Rona Plötzlich ist sie ein Waisenkind
Mit 15 fällt Rona in ein tiefes Loch: Innerhalb kurzer Zeit sind ihre beiden Eltern an Krebs verstorben. Sie ist jetzt ganz allein. Und weiß nicht, wohin. Sie bekommt einen Vormund mit dem sie sich glücklicherweise gut versteht. Rona hat nur noch einen Wunsch: Wärme und Geborgenheit in einer gehörlosen Pflegefamilie zu finden.
Rona war 13 als ihre Eltern krank wurden. Zuerst wurde bei ihrem Vater Krebs diagnostiziert. "Es dauerte nicht lange, bis er starb. Er war noch vier Monate im Krankenhaus und ich konnte ihn nicht sehen", erinnert sie sich. Zur gleichen Zeit bekam dann auch Ronas Mutter ihre Diagnose. "Anfangs wusste ich nicht, was es ist. Sie wollte es mir nicht sagen." Als sie dann eine Chemo bekam, war für Rona klar: Auch ihre Mama war an Krebs erkrankt.
Jugendamt springt ein
Noch am gleichen Abend als ihre Mutter ins Krankenhaus gebracht wurde, klingelten Mitarbeiter des Jugendamts mitsamt Polizei an ihrer Tür. "Ich machte auf und sah nur sprechende Leute und verstand nichts. Sie zeigten mir ihr Handy mit dem Dolmetschdienst Tess. Dann verstand ich, worum es ging und dass das Jugendamt nun tätig werden würde." Mit 14 Jahren dürfte Rona nicht allein in der Wohnung bleiben. So wurden alle Verwandten abtelefoniert und schon am nächsten Tag meldete sich der Onkel. "Ich musste dann Koffer packen, weil ich abgeholt wurde und zu ihm kam."
Vormund sucht nach langfristiger Lösung
In dieser Situation trat dann Simon Breuer vom Jugendamt Essen auf den Plan – als Ronas Vormund. Er suchte nach einer langfristigen Lösung für sie. "Dann gab’s erst die Idee einer Wohngruppe hier in Essen, eine Wohngruppe eben auch für gehörlose Kinder und Jugendliche. Die hat Rona sich angeschaut und hatte aber direkt klar gesagt, dass sie hier auf keinen Fall einziehen möchte", erinnert sich der Vormund.
Rona wünscht sich gehörlose Pflegefamilie
Für sie war immer klar, in eine Pflegefamilie zu ziehen. "Ich wusste nicht, ob es vielleicht eine gehörlose Familie gibt. Ich dachte, egal wo, ob am anderen Ende der Welt, Hauptsache in eine Familie kommen, wo Nähe und Wärme ist", so Rona. Auch Ronas Schule unterstützte das Mädchen in ihrem Wunsch. "Für mich war wichtig, dass Rona zu gehörlosen Pflegeeltern kommt, damit sie sich mit ihnen identifizieren kann. Rona hatte gerade ihre Eltern verloren, so sollte sie die Möglichkeit haben, sich jederzeit über ihre Gefühle direkt mit ihren Eltern in Gebärdensprache austauschen zu können. Mit hörenden Eltern wäre das schwieriger und mit mehr Barrieren verbunden. Das sollte nicht sein. Für die Entwicklung oder für diesen Prozess ist eine barrierefreie Kommunikation entscheidend", lautete die Argumentation von Ronas Lehrerin Nicole Klinner.
Jugendamt vor neuer Situation
Für das Jugendamt war das eine völlig neue Situation. Doch das Amt ließ sich überzeugen – und machte sich auf die Suche nach einer Pflegefamilie. "Da habe ich festgestellt, dass die Gehörlosenwelt ja eine sehr vernetzte und enge Community ist", stellte Vormund Breuer fest. Unterstützt von Ronas Schule wurde dann auch eine Pflegefamilie gefunden, doch der Prozess, bis das Mädchen dort hinkonnte, zog sich.
Schwere Monate
Die ersten Monate nach dem Tod ihrer Eltern waren für Rona sehr schwer. "Ich bin in verschiedene Wohnung umgezogen - alle zwei, drei Monate war dann wieder ein Wechsel. Ich war bei vielen Freundinnen von meiner Mutter untergebracht", erinnert sie sich. Das hat mal besser, mal weniger gepasst. Zwischendurch war sie auch im Internat. "Ich konnte nicht so sein, wie ich die ganze Zeit vorher war und wie ich mich auch wohlfühlte. Da war keine Kontinuität. Es war alles sehr durcheinander."
Zudem musste Rona viel zu früh erwachsen und selbständig sein. Das begann bereits, als der Vater verstorben und die Mutter krank war. "Ich fühlte mich wie 30, also wie erwachsen." Später waren schwere Entscheidungen rund um die Beisetzung der Eltern zu treffen, sie musste auch die Wohnung auflösen, räumte und sortierte dort gemeinsam mit ihrem Vormund. Dazu kam die Trauer, die sie gerade in ruhigen Momenten überfiel.
Einzug bei der Pflegefamilie
Doch dann kam endlich der Tag, als Rona zu ihrer Pflegefamilie konnte. Sie hatte sich sofort für sie entschieden – und zog umgehend dort ein. "In einer Familie ist man ja auch sehr nah und hat eine enge Beziehung. Aber ich kannte beide noch nicht gut. Sie sind ja meine Eltern, aber wie nah ist man dann? Das war schwer für mich und man musste erst einmal zueinander finden", sagt sie heute. Es gab Missverständnisse und viele Fragen. "Wir müssen da viel üben und es dauert lange, bis man sich gut kennt und vertrauter ist." Und schließlich ist Rona auch kein kleines Kind mehr.
Neue Erfahrung auch für die Pflegeeltern
Auch die Pflegeeltern Medina und Alexander brauchten etwas Zeit. "Es war eben nicht einfach, weil Ronas Eltern sie anders erzogen haben. Aber wie, davon wussten wir natürlich nichts. Wir sind nicht so, wie ihre Eltern es waren. Wir sind anders", betonen sie. Und auch die beiden mussten von der Paarebene auf die Elternebene switchen. "Wir haben uns gegenseitig in der Rolle als Vater und Mutter neu kennengelernt und wahrgenommen. Da mussten wir uns gemeinsam erst einmal einspielen", sagt Medina.
Auf dem Weg
Mittlerweile ist Rona unter der Woche im Internat. Für drei Jahre hat sie jetzt ein eigenes neues Zuhause. Sie ist auf dem Weg zum Abitur, hat Freundinnen gefunden, guten Kontakt zur Pflegefamilie und ihrem Vormund. "Ich möchte meinen Eltern sagen, dass ich sie stolz machen möchte und dass ich Erfolg haben werde. Das möchte ich ihnen zeigen. Sie sollen von oben auf mich herunterschauen und sehen, dass es mir gut geht. Das möchte ich." Und das hat Rona schon jetzt erfüllt.