Das ist natürlich ein klares Privileg, das ich genieße, weil ich erst mal ganz einfach Deutsch gelesen werde. Also ich werde auf der Straße nie angepöbelt, das ist mir noch nie passiert, aber die Leute offenbaren sich dann natürlich. Und man kann die Menschen dann konfrontieren, weil sie sich selber oft gar nicht für rassistisch halten."

Deniz Aykanat, Buchautorin

Das Ergründen ihrer bayerischen Seite

Ihre deutsch-türkische Kolumne hat Deniz Aykanat gerade auf Eis gelegt. Aktuell will sie mehr die oberpfälzischen Wurzeln ihrer Mutter hinterfragen, um noch besser ihre eigene Diversität zu verstehen.

"Ich lebe jetzt nicht mehr in München, sondern in Regensburg und bin auch beruflich oft auf dem Land unterwegs. Und du willst ja dann irgendwie auch einen Draht zu den Leuten kriegen. Und dann ärgere ich mich, dass ich nicht Bairisch spreche, dass ich eigentlich im Prinzip den Dialekt nicht richtig kann. Das ist genau dasselbe Gefühl, das ich oft in der Türkei hatte oder habe, wo ich dann irgendwie so mit meinem schlechten Türkisch stammle."

Deniz Aykanat, Buchautorin

Buch

Deniz Aykanat
Die Isartürkin. Mein Leben zwischen Bayern und Bosporus
Diana Verlag


13