Zum ersten Mal virtuell DGB-Bundesversammlung 2020
Die Bundesversammlung vom Deutscher Gehörlosenbund e.V. fand zum ersten Mal in seiner 93-jährigen Geschichte online statt. Mit moderner Videochatkonferenz sowie digitaler Stimmabgabe. Sehen statt Hören hat die Bundesversammlung begleitet und zeigt, wie diese virtuelle Premiere funktioniert hat. Auch für den DGB eine interessante Erfahrung und Ausblick in eine digitale Zukunft?
Die meisten kennen bei Videokonferenzen die Kachel-Ansicht. Hier wurde entschieden, den jeweiligen gebärdensprachlichen Redner groß im Bild erscheinen zu lassen. Auch Präsentationen konnten angezeigt werden, dafür mussten die Delegierten mit zwei Monitoren arbeiten.
Mitarbeitende der DGB-Geschäftsstelle: (v.l.) Katja Fischer, Wille Felix Zante, Ngoc Mai Nguyen und Sehen statt Hören-Moderator Thomas Zander
Für die erfolgreiche Organisation im Hintergrund waren Mitarbeitende der Geschäftsstelle des Deutschen Gehörlosen-Bundes in Berlin verantwortlich: Ngoc Mai Nguyen (Verwaltungsmitarbeiterin) und Wille Felix Zante (Referent für Presse und Öffentlichkeitsarbeit). Katja Fischer, eine anerkannte Persönlichkeit im Deutschen Gehörlosen-Bund, hat die Versammlungsleitung übernommen.
Virtuelle Stimmabgabe
Diskussionen gab es im Vorfeld, ob und wie eine Stimmabgabe via Internet stattfinden kann, berichtet Katja Fischer. Doch auch dafür hat sich ein gangbarer Weg gefunden:
"Wir fangen immer mit den 'Ja'-Stimmen an, dann die 'Nein'-Stimmen, die wichtiger sind und die 'Enthaltungen'. Vorher muss natürlich die Zahl der Anwesenden genau festgehalten werden, damit es dann auch stimmt. Zur Sicherheit werden die Abstimmungen mit einer extra Kamera aufgezeichnet, damit das Protokoll gegebenenfalls noch korrigiert werden kann. Eine Absicherung, für die sich entschieden wurde und die ich für praktikabel halte."
Katja Fischer, Versammlungsleiterin
Die virtuelle DGB-Bundesversammlung kam bei den Delegierten gut an. Er war erstmalig in der Geschichte des Deutschen Gehörlosenbundes, aber vermutlich nicht einmalig.
Gründung der gGmbH als Tochtergesellschaft
Inhaltlich kamen die Mitglieder gut voran, so wurde beispielsweise die Gründung einer gGmbH als Tochtergesellschaft des DGB diskutiert.
"Die gGmbH wird jetzt für die Kulturtage gegründet, dies soll aber nicht das einzige Projekt unter der gGmbH sein. In Zukunft können verschiedene Projekte darüber laufen. Zum Beispiel sind Museums-Projekte denkbar, Bildungskongresse, Führungskräftetrainings, diverse Seminare, wie im Multimedia Bereich usw. könnten von der gGmbH organisiert werden, die Ideen sind zahlreich. Die gGmbH soll dauerhaft bestehen, solange es den DGB gibt."
Elisabeth Kaufmann, 1. Vizepräsidentin Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.
Länderrat als Schnittstelle
Die Gründung der gGmbH soll noch in diesem Jahr erfolgen.
Ein weiterer Tagesordnungspunkt kreiste um den Länderrat:
"Durch einen Länderrat würde vieles einfacher werden. Deutschland ist durch den Föderalismus stark geprägt, was man bei der Corona Pandemie sehen kann. Die Bundesländer haben die Hoheit bei Entscheidungen und nicht der Bund. Aber auch unabhängig von Corona sind viele Angelegenheiten Ländersache, sei es die Bildungs- und Schulpolitik oder die Umsetzung der Sozialgesetzgebung in den einzelnen Bundesländern. Da die Informationen in den Landesverbänden sehr unterschiedlich sind und Strategien abgesprochen werden sollten, ist solch ein Länderrat von Vorteil. Viele meinen, der Deutsche Gehörlosen-Bund kann auf Bundesebene alles regeln, dies ist aber nicht korrekt, vieles läuft auf Landesebene. So ist es nun einmal in Deutschland, dass es die Bundes- als auch die Landesebene gibt. Diese Schnittstelle soll der Länderrat abdecken zwischen den Landesverbänden und dem DGB."
Helmut Vogel, Präsident des Deutschen Gehörlosen-Bundes
DGB und DGS - Lösung mit Vorteil für beide
Außerdem ging es noch um die Vereinbarung zwischen Deutschem Gehörlosenbund und dem DGS, dem Deutschen Gehörlosen-Sportverband, denn dieser möchte schon längere Zeit aus dem DGB austreten. Mit einem Schlag hätte der DGB so 7.500 Mitglieder verloren. Der Präsident des DGS, Josef Willmerdinger, weiß um die Problematik:
"Persönlich blutet mir da das Herz und man sollte auch vernünftig miteinander umgehen. Aber ich muss es aus sportpolitischer Perspektive betrachten und hier sehe ich ganz klar, dass der DGS eigene Wege gehen muss, dass wir eigenständig wachsen müssen. Seit wir unabhängiger vom DGB agieren, hat sich viel getan und wir konnten Entwicklungen anstoßen. So gab es im letzten Monat ein Treffen mit dem BMI in Berlin bei dem ich verschiedene Forderungen, z.B. nach einem eigenen Dolmetscherbudget aufgestellt habe. Hier haben wir bisher ja überhaupt keine finanzielle Unterstützung und wurden immer auf den Sozialbereich - das BMAS - verwiesen. Aber es geht um den Sport! Die Leute vom BMI waren verwundert, dass es beim BMAS keine Möglichkeiten gibt und wir haben gemerkt, dass die Zuständigkeiten unklar sind. Es bestand immer die Auffassung, dass wir als Mitgliedsverband des DGB auch alles über den DGB laufen lassen müssten, dies ist aber gar nicht sinnvoll, da wir ein eigenständiger Verband sind! Die Politik hat zu wenig Vorstellung und Verständnis unserer Arbeit, zum Leidwesen von DGB und DGS."
Josef Willmerdinger, Präsident des DGS
Auf der Bundesversammlung hat sich eine Lösung für das Problem abgezeichnet: Der DGB hat dem DGS das Angebot unterbreitet, Fördermitglied im DGS zu werden. Der DGS ist wiederum außerordentliches Mitglied im DGB.
"So wäre es eine Art Gegenseitigkeitsabkommen, ein Agieren auf Augenhöhe, eine Partnerschaft. Dies ist eine gute Möglichkeit der Zusammenarbeit", freute sich Josef Willmerdinger über die Vereinbarung.