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Prähistorische Pfahlbauten Das erste Weltkulturerbe unter Wasser

Im Jahr 2011 erhob die UNESCO insgesamt 111 Pfahlbaufundstellen zum Weltkulturerbe. Sechs Länder rund um die Alpen teilen sich den Titel des „grenzüberschreitenden Welterbes“. Bestens konserviert unter Wasser, zeugen die Überreste von einer Vergangenheit, die bis ins 4. Jahrtausend v. Chr. zurückreicht. Drei der prähistorischen Fundstellen befinden sich in Bayern: Pestenacker und Unfriedshausen bei Landsberg am Lech sowie die Roseninsel im Starnberger See.

Stand: 11.11.2015 | Archiv

Die Roseninsel | Bild: Ulrich Schlitzer

Die prähistorischen Funde in Bayern datieren aus einerZeit, als sich die „Pfahlbauidee“ in Europa bereits seit mehr als 2000 Jahren etabliert hatte.Unterwasserarchäologen fanden heraus, dass zwischen 3728 und 3719 v. Chr.  vor Kempfenhausen am Starnberger See die wohl älteste belegbare Siedlung Bayerns entstanden ist. Funde bei Pestenacker und Unfriedshausen im Loosbachtal bei Landsberg am Lech sind nur wenig jünger und stammen ebenfalls aus der Zeit der sogenannten Altheimer Kultur. Im Vergleich dazu, besonders aber im Hinblick auf die bekannteren Pfahlbauten am Bodensee, sind die Überreste auf der Roseninsel im Starnberger See relativ jung. Dort stieß man unter anderem auf ca. 2500 Jahre alte Fundamente von Pfahlbauten aus der Keltenzeit.

Das sagt die UNESCO

„Zu den bedeutendsten Funden aus Pfahlbaustationen gehören die ältesten Textilien sowie die ältesten Radfunde Europas aus der Zeit um 3000 vor Christus. Einbäume, Räder und Wagen vermitteln wichtige Erkenntnisse zu Handel und Mobilität in Siedelgemeinschaften der Jungsteinzeit wie der Metallzeiten. Die jungneolithischen, bronze- und eisenzeitlichen Pfahlbaufundstellen rund um die Alpen gewähren einzigartige Einblicke in die Welt der frühen Bauern, deren Alltagsleben, Landwirtschaft, Viehzucht und technische Innovationen.“(

Einmaliges Archiv der Menschheit

Pfahlbauten vor der Nordostspitze der Roseninsel

In der Zeit, in der in Ägypten die Pyramiden entstanden, wurde auch in Bayern fleißig gebaut. Zum Schutz vor Feinden oder wilden Tieren errichteten unsere Vorfahren Hütten auf Pfahlkonstruktionen an oder zum Teil sogar im Wasser. Forscher der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie stoßen besonders um die Roseninsel im Starnberger See immer wieder auf Überreste aus prähistorischer Zeit. Das feuchte Milieu bietet laut UNESCO „ideale Erhaltungsbedingungen für organische Materialien wie Holz, Textilien und Pflanzenreste“. Aber auch Baumstämme, Tonscherben oder Knochenreste werden wegen des Mangels an Sauerstoff unter Wasser viel langsamer zersetzt als zu Land. Deshalb sind vor allem die Flachwasser- und Sumpfgebiete wahre Fundgruben für Unterwasserarchäologen.

Das älteste Wasserfahrzeug Bayerns

1986 entdeckten Taucher in knapp einem Meter Tiefe vor der Roseninsel einen Einbaum von 13,50 m Länge. Damit zählt er zu den größten seiner Art in Europa. Einbäume wurden seit der Steinzeit beim Fischfang, beim Lastentransport oder als Fährboote eingesetzt. Die meisten Einbäume, wie auch der von der Roseninsel, wurden aus widerstandsfähigem und langlebigem Eichenholz gebaut. Bisher gibt es bayernweit etwa 130 Fundstellen, an denen man Reste von Einbäumen entdeckt hat. Und es schlummern sicher noch weit mehr unentdeckt in bayerischen Gewässern. Der Einbaum vom Starnberger See wurde 1989 unter großem Aufwand mit einem Kran geborgen. Nachdem man ihn mittels Dendrochronologie (Baumringanalyse) auf das Jahr 900 v. Chr. datiert hatte, wurde er zur Konservierung nach Baldham, ins Außendepot der Archäologischen Staatssammlung, gebracht. Dort liegt er bis heute und wartet darauf, dass sich eine Örtlichkeit findet, die in der Lage ist, das gewaltige Relikt auszustellen.

Der älteste Hut Bayerns

Nachbildung eines Spitzhutes

Als man 1934 im Rahmen der Begradigung des Loosbachs bei Pestenacker in den feuchten Niederungen auf erste prähistorische Holzfunde stieß, passierte erst einmal nicht viel. Erst ein halbes Jahrhundert später und dann konsequent zwischen 2000 und 2004 fanden Forschungen und Grabungen durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege statt. Dabei ließen sich vier altheimzeitliche Besiedlungsphasen im 4. Jt. v. Chr. nachweisen. Der ca. 34 x 40m kleine Siedlungsplatz war dabei innen von einem rundum verlaufenden Weg und außen von einem Flechtwerkzaun umgeben. Pfostenbauten, die als kleine zweigeteilte Häuser konzipiert wurden, konnten genauso rekonstruiert werden, wie das bislang älteste textile Kleidungsstück Bayerns: Ein aus Leinen, Leder und Eichenbaststreifen zusammengeschusterter Spitzhut.

Das unbekannte Welterbe

Ausgrabungen Unfriedshausen (Luftbild)

Einen halben Kilometer südlich von Pestenacker liegt Unfriedshausen. Dort stieß man 1986 beim Bau einer NATO-Pipeline ebenfalls auf prähistorische Funde. Obwohl das Bodendenkmal durch den Pipelinebau als zerstört gilt, begann man 1994 mit dessen Freilegung, die im Jahr 2000 abgeschlossen wurde. Dabei fand man heraus, dass es sich um zwei, über einen Damm miteinander verbundene, Siedlungen handelte. Die erste ausgegrabene Siedlung wird als Unfriedshausen-West bezeichnet, wohingegen die andere, Unfriedshausen-Ost, dauerhaft im Grundwasser konserviert als Forschungsreserve im Boden liegt.

Leben mit dem Welterbe

Taucher bei den Pfahlbauten

Das Beispiel von Unfriedshausen verdeutlicht die Problematik um das Weltkulturerbe der prähistorischen Pfahlbauten in Bayern. Da der Großteil des Welterbes unter Wasser liegt und damit dem Besucher weitestgehend verschlossen bleibt, unterliegen besonders die prähistorischen Überreste im Starnberger See einer permanenten Bedrohung. Ankerwurf und Wellenschlag durch die vielen Sportboote gefährden die auf dem Grund schlummernden Schätze in den Flachwasserzonen. Doch wer nichts von dem Weltkulturerbe weiß, kann es auch nicht schützen. Und so könnte vielleicht der Titel der UNESCO dabei helfen, Aufmerksamkeit auf einen Teil unseres Erbes zu lenken, der noch vieles an Forschungspotenzial enthält und uns gewiss noch viel Neues über Ötzis Zeitgenossen zu Tage fördern wird. Anfänge mit den Museen in Pestenacker und auf der Roseninsel sind bereits gemacht.


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