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Der verkannte Beruf Taube Gebärdensprachdozenten

Taube Dozenten werden überall gebraucht, wo Menschen die Gebärdensprache erlernen wollen. Denn sie sind Muttersprachler und in der Gehörlosenkultur verankert. Doch der "Gebärdensprachdozent" ist kein anerkannter Beruf und die Ausbildung nur berufsbegleitend. Gleichzeitig kommen neue Aufgaben auf die Dozenten zu und die Ansprüche steigen. Wie können sie mit der Entwicklung Schritt halten? Gedanken über eine Berufsgruppe, die um Anerkennung ringt.

Von: Elke Marquart (Film) / Steffi Wolf (Online-Text)

Stand: 02.08.2023

An der Hochschule in Landshut unterrichtet Margit Hillenmeyer im Studiengang "Gebärdensprachdolmetschen" das Fach DGS. Ihr Unterrichtsmaterial hat sie 1989 selbst entworfen: "Davor war ja alles in LBG konzipiert", so Margit Hillenmeyer. Hörende hatten die Gebärdensprache vermittelt. Hillenmeyer setzte sich für die Etablierung der Gebärdensprachdozenten-Ausbildung ein.

"Ich hatte das Gefühl, die Gebärdensprache ist ein Teil von mir. Sie gehört zu mir und ist meine Muttersprache. Ich wollte zeigen: 'schaut her, wie schön diese Sprache ist'. Mir war klar, dass die Zahl gehörloser Menschen zurückgeht, aber mir war die Verbreitung der DGS wichtig, weil sie auch nützlich für andere ist. Zum Beispiel bei der räumlichen Wahrnehmung oder bei Menschen mit Migrationshintergrund oder bei älteren Menschen, die schlechter hören. Alle können von der Gebärdensprache profitieren. Klar muss man den Unterricht an die Zielgruppen anpassen, aber es ist ein Gewinn. Das ist meine Botschaft."

Margit Hillenmeyer

Ausbildung zum Gebärdensprachdozenten

Dozentin Jana Schager hat 2003 "GebärdenVerstehen" in Heidelberg gegründet. Seit Beginn der Dozentenausbildung 2008 haben in acht Durchgängen 50 Teilnehmende ihr Zertifikat erworben - und danach Arbeit gefunden, in verschiedenen Bereichen, in denen es um Gebärdensprache geht. Beispielsweise in der Berufsschule, in der Gehörlosenschule oder bei Beratungsstellen.

"Ich weiß noch, wie 2004 das Berufsbild von Gebärdensprachdozenten verfasst wurde. Seitdem ist der Inhalt gleich geblieben, es wurde nichts verändert. Das Berufsbild konzentriert sich auf die Erwachsenenbildung. Aber wir haben heute ein viel größeres Spektrum; angefangen von den Hausgebärdenkursen für Kleinstkinder und deren Eltern, über die Schule mit Kindern und Jugendlichen, bis hin zur Dolmetscherausbildung. Man kann überall arbeiten. Der Beruf ist nicht langweilig. Doch das ist in keinem anerkannten Berufsbild festgehalten. Beispielsweise habe ich persönlich keinen Hochschulabschluss, sondern nur eine staatliche Prüfung. Damit werde ich anders bezahlt. Da zeigen sich die Hindernisse. Das sollte sich ändern."

Jana Schager

Prof. Christian Rathmann, leitet an der Humboldt-Universität die Abteilung Deaf Studies und Gebärdensprachdolmetschen:

"Heutzutage haben wir zwar formale Ausbildungen, in denen die richtige Vermittlung der Gebärdensprache gelehrt wird. Die gibt es, aber sie haben noch eher Projektcharakter. Daraus sind einige Ausbildungen hervorgegangen, z.B. ganz aktuell die Universität Köln, dann die Privatschule in Heidelberg, dann noch aus meiner Zeit die Universität Hamburg mit der gebärdensprachpädagogischen Ausbildung, die auch von der Humboldt Universität übernommen werden soll. Und das GIB in Nürnberg, wobei das GIB schon ein institutionalisiertes Verfahren hat. Alle vier Ausbildungen haben das gleiche Ziel - die Vorbereitung auf die staatliche Prüfung, entweder in Darmstadt oder in Nürnberg. Nach der Prüfung können die Dozenten gut mit ihrer Arbeit beginnen. Das ist also ein gutes Angebot. Das alles steht aber noch nicht auf einem festen Fundament."

Prof. Christian Rathmann

Allerdings, so Rathmann, sei die Zahl derer, die sich tatsächlich für die staatliche Prüfung anmelden, sehr gering. Das könnte seiner Meinung nach daran liegen, dass die Perspektive auf einen gesicherten Job nicht klar genug sei. Auch sei die Anerkennung für das Berufsbilde der Gebärdnesprachdozenten nicht ausreichend. Seine Annahme ist, dass deshalb viele lieber nur nebenberuflich als Dozenten arbeiten.

Weiterbildung für die Arbeit mit Kleinkindern

Hausgebärdenkus

Gehörlose Dozenten geben auch Kleinkindern Frühförderung in Gebärdensprache. Das ist ein spezieller Bereich, auf den Gebärdensprachdozenten zu wenig vorbereitet werden in der zweijährigen Ausbildung. Das Gehörlosen-Institut Bayern (GIB) in Nürnberg bietet nun erstmals eine pädagogische Weiterbildung an.

Pädagogische Weiterbildung, um Dozenten fit für die Arbeit mit Kleinkindern zu machen

Dort werden pädagogische Elemente vermittelt, aber auch rechtliche Grundlagen, denn Eltern tauber Kinder haben Fragen - die sie den Dozentinnen und Dozenten stellen, die bei ihnen ins Haus kommen.

Cem Borak ist seit vier Jahren Fachreferent im GIB und zuständig für die Organisation der Gebärdensprachdozentenausbildung. Er hat auch das Konzept für diese berufsbegleitende Maßnahme mitentwickelt.

"Wenn die Teilnehmer den Abschluss gemacht haben, sind sie 'geprüfte Gebärdensprachdozenten für Hausgebärdenkurse'. Sie können dann je nach Bedarf und wenn sie vom Jugendamt beauftragt werden, Hausbesuche machen und Kurse durchführen. Es ist auch möglich, dass sie in Kindergartengruppen Gebärdensprache unterrichten oder als Inklusionsbegleiter tätig werden. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Bereiche."

Cem Borak

Dozenten ohne Abitur

Dominik Ridder als Pädagogische Fachkraft im Unterricht

Gebärdensprachdozenten haben oft weder Abitur noch einen Hochschulabschluss. Damit ist es in der Regel unmöglich an einer Schule zu unterrichten, obwohl Lehrkräfte für Gebärdensprache dringend gebraucht werden. Aber manchmal öffnet sich doch eine Tür, wie an der Ruth-Schaumann-Förderschule im Saarland. Dominik Ridder ist Gebärdensprachdozent mit staatlicher Prüfung und arbeitet dort als Pädagogische Fachkraft. Seine Aufgabe ist es, die Inhalte mittels Kommunikation in DGS abzudecken. Ziel ist es auch, dass sich die Kinder besser untereinander ausdrücken können.

"Bevor ich staatlich geprüft war, hatte ich schon ganz normal unterrichtet und dachte, das passt so. Zudem hatte ich eine einjährige Linguistikausbildung in Frankfurt bei Daniela Happ und Marc Oliver Vorkörper absolviert. So konnte ich auch linguistische Inhalte gut in meinen Unterricht integrieren. Doch mit der Prüfung kam für mich der Durchbruch. Es war auf einmal ganz anders. Meine Qualität, meine Kompetenz und mein Fachwissen bezüglich des Unterrichts waren viel besser. Das hat mir die Augen geöffnet. Vorher war mir das nicht so klar, dass eine Schule bzw. der Zugang zur Bildung wichtig sind. Mich hat das in meiner persönlichen Entwicklung und im Lernprozess weiter nach vorn gebracht und gestärkt. Ich bin sicherer geworden. Das ist schön."

Dominik Ridder, staatlich geprüfter Gebärdensprachdozent  

Gebärdensprache als Schulfach

Wer eine Fremdsprache lernen will, wie Englisch, Spanisch oder Französisch, lernt sie in der Regel von einem ausgebildeten Lehrer. Dazu gibt es Lehrpläne für das Fach, Prüfungsordnungen und anerkannte Qualifikationsstufen.

Für Gebärdensprache gab es das in dieser Form lange nicht. Denn sie war bisher kein anerkanntes Unterrichtsfach. Erst jetzt im Oktober haben die Bildungsminister grünes Licht gegeben, Gebärdensprache als Fach an Schulen anzubieten. Doch wer soll das unterrichten? Sind Dozenten auf diese Aufgabe vorbereitet?

"Wenn man danach fragen würde, wer unterrichten soll, wäre aus Sicht der Politiker wahrscheinlich die einfache und schnelle Antwort: diejenigen, die ein erstes und zweites Staatsexamen haben. Das heißt, man müsste ein Lehramtsstudium absolvieren. Mit dieser Antwort ist meiner Meinung nach das Thema aber nicht einfach erledigt. Wenn man möchte, dass diese Lehrer sehr gute Kenntnisse in Gebärdensprache und in der Gehörlosenkultur haben, die in den Schulen zum Einsatz kommen sollen, dann muss man sich hier auch mehr öffnen. Es kann also durchaus möglich sein, dass die staatliche Prüfung in Darmstadt als gleichwertig anerkannt wird. Das wäre natürlich eine unglaubliche Aufwertung des Berufsbildes der Gebärdensprachdozenten."

Prof. Christian Rathmann, Humboldt-Universität Berlin

DGS-Kurse für hörende Lehrer

Lehrerinnen und Lehrer lernen am Laptop Gebärdenspache

Inzwischen wollen auch immer mehr hörende Lehrer Gebärdensprache lernen, um mit ihren gehörlosen Schülern kommunizieren zu können. Doch die Möglichkeiten sind rar.

Anke Klingemann und ihre Kolleginnen und Kollegen produzieren DGS-Videos

Seit kurzem bietet nun die bayerische Lehrerfortbildungsakademie in Dillingen erstmals einen DGS-Kurs für Pädagogen an. Und wer unterrichtet dort? - Natürlich eine taube Gebärdensprachdozentin: nämlich Anke Klingemann, die ihr als Moderatorin von Sehen statt Hören kennt. Aber sie arbeitet daneben auch als Gebärdensprachdozentin und hat den Kurs mitentwickelt.

Die Nachfrage der Lehrkräfte war besonders groß

"Anfangs überlegten wir, das Kurskonzept so zu gestalten, dass wir eine Gebärdengrundlage schaffen, die eine Alltagskommunikation mit Schülern ermöglicht. Doch schon bald merkten wir, dass der Bedarf viel größer ist. Deshalb haben wir das Konzept erweitert für die höheren Stufen, mit dem Ziel, das Sprachniveau A2 zu erreichen.  Das wird nicht nur mit Präsenzunterricht abgedeckt, sondern auch mit einem Kursbuch oder dem Onlineunterricht. Es sind also verschiedene Formen, die aufeinander abgestimmt sind, so dass die Teilnehmer auch eigenständig zu Hause lernen können."

Anke Klingemann, Gebärdensprachdozentin   


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