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Digitale Optimierung Flurbereinigung per Computer

Kleine, verstreute Felder eintauschen gegen ein großes, kompaktes Feld, das womöglich noch in der Nähe liegt? Davon dürfte so macher Landwirt träumen - und es ist sogar einfacher als gedacht, dank eines genialen Computerprogramms.

Von: Norbert Haberger

Stand: 25.10.2013 | Archiv

Vier Kilometer hierhin, fünf Kilometer dahin: So ging das bis vor einigen Jahren, wenn Michael Türk mit dem Traktor auf seine Felder wollte. Er verbrauchte jede Menge Diesel, denn seine handtuchgroßen Äcker lagen überall verstreut. Doch dann tauschte er seine fünf kleinen Flecken ein:

"Ich habe dafür diese Fläche hier gekriegt, die jetzt vielleicht noch 500 Meter von meiner Hofstelle weg ist, die ich von zuhause aus einsehen kann. Wenn der Junior pflügt, kann man ihn gleich überwachen."

Michael Türk, Landwirt aus Oberstreu im Landkreis Rhön-Grabfeld

Tauschprogramm für Landwirte

Andreas Brieden

Möglich gemacht hat die Tauschaktion ein spezielles Computerprogramm. Auf der eingespeicherten Gemeindekarte kann jeder Landwirt unverbindlich testen, welcher Tausch zu welchen Ergebnissen führt. Der Computer berechnet für jeden Bauern sofort die Vor- und Nachteile im Hinblick auf Fläche und Bodenqualität. Entwickelt wurde das Programm von den Münchner Mathematik-Professoren Peter Gritzmann von der TU und Andreas Brieden von der Universität der Bundeswehr. Es basiert auf höchst komplexen mathematischen Formeln. Um zum Beispiel bei 13 Bauern mit 861 Feldern alle Tauschmöglichkeiten zu berechnen, wird es unendlich kompliziert:

"Wenn Sie ein Flurstück zuordnen, haben Sie 13 Möglichkeiten, bei zweien haben sie 13 mal 13 und bei 861 13 hoch 861. Und das ist eine Zahl, die weit, weit größer ist, als die Anzahl der Atome des bekannten Universums, die ist ungefähr zehn hoch 78."

Prof. Dr. Peter Gritzmann, TU München

Monopoly auf dem Acker

Peter Gritzmann

Eine solche Rechenaufgabe zwingt jeden Computer in die Knie. Das Programm berechnet daher einen Idealvorschlag. Meistens wollen die Landwirte jedoch selber kreativ werden. Auch das ist möglich: An der Landwirtschaftschule Schweinfurt kann man das Programm spielerisch erproben. In einer fiktiven Ortschaft mit sieben Landwirten und etwa 800 Feldern darf frei getauscht werden.

Vorher - nachher: die optimale Lösung

Wie im realen Dorf gibt es auch hier Flächen, die von den Besitzern nicht freigegeben wurden, dann müssen alternative Flächen gefunden werden. Wichtigstes Ziel: Alle müssen zufrieden sein, kein Bauer sollte mehr als ein Prozent Gewinn oder Verlust gemacht haben. Auch wenn in Schweinfurt lediglich an fiktiven Ideallösungen gearbeitet wird: Die Einsparungen sind durchaus real und liegen bei knapp 30.000 Euro pro Jahr und Dorf.

"Es erleichtert vieles ... Man hat nicht so viele Stücke, muss nicht überall im ganzen Flur rumfahren und hat natürlich viel weniger Arbeit mit den Feldrändern, die viel mehr aufhalten. Wenn ich das Pflügen rechne, sind das schon einige Stunden im Jahr, ich weiß nicht ob's eine halbe Stunde pro Hektar ist, die mir einfach erspart bleibt."

Ludwig Geis, Landwirt aus Oberstreu

Keiner kommt zu kurz

Michael Türk und Ludwig Geis

Die Landwirte in Oberstreu sind zufrieden, und auch die Umweltschützer haben nichts einzuwenden. Denn es werden nur Felder zusammengelegt, die lediglich durch eine Furche getrennt sind. Feldwege, Hecken und Bäume bleiben erhalten, das Landschaftsbild verändert sich kaum. Im Gegensatz zur klassischen Flurbereinigung sind die Grundstückswechsel vorläufig auf zehn Jahre festgelegt, sie werden nicht im Grundbuch eingetragen. Das vermindert die Kosten. Wenn die Verträge nach zehn Jahren abgelaufen sind, wollen die Oberstreuer erneut tauschen. Und dann möchten auch Landwirte mitmachen, die beim ersten Mal noch nicht dabei sein wollten.

"Ich kann mich gut erinnern. Ich war einer der ersten, die damals vorne an der Leinwand gestanden sind. Da habe ich gesagt, das und das und das, die Fläche gebe ich ab. Ich hab ja fast alles eingelegt. Und dann haben wir gesagt, was ist denn vergleichbar, wie viel braucht man. Dann hab ich gesagt, probieren wir doch mal das. Das ist sehr nahe am Ort, das käme mir sehr gelegen. Dann hat man es probiert, dann hat das sehr gut hingehauen. Und dann haben die anderen schon gesehen, Hoppla, der hat fünf Stücke eingebracht und hat nur eins gekriegt. Optimal eigentlich."

Michael Türk

Nachklapp

Seitdem der Tausch in Oberstreu stattgefunden hat, wurden die neuen Ergebnisse in verschiedenen mathematischen Fachzeitschriften publiziert. Das Computerprogramm ist inzwischen sehr komfortabel und zum allgemeinen Einsatz bereit. Im Juli 2013 wurden die beiden Mathematiker in Rom für Ihre Arbeiten mit dem "Euro Excellence in Practice Award" ausgezeichnet. Der Preis ging erstmals nach Deutschland.

Kontaktdaten:

Prof. Dr. Andreas Brieden
Fakultät für Wirtschafts- & Organisationswissenschaften
Universität der Bundeswehr München
Werner-Heisenberg-Weg 39, 85579 Neubiberg
Telefon: 089 6004-4247
Mail: andreas.brieden@unibw.de

Prof. Dr. Peter Gritzmann
Zentrum Mathematik, Technische Universität München
Boltzmannstr. 3, 85747 Garching bei München
Telefon: 089 289-16856
Mail: gritzmann@tum.de


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