Baumpilz Räuchern und Würzen mit Zunderschwamm
Unermüdlich durchstreift der Waldpädagoge Rainer Schall die Wälder im Allgäu auf der Suche nach Inspirationen für seine Survival-Kurse. Mit dem Zunderschwamm zeigt er, wie früher Feuer gemacht wurde.
Der Baumpilz begleitet die Menschheit nachweislich seit über 10.000 Jahren. Auch der berühmte Gletschermann Ötzi, der vor ca. 5.300 Jahren lebte, trug ihn bei seiner Alpenüberquerung bei sich. Aber der Zunderschwamm kann noch mehr. Rainer Schall will heute ein altes Rezept fürs Räuchern ausprobieren. An einer umgefallenen Buche entdeckt er schließlich den Schmarotzer. Dieser sitzt ganz fest am Baum und Rainer Schall muss ein Beil einsetzen, um ihn abzutrennen.
Woran erkennt man den Zunderschwamm?
Der Zunderschwamm besiedelt mit Vorliebe alte Buchen und Birken. Sein Erscheinungsbild ist unspektakulär. Er bildet konsolenförmige Fruchtkörper, die in unzähligen Schattierungen von Hell- bis Dunkelgrau schimmern. Im Alter dunkeln die Fruchtkörper nach. An der Unterseite befindet sich eine Sporenschicht, die weiß bis weißcreme gefärbt ist. Rainer Schall fährt mit dem Fingernagel darüber, die Ritzen verfärben sich sofort braun. „Das ist ein guter Hinweis, dass es sich um den Echten Zunderschwamm handelt,“ erklärt der Waldpädagoge.
Er schneidet die äußere, fast schwarze und sehr feste Schicht mit einem Messer ab. Zum Kochen ist die Außenschicht wenig geeignet: sie riecht leicht erdig und schmeckt leicht bitterlich. Darunter liegt die Fruchtschicht, auch Trama genannt. Sie sieht watteähnlich aus und ist sehr dehnbar. Durch diese wildlederartige Fruchtschicht kam der Zunderschwamm zu seinem Namen, so Rainer Schall. Das ist der Zunder, auf den ein Funke geschlagen wird, um Feuer zu machen.
Vielseitig verwendbar
Früher fand der Zunderschwamm eine vielfältige Verwendung: Aus der Trama wurden neben dem Zunder zum Feuerentfachen auch blutstillende und desinfizierende Wundauflagen sowie stärkende Teepulver und sogar Hüte und Handtaschen hergestellt. Bis ins 19. Jahrhundert wurden in Deutschland Riesenmengen an Zunderschwamm verarbeitet. Im Jahr 1842 waren es z.B. allein in Neustadt am Rennsteig ca. 20 Tonnen. In den Regionen, die für die Pilzleder-Verarbeitung bekannt waren, findet man auch heute noch eine weitere vergessene Delikatesse – den Zunderschnaps. Geschmacklich soll er an Kräuterschnäpse erinnern.
Tee und Würzpulver
Aber Rainer Schall interessiert etwas anderes: Er möchte lieber Tee mit Zunderschwamm zubereiten und kosten. Dafür raut er die Trama in einem Mixer leicht auf. Mit einem Teil davon wird Tee gemacht und der Rest ist zum Würzen und Räuchern von Tofu-Streifen.
Der Waldpädagoge füllt einen Kochtopf mit aufgerauter Trama, gießt darüber ein paar Tassen Wasser und zündet den Gaskocher seiner mobilen Küche an. Jetzt muss der Tee auf schwacher Flamme etwa eine halbe Stunde köcheln, damit er die wertvollen Inhaltsstoffe des Zunders aufnehmen kann. Er soll eine magen- und darmfreundliche sowie allgemein stärkende Wirkung entfalten.
In der Zwischenzeit verarbeitet Rainer Schall den Rest der Trama unter Zusatz von Salz und Chili zu einer fein gemahlenen Würzmischung. Er ist gespannt, wie das nachher auf den Tofu-Streifen schmecken wird.
Aber bevor Rainer Schall mit dem Räuchern beginnt, füllt er eine Räucherspirale - mit der aufgerauten Trama. Sie soll eine Glimmglut produzieren. Der entstehende Rauch soll dann die Tofu-Streifen räuchern, die der Waldpädagoge jetzt mit der Chili-Pilz-Würzmischung abschmeckt und anschließend in den Räucherofen schiebt. Hoffentlich klappt es und das alte Rezept bewährt sich auch mit dem Tofu statt Fleisch oder Fisch.
Wie schmeckt das?
Der Tee ist inzwischen fertig und Rainer Schall füllt eine Tasse, nimmt einen Schluck zu sich und konstatiert überrascht: „Er riecht sehr, sehr mild und angenehm frisch. Er schmeckt eigentlich wie ein Kräutertee mit einer leicht pilzigen Note zum Herausschmecken. Aber den könnte man jetzt locker als irgendeinen Kräutertee durchgehen lassen!“
Nach rund einer Stunde zieht der Waldpädagoge dann den Rost mit den Tofu-Streifen aus dem Räucherofen heraus und schneidet ein Stückchen davon zum Probieren ab. Langsam und sichtlich genüsslich kaut er daran und stellt fest: „Durch den Chili ist er natürlich ein bisschen scharf, aber hat eine schöne, rauchige, geschmackvolle Note. Lecker! Es schmeckt mir sehr gut!“
Der Waldpädagoge meint zudem, dass der Baumpilz zum Räuchern sogar besser geeignet ist als traditionelle Holzspäne. Sein Vorteil: Er glimmt länger, ohne zu verglühen oder Funken zu versprühen.
Der unscheinbare Zunderschwamm hat es in sich: er zündet, kleidet, heilt und oben drauf räuchert und würzt er noch. Der Zunderpilz, ein echtes Multitalent!
Kontakt
Rainer Schall
Dipl.-Biologe, Waldpädagoge
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