BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Online abgezockt Betrugsmaschen im Internet

Abzocke im Internet! Immer wieder tauchen neue Maschen auf, mit denen Betrüger versuchen an Geld zu kommen. Die Tricks werden immer perfider – und häufiger. Im Gespräch mit Sehen statt Hören-Moderatorin Anke Klingemann erzählen drei Betroffene von ihren Erfahrungen.

Stand: 26.08.2024

Der 10-Jahres-Vergleich verzeichnet einen Anstieg des Online-Betrugs um über 60 Prozent. „Internetkriminalität hat in ganz Deutschland eine Schadenssumme von ca. 208 Milliarden im letzten Jahr ausgemacht“, beziffert Polizeioberkommissar Martin Ostwinkel die beeindruckende Zahl. Und: Es kann jeden treffen, wie Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern betont: „Egal, ob alt oder jung, männlich oder weiblich. Da kann jeder auf irgendeine Masche reinfallen.“

Masche #1: Der Dreiecksbetrug

Sarah wurde Opfer eines Dreiecksbetrugs.

So wie Sarah: Sie wollte eigentlich nur ihr Handy verkaufen. Am Ende ist sie ihr Handy los und hat auch noch eine Menge Geld verloren. Aber von vorne: Vor sechs Jahren hat Sarah eine Anzeige in ebay Kleinanzeigen aufgegeben – nicht zum ersten Mal und deshalb mit gutem Gefühl. Diesmal wollte sie ihr iPhone verkaufen. Ein Interessent war schnell gefunden, die beiden schrieben hin und her. Als Bezahlung wurde eine Überweisung vereinbart – und tatsächlich war das Geld nach kurzer Zeit auf Sarahs Konto. "Nur fand ich eine Sache komisch: Der Name des Käufers stimmte nicht mit dem Namen des Kontoinhabers überein", erinnert sich Sarah. Die Erklärung kam prompt: Das sei das Konto seines Sohnes. Sarah sah die Bezahlung als erledigt an und schickte das Paket mit versichertem Versand los. "Durch die Sendungsnummer konnte ich sehen, dass das Paket beim Empfänger angekommen war. Damit war die Sache erledigt."

Das Prinzip Dreiecksbetrug

Doch zwei Wochen später bekam Sarah Nachricht von der Sparkasse: Ihr Konto sei gesperrt worden. Warum? Sie solle betrogen haben. Ein Schock für sie. Was war geschehen? Der angeblich interessierte Käufer war ein Betrüger. Er hat selbst eine fingierte Anzeige aufgesetzt – und für dieses Produkt, das es gar nicht gab, ebenfalls einen Käufer gefunden. Dieser Käufer überweist an Sarah, die Daten bekam er vom Betrüger. So lief das eigentliche Geschäft zwischen der dritten Person und Sarah ab. „Am Ende hatte der Betrüger das Geld und die Ware und war aus der Nummer raus“, sagt Sarah. Der echte Käufer hat die Ware nie erhalten und forderte schließlich sein Geld von Sarah zurück. Das nennt sich Dreiecksbetrug,

Sarah wollte beweisen, dass sie unschuldig ist und hat bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt erstattet. „Da habe ich dann die Adresse, den Namen, den ganzen Chatverlauf, alle Beweise dokumentiert und der Polizei übergeben. Und dann hieß es: Abwarten.“ Ein Jahr hat es in Sarahs Fall gedauert, bis Post von der Staatsanwaltschaft kam: Der Betrüger war gefunden worden, gegen ihn lagen schon viele Anzeigen vor und es liefen bereits etliche Verfahren gegen ihn. "Aber mein Verfahren wurde nicht weiterverfolgt, da er viel mehr Straftaten begangen hat, die im Vergleich viel größer und heftiger waren, wo es um richtig hohe Werte ging. Dagegen war mein Schaden viel zu gering, so dass das Verfahren eingestellt wurde."

Bedeutete: Sie musste das Geld vom Käufer vollständig zurücküberweisen. So waren Handy und Geld futsch, ihr Schaden betrug um die 1.500 Euro. Zum finanziellen Verlust kam dann auch noch die Scham, auf so eine Masche hereingefallen zu sein.

Tipps der Verbraucherzentrale

  • Bei Kleinanzeigen generell darauf achten, bei wem ich kaufe oder wem ich verkaufe. Dafür Bewertungen anschauen sowie die Produkte, die von der Person bereits verkauft wurden.
  • Sobald noch eine dritte Person oder ein dritter Name ins Spiel kommt – also nicht nur zwischen Käufer und Verkäufer verhandelt wird - misstrauisch werden und im schlimmsten Fall den Kaufvorgang oder Verkaufsvorgang abbrechen.

Masche #2: Der Fake-Shop

Markus wurde Opfer eines Fake-Shops.

Während Markus auf Instagram unterwegs war, ploppte eine Werbung auf: Sportschuhe einer Marke, die im Laden etwa 150 Euro kosten, sollte man hier für um die 70 Euro bekommen. Markus wollte sicher gehen: Er sah sich den Link genauer an und bemerkte, dass die Schuhe aus den USA kommen und es sich um ein Auslaufmodell handelte - darum die 50 Prozent Rabatt. Er bestellte. Dann kam die Zahlungsaufforderung: mit Kreditkarte. Zum Abschluss sollte er noch den Sicherheitscode der Karte – den sogenannten CVC-Code – eingeben. "Nach dem Klick schloss sich das Fenster. Ich wunderte mich, dass ich keine Verifizierungsaufforderung von der Bank auf mein Handy bekam wie sonst üblich, um den Kauf zu bestätigen. Das Fenster im Browser war einfach nur geschlossen worden“, erinnert er sich.  

Der große Schreck ereilte ihn zwei Wochen später: Von Markus‘ Kreditkarte waren etliche Geldbeträge abgebucht worden. "Beim ersten Versuch waren es um die 700, 800 Euro. Zum Glück hatte ich auf meiner Kreditkarte zu wenig Guthaben." Etwa 200 Euro waren noch drauf – 180 wurden schließlich abgebucht. Und es gab noch einige Versuche, kleinere Beträge abzubuchen. Markus ging zur Polizei, erstattete Anzeige. Die Betrüger waren bereits bekannt: Sie saßen in Brasilien und zockten in ganz Europa Menschen ab. Markus verlor 250 Euro, andere wurden um 10.000 Euro betrogen.

Tipps der Verbraucherzentrale

  • Bei Schnäppchenangeboten ein gesundes Misstrauen entwickeln und die Seite ganz genau anschauen. Was ist das für eine Seite? Wo sitzen die? Warum können die dieses Produkt so günstig anbieten?
  • Mögliche Indizien für einen Fakeshop:
  • das Impressum prüfen - wobei auch das von einer seriösen Seite kopiert sein kann.
  • Produkte werden extrem günstig angeboten.
  • Es müssen immer mehrere Zahlungsmöglichkeiten angeboten werden. Doch Vorsicht: Das machen die meisten Fake-Shops auch, aber wenn es dann tatsächlich an die Zahlung geht, kann nur noch mit Vorkasse bezahlt werden. Hier sollte man den Kauf abbrechen.
  • Die Verbraucherzentrale bietet einen Fakeshop-Finder an. Dort kann man die entsprechende Internetadresse eingeben und sich die Ergebnisse anzeigen lassen. Diese sind in drei Farben kategorisiert: Grün steht für "echt / seriös“, Gelb kann schon bedenklich sein, Rot bedeutet "Betrug“.

Masche #3: Love-Scamming

Einem Liebesbetrug saß das dritte Opfer auf. Die Scham darüber ist so groß, dass die Frau anonym bleiben will. Es begann auf einem Dating-Portal: Ein Mann aus Berlin hatte sich bei ihr gemeldet, man hat geschrieben, später über Skype und Signal den Kontakt intensiviert. Es wurden täglich mehrfach liebe Worte ausgetauscht, immer mehr Gemeinsamkeiten entdeckt und schließlich Vertrauen aufgebaut. Die Liebe wurde größer. Sie sagt, sie hatte eine rosarote Brille auf.

Die Faszination war groß – und auch als der Mann plötzlich meinte, er sei in einer Zwickmühle, wurde sie nicht wirklich misstrauisch. Er habe zwei Kinder und die Mutter sei abgehauen, sodass er ein Kindermädchen bräuchte. Nur dafür habe er kein Geld – 200 Euro fehlen. Sie überwies, wenn auch mit leicht komischem Gefühl. Das blieb auch, als die Summen plötzlich höher wurden: Er hätte eine Immobilie gemeinsam mit einem Partner, doch wegen eines Streits mit ihm sei er in eine finanzielle Schieflage geraten. Sie überwies 10.000 Euro, doch das Geld kam wieder zurück. Sie solle das Geld auf ein anderes Konto überweisen mit einem anderen Namen, sagte er. Von dort aus sollte das Geld zu ihm gelangen. Und so ging es weiter: 8.000 Euro für einen Anwalt, nochmal 20.000 Euro für die Kinder und vieles anderes.

Nach so viel Zuwendung, machte der Mann nun endlich ein Treffen aus. Er wollte mit den Kindern zu ihr fliegen – doch kurz davor wurde angeblich der Sohn krank. Kein Treffen und Krankenhauskosten – erneut bräuchte er 10.000 Euro. Doch ihr Konto war leer. Sie war sogar bereit, einen Kredit aufzunehmen. Der Bankangestellte wurde misstrauisch und hakte nach. Er gab schließlich auch einem früheren Freund von ihm einen Tipp - dem Bruder der Frau.

Der besuchte seine Schwester und damit platzte der Knoten. Der Bruder entschied dann, die Polizei zu informieren. Dort musste sie alles offenlegen – die Scham war riesig. Die Polizei konnte den Täter bis heute nicht finden. Der Täter nutzte nicht nur ein Handy ohne Vertrag, sondern als absoluter Profi wechselte er immer wieder Nummern und Namen.

Für die Frau bleibt mehr als "nur" der finanzielle Schaden: Der emotionale Schaden wiegt schwer. Psychologin Kerstin Baake kennt die psychischen Folgen für solche Opfer: Zunächst stehen sie unter Schock, sind völlig verunsichert und können es nicht glauben. Dann kommt die Enttäuschung hinzu, Wut, Trauer. "Auch kann es zu einer Depression kommen und zu Suizidgedanken, weil sich die Opfer so sehr schämen", weiß die Psychologin. Es ist die Scham, es den Freunden zu sagen, die einen dann möglicherweise mit Vorwürfen konfrontieren.

Der Tipp der Psychologin ist klar: Trotz Begeisterung und Verliebtheit - wenn es zu einer "Notsituation" kommt, derjenige Hilfe oder sogar Geld benötigt, sollten alle Alarmglocken schrillen.

Lohnt der Weg zur Polizei?

Alle drei Opfer haben den Online-Betrug bei der Polizei zur Anzeige gebracht. In allen drei Fällen sind die Betroffenen am Ende auf ihrem Schaden sitzengeblieben. Denn die Verfolgung von Straftaten im Internet ist ziemlich schwierig. Meist vergeht sehr viel Zeit von der Tat bis zur Anzeigenerstattung. Zudem wissen die Täter auch, ihre Spuren im Netz zu verwischen. Sie benutzen Anonymisierungsprogramme und sitzen fast alle im Ausland, wo die Ermittlung für die deutschen Behörden schwierig ist.

Polizeioberkommissar Martin Ostwinkel

Lohnt sich dann der Gang zur Polizei überhaupt? „Auf jeden Fall“, sagt Polizeioberkommissar Martin Ostwinkel. Sein dringender Appell: Bei jeder Form von Onlinebetrug Anzeige erstatten. Denn nur wenn ermittelt wird, gibt es überhaupt eine Chance, die Betrüger zu schnappen.


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