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Fühlen. Denken. Sagen. No Comment

Sie sind Flüchtlinge, Asylbewerber, Traumatisierte. Wir labeln ganze Gruppen von Menschen mit Oberbegriffen. Aber wir suchen selten den einzelnen Menschen hinter diesen Begriffen. Selten bekommen sie eine Plattform.

Stand: 30.08.2016

Bellevue di Monaco | Bild: BR

Was denken sie, was fühlen sie, was wollen oder müssen sie gedanklich loswerden? Wir haben versucht, einige dieser Menschen ein klein wenig aus ihrer Anonymität rauszuholen. Wir haben Besucher der Münchner Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco in München gebeten, sich unserer Kamera anzuvertrauen. 

Hier dürfen die Menschen sagen, was sie wollen, wie sie wollen und an wen sie wollen. Alles ist erlaubt. Auch ein besonderes Lied aus der Heimat.

Hier ein Auszug dessen, was den Menschen am Herzen lag zu sagen.

Fühlen. Denken. Sagen.

"Ich lebe seit fünf Jahren in Deutschland. Ich komme aus Hazaristan. Das ist ein Land in meinem Herzen. Mein Land ist kalt, genau wie Deutschland. Ich habe in einer Stadt gelebt. Ich bin hier mit meinen vier Kindern. Ich möchte die Deutschen etwas fragen: Wo haben die Deutschen ihr großes Herz gefunden? Ich finde die Deutschen haben ein sehr großes Herz. 2015 kamen so viele Flüchtlinge. Deutschland hat so viel geholfen. Für mich ist das Wahnsinn. Und auch sehr, sehr gut. Deutschland hat ein sehr großes Herz für andere Menschen."

Arezu

"Mein Name ist Nasim. Nicht Flüchtling."

"Hallo, ich bin Nasim. Am 29.06.1988 bin ich in Afghanistan als ein Mensch geboren. Seit zwei Jahren bin ich in Deutschland. Meine Eltern haben mir einen Namen gegeben: Nasim. Normalerweise hat meine Mama immer zu mir gesagt: 'Nasimag'. Das heißt 'mein Lieber'. In Deutschland habe ich einen neuen Namen bekommen: Flüchtling. Ich bin aber ein Mensch. Ich habe einen Namen. Ich hoffe, dass jeder zu mir meinen Namen sagt."

Nasim Sadat

"Hallo, mein Name ist Haiffa, ich komme aus Syrien. Ich bin 13 Jahre alt. Ich bin seit acht Monaten hier. Meine Schule ist gut, jeden Monat gehen wir zur Isar, wir gehen zum Klettern, wir gehen zum Tierpark. Ich möchte gerne später einmal Herzarzt werden."

Haiffa

"Hallo, ich bin Lin, ich komme aus Syrien. Seit vier Monaten gehe ich zur Schule. Ich liebe meine Schule und meine Freunde und ich liebe Deutschland, weil Deutschland ist sehr schön. Ich bin zehn Jahre alt. Wenn ich groß bin, will ich Sängerin werden."

Lin

"Ich bin der Mandy, ich komme aus dem Senegal, ich bin seit sechs Jahren in Deutschland, ich komme aus Augsburg. Wir haben keinen Krieg im Senegal. Wir haben sichere Herkunft, unser Asyl ist unbegründet. Das sagt die deutsche Bundesregierung. Aber eines möchte ich gerne sagen. Ich bin hier mit ein paar Freunden und mit ihnen habe ich eine Gruppe gegründet, die heißt 'equal rights movement'. Wir bewegen uns für gleiche Rechte. Nach einem wissenschaftlichem Abi bin ich direkt in eine Universität gegangen. Dort habe ich meinen Master in Finanzwesen abgeschlossen. Im Senegal habe ich dann fünf Jahre im Bank-, Import-Export und Solarsektor gearbeitet. Danach bin ich nach Deutschland gekommen. Ja, seit ich in Deutschland bin, das würde ich gerne sagen, musste ich dieses besondere Wort 'Freiheit' definieren. Ich weiß nicht mehr, was das bedeutet. Als ich in meinem Land war, haben die EU-Länder uns Lehrer geschickt und sie haben uns erklärt, was Menschenrecht bedeutet, was Freiheit bedeutet, und das, was ich gesehen habe, ist nicht das, wovon ich früher gehört habe."

Mandiaye Seck

"Wir haben alle unsere Gründe, warum wir hier sind. Eine der Gründe ist das unfaire Business zwischen Europa und Afrika, das ist auch, warum wir da sind. Wir wollen gerne ein besseres Business zwischen Afrika und EU. Seit ich in Deutschland bin, durfte ich noch nie arbeiten, obwohl ich alles getan habe, um der Stadt Augsburg keine Kosten zu bereiten, aber ich muss von der Stadt Augsburg leben. Ich darf nicht arbeiten, ich darf keine Ausbildung machen. Diese Sprache, die ich mit euch spreche, habe ich selber gelernt. Ich habe noch nie eine deutsche Schule besucht. Noch nie. Ich habe alles getan. Manchmal gehe ich in Augsburg in die Universität in einen Kurs, weil mir das fehlt. Ich mache das, obwohl ich kein Student bin. Aber trotzdem mache ich das. Es ist ein großer Unterschied, was die Medien und die Politiker in der Theorie erzählen und dem, was wir hier erleben."

Mandiaye Seck

Frei und unkommentiert

"Mein Name ist Renate Wolf, ich komme aus Unterschleißheim und seit drei Jahren bin ich dabei, einige Asylbewerber ein bisschen zu begleiten. Von zwei Menschen will ich Ihnen erzählen, die mir sehr am Herzen liegen. Beide kommen aus dem Senegal und haben beide so viel für sich und auch für andere getan. Sie sind nach München gegangen und haben sich selber eine Schule gesucht. Sie sind in diese Schule gegangen und haben dafür gekämpft, dass sie Unterricht bekommen. Der eine hat nun seinen Abschluss gemacht. Was mir heute am Herzen liegt, ist, dass dieser junge Mann mit Abschluss von der IHK keine Arbeitsstelle annehmen darf. Er ist Elektrotechniker, hat so viele Erfahrungen und hilft jetzt im Repaircafé, aber er darf nicht arbeiten und er kann keine Ausbildung anfangen, obwohl sein Ausbildungsplatz sicher ist. Der andere hat sich jetzt einen Ausbildungsplatz selber gesucht und macht jetzt eine Mechatronikerausbildung, aber auch diese Ausbildung ist jetzt seit ein paar Monaten gefährdet. Aber auch der Arbeitgeber hat sich bereit erklärt, sich für ihn einzusetzen und auch klarzumachen, dass sie diesen Mann brauchen, dass sie gar keinen anderen finden, der diese Arbeit in der Zeit macht. Wir als Helfer haben auch das Bedürfnis, dass unsere Arbeit Erfolg hat. Wir tun das nicht nur für uns und um den Flüchtlingen zu helfen, sondern wir tun das auch für unser Land und wir tun es auch dafür, dass unsere Demokratie stabil bleibt."

Renate Wolf, ehrenamtliche Helferin aus Unterschleißheim

No comment. Wir möchten die Menschen, die sich uns anvertrauen, nicht kommentieren. Das, was sie sagen, soll für sich stehen. Demnächst wird "puzzle" wieder sein kleines Filmset an einem anderen Ort aufbauen und Menschen einladen, von sich zu erzählen. Frei und unkommentiert.

Autorin des Filmbeitrags: Michaela Wilhelm-Fischer


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