CSU-Chef im ARD-Interview Seehofers "Jein" zur Obergrenze
Im CSU-Bayernplan heißt es: Eine Obergrenze für Flüchtlinge ist unabdingbar. Parteichef Seehofer lässt nun erkennen, dass er das nicht so streng sieht. Seehofer verwies im ARD-Sommerinterview auf die gesunkene Zuwanderung – das müsse man jetzt sichern.
Horst Seehofer vermied ein klares Ja oder ein klares Nein zu der von ihm einst formulierten Bedingung, dass in einem Koalitionsvertrag das Wort "Obergrenze" vorkommen muss. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef sagte im ARD-Sommerinterview, er sei inzwischen zufrieden mit der Zuwanderungspolitik der Bundesregierung:
"Wir haben jetzt deutlich weniger Zuwanderung als zu dem Zeitpunkt, wo ich dieses Zitat gebraucht habe. Wir haben im ersten Halbjahr 2017 unter 100.000 Zuwanderer. Ein Jahr vorher hatten wir über 500.000."
Horst Seehofer, CSU-Parteichef
Zunächst gab es Verwirrung um die Interviewäußerungen. Denn sie ließen darauf schließen, dass Seehofer von seiner Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge abrückt. Dies dementierte der CSU-Chef aber später ausdrücklich.
Das Erreichte sichern
Seehofer betonte, man liege jetzt ohnehin unter der von der CSU in ihrem Bayernplan geforderten Obergrenze von 200.000 Geflüchteten. Und er lege Wert darauf, dass das so bleibt.
Nach dem Interview schob Seehofer dann noch einmal nach: Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen sagte er, dabei müsse vor allem der Inhalt stimmen: "Wenn anstelle der 'Obergrenze' 'Kontingent' steht, das ist nicht mein Problem."
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gegen eine Obergrenze. Die Grünen sagen: Mit uns in einer Regierungskoalition wird es keine Obergrenze geben.
Flüchtlinge aus Afrika
Damit weniger Flüchtlinge nach Europa kommen, planen die europäischen Mitgliedsstaaten eine stärkere Zusammenarbeit mit dem politisch instabilen Libyen. Das ist umstritten, Seehofer sagte, man müsse dafür sorgen, dass die Flüchtlinge dort menschenwürdig, human behandelt werden. Und, ganz grundsätzlich:
"Wir wollen, dass wir nach dem Vorbild des Türkei-Abkommens dafür sorgen, dass Menschen in ihrer Heimat bleiben künftig und nicht nach Europa kommen. Und sie bleiben nur in ihrer Heimat, wenn wir ihren Herkunftsländern helfen mit Arbeitsplätzen, mit der Medizinversorgung, mit der Ausbildung."
Horst Seehofer
Das sei besser, als junge Leute von dort nach Europa zu locken und damit das Elend in ihren Herkunftsländern noch zu vergrößern.
"Wir können totale Sicherheit nicht versprechen"
Neben der Flüchtlingspolitik äußerte sich Seehofer auch zu einer Reihe anderer Themen. Bei der Sicherheitspolitik sagte er, wenn es um den Schutz der Bürger geht, sei er für einen harten, für einen starken Staat. Mit Blick auf islamistische Anschläge müsse der Austausch von Daten über Gefährder europaweit besser werden. Niemand könne die „totale Sicherheit“ versprechen – aber man müsse alles Menschenmögliche tun.
Kritik an Erdogan
Auch der Fall des Autors Dogan Akhanli, der auf türkisches Betreiben in Spanien vorübergehend festgenommen worden war, kam im ARD-Sommerinterview zur Sprache. Seehofer kommentierte den Fall mit deutlicher Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
"Das, was sich Erdogan auch in diesem Fall wieder geleistet hat, ist eine Frechheit."
Horst Seehofer
Die Türkei-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Seehofer als klug. Er sei der Ansicht, dass Deutschland an vernünftigen Beziehungen zur Türkei interessiert ist, aber eine Vollmitgliedschaft in der EU ausschließe.
Aus für den Verbrennungsmotor?
Ein wichtiges innenpolitisches Thema des Interviews war die Zukunft der Auto-Industrie. Dass sich Bundeskanzlerin Merkel grundsätzlich einen Ausstieg für Autos mit Verbrennungsmotoren vorstellen kann, kommentierte Seehofer mit den Worten: „Im Prinzip ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden“. Aber er wolle keine Hetzjagd, man brauche die Autoindustrie für die Sicherheit der Arbeitsplätze und am Ende sollten die Kunden entscheiden, „ob sie ein Hybrid-Auto, einen Euro-6-Diesel oder eine Elektroauto kaufen“.
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Reinhold , Montag, 21.August 2017, 03:20 Uhr
23. Am wichtigsten...
Am erster Stelle der Priorität der Politiker steht die eigene Pfründsicherung. Genau das offenbart jetzt die Haltung Seehofers. Die Wichtigkeit der politischen Themen sowie Bedürfnisse und Meinung der Bürger sind da sehr weit hinten angesiedelt.
Josef Rödl, Montag, 21.August 2017, 01:23 Uhr
22. Untergrenze
Horst Seehofer und die CSU sind mit ihrer Flüchtlingspolitik die UNTERGRENZE für eine Wahlentscheidung. Darunter liegen nur noch NPD und AfD. Aber genau das wollte doch auch Franz Josef Strauß mit seiner Parole "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben".
Es ist schon interessant, wie lange sich solche Parolen politisch erfolgreich halten. Wegen des diesbezüglich alles überragenden Flüchtlingsthemas geht dabei völlig unter, wie undemokratisch sich gerade die CSU in vielen anderen Politikfeldern verhält.
Beispiele: BayernLB (Hypo Alpe Adria), Verwandtenaffäre, "Gust Mollath", Eier- und sonstige Lebensmittelskandale, Automobilhörigkeit (kein Tempolimit, Dieselskandal etc.) , Völlig verfehlte Schulpolitik (G8/G9-Geeiere).
Die sog. "Jeins" der CSU sind daher reine Stammtischpolitik und haben mit Weitsicht und vor allem "christlicher" Politik soviel wie gar nichts zu tun.
Dies gilt nicht nur für die Partei sondern noch viel mehr für ihre Wähler.
Josef Rödl, Montag, 21.August 2017, 00:58 Uhr
21. "Hochwasserpolitik"
Horst Seehofer macht in der Flüchtlingspolitik reine populistische "Hochwasserpolitik". Wenn der Pegel steigt, werden "Obergrenzen" und "Dämme" gefordert. Wenn er wieder sinkt, dann kann man das alles viel gelassener sehen.
Früher hat man zu solchen Menschen "Hanskasperl" gesagt, weil der Hanskasperl genau so gescheit war wie z.B. Horst Seehofer und immer alles genau wusste, wenn es auch alle anderen Menschen schon wussten.
Wanda, Montag, 21.August 2017, 00:21 Uhr
20. beispielhaft
Umfall-Horst wie er leibt und lebt - das Paradebeispiel eines Politikers...
Oliver M., Montag, 21.August 2017, 00:09 Uhr
19.
Kann mir einer der Gegner der Obergrenze erläutern, wie das funktionieren soll, wenn wir mehr Menschen in unser Land lassen, als unser Arbeits- und Wohnungsmarkt aufnehmen können? Noch dazu in einem vom Kapitalismus geprägten Land, indem eher möglichst viel Arbeit mit möglichst wenig Personal erledigt werden soll. In einem teuren Land, indem jetzt schon einige Zehntausend am Existenzminimum knabbern? Ohne eine (dynamische) Obergrenze geht es nicht!
Ja, Deutschland ist wirtschaftlich stabil und wohlhabend. Aber das ist ein fragiles Konstrukt basierend auf dem Funktionieren von Gleichgewichten. Stören wir diese Gleichgewichte, kollabiert auch ein Land wie Deutschland recht schnell!
Wer glaubt, dass Deutschland unbegrenzt aufnahmefähig ist, der ist fahrlässig naiv und durchblickt ein paar grundlegende Zusammenhänge nicht!
Antwort von Truderinger, Montag, 21.August, 10:46 Uhr
@Oliver M: Versuchen wir es einmal so: Es gibt vermutlich niemanden, der glaubt, Deutschland sei unbegrenzt aufnahmefähig, auch wenn das leider oftmals vorschnell unterstellt wird. Die Frage ist nur, wie man den Zuzug minimieren kann und dazu gibt es eben unterschiedliche Ansätze. Einer davon führt, wie von der CSU gefordert, über eine Änderung des Grundgesetzes, wozu eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig ist. Ein weiterer setzt an den Fluchtursachen an und ich fürchte, wenn wir das nicht in Angriff nehmen, können wir uns hier einmauern, wie wir wollen. Wer an Hunger leidet, nimmt weiterhin jedes Risiko auf sich um zu fliehen. Ein dritter führt, wie bereits teilweise geschehen, an der Einschränkung der Fluchtmöglichkeiten an. Den ersten Ansatz halte ich persönlich für wirkungslos, den zweiten für nur sehr langfristig implementierbar (wenn überhaupt) und den dritten für den aus meiner Sicht derzeit besten. Einen Königsweg gibt es jedoch vermutlich nicht