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Der Wettlauf um Platz 3 Endspurt vor der Bundestagswahl

Bei der Bundestagswahl 1972 haben 91,2 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben. Das war Spitze. Seitdem ist die Wahlbeteiligung deutlich zurückgegangen. Dagegen ist der Frust vieler Bürgerinnen und Bürger gewachsen: Nun umwerben Grüne, Linke, FDP und AfD Nichtwähler und Unentschlossene, um Oppositionsführer im neuen Bundestag zu werden

Von: Andrea Herrmann, Nina Landhofer

Stand: 19.09.2017 | Archiv

Bundestagswahl 2017: Wahlplakate von Linke, Grüne, FDP und AfD | Bild: picture-alliance/dpa

Der Wettlauf um Platz drei im Bundestag ist auf der Zielgeraden. Verbunden damit ist nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern die Hoffnungen auf die Besetzung von Schlüsselpositionen in Ausschüssen, mehr Redezeit bei Bundestagsdebatten und mediale Aufmerksamkeit. Der Oppositionsführer etwa antwortet bei Regierungserklärungen direkt auf die Kanzlerin.

Einfach ist dieser Endspurt vor der Bundestagswahl nicht, analysiert Grünen-Mitglied Mark:

"Im Moment habe ich das Gefühl, dass gerade der Wind ins Gesicht bläst und es irrsinnig schwer ist, sich von den anderen Parteien abzusetzen. Es gibt viele Punkte, die über alle Parteien mittlerweile so vertreten sind. Ich find's im Moment ein bisschen schwer als Oppositions-, als Underdog-Partei nach vorne zu kommen."

Mark, Die Grünen

Doch dieses Mal geht es den Parteien auch darum, die AfD als drittstärkste Kraft im Bundestag zu verhindern, das hat auch Christian Lindner, FDP, auf dem Münchner Marienplatz betont.

"Glauben Sie doch nicht, wenn die AfD die Opposition anführt, dass die ein Interesse an Sachfragen haben. Dass die sich mit Zahlen und Gesetzen beschäftigen würden. Ich habe die im NRW-Landtag erlebt jetzt. Die geben gern ein paar völkische Parolen von sich, um zu provozieren und dann gehen die ans Buffet."

Christian Lindner in München

AfD-Veranstaltung mit Jörg Meuthen

Die Chancen, dass die AfD drittstärkste Kraft werden könnte, stehen nicht schlecht. Darum versuchen die Parteien, in der Woche vor der Wahl vor allem Unentschlossene und Nichtwähler zu mobilisieren. Der sinkenden Wahlbeteiligung wollen auch einige Initiativen etwas entgegensetzen. Es sind vor allem junge Leute, die sich zusammenschließen und mit Informationen und Leidenschaft das Gespräch mit den Nichtwählern oder Frustrierten suchen.

Das Team von Wahlmobil mit dem Bus in Arzberg

So zum Beispiel die Studenteninitiative "Wahlmobil e.V.": Die jungen Leute fahren mit dem Bus durch Deutschland und machen Halt in Kleinstädten und Dörfern, überall dort, wo die Wahlbeteiligung gering ist. Ihr Ziel ist es, Menschen zu ermutigen, zur Wahl zu gehen und aktiv zu werden. Ihr Motto ist das von Willy Brandt: Mehr Demokratie wagen! Den Leuten klar zu machen, dass Demokratie mehr ist als ein Kreuz auf einem Wahlzettel, das sei nicht leicht, sagt Timo von "Wahlmobil". Die Reaktionen seien ganz unterschiedlich - von Aufgeschlossenheit und interessanten Diskussion bis hin zu totaler Ablehnung erleben die Studierenden alles.

"Wahlmobil e.V." setzt auf übersichtliche Informationen. Auf vier Plakaten haben die Studenten die zentralen Aussagen der Parteien zu unterschiedlichen Themen, wie Verkehr, EU oder Rente zusammengefasst. Damit wolle man den Leuten die Wahlentscheidung leichter machen, sagt Leonie:

"Es ist wie ein kleiner Mini-Wahlomat. Man ist ja nie ganz mit einer Partei d'accord. Aber so kann man sehen: Wo habe ich am meisten Übereinstimmungen, welches Thema ist mir am wichtigsten?"

Leonie von der Studenteninitiative 'Wahlmobil'

"Wahlmobil" gehe es nicht allein um die Politik in München und Berlin oder die Stimmabgabe, betont Sophia Bader. Der Verein wolle Menschen mobilisieren, damit sie sich dort einbringen, wo sie leben.

"'Wahlmobil' geht es nicht allein um die Politik in München und Berlin oder um die Stimmabgabe. Der Verein will Menschen mobilisieren, damit sie sich dort einbringen, wo sie leben: In einen Verein gehen, in einer Musikkapelle mitspielen oder in der Bücherei aushelfen, ein Dorffest auf die Beine stellen. Wir haben unsere kleinen Flyer, die wir Leuten mitgeben. Darauf steht, wie sie sich engagieren können. Man kann auch eine Petition starten oder ein Bürgerbegehren, man kann Politikerinnen und Politikern Briefe schreiben oder einfach mal anrufen und nachfragen, wie sie zu einer Sache stehen."

Studentin Sophia Bader von der Initiative 'Wahlmobil'

BR-Reporterin Andrea Herrmann mit Mitarbeitern des Wahlmobils auf dem Marktplatz in Cham

Der 21-jährige Dominik Ramsauer hält drastische Mittel für angebracht: Wählen sei nicht nur ein Recht, sondern auch eine Verantwortung, der man sich stellen müsse. Daher sei eine Wahlpflicht, verbunden mit einem Strafgeld für Nichtwähler, gar keine so schlechte Idee.

"Wenn die Leute sagen: Jetzt muss ich wählen gehen, dann schaue ich mir auch an, was ich denn wähle. Und dann kommt vielleicht auch ein ganz anderes Ergebnis raus. Ist ja auch gut so. Denn dafür ist ja Demokratie da, dass möglichst alle wählen gehen."

Dominik Ramsauer

Dossier Politik, 20.09.2017, 21:05 Uhr, Bayern 2

"Der Wettlauf um Platz 3 – Endspurt vor der Bundestagswahl"

Achim Wendler

Studiogast: Achim Wendler, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios des BR

Die Linkspartei im Wahlkampf (Birgit Schmeitzner / Christine Auerbach)
Die AfD im Wahlkampf (Birgit Schmeitzner / Christine Auerbach)
„Nicht wählen ist auch keine Lösung“ – Wie junge Leute die Demokratie verstehen (Andrea Herrmann)
Gespräch mit Sophia Bader („Wahlmobil e. V.“)
Die Grünen im Wahlkampf (Birgit Schmeitzner / Christine Auerbach)
Die FDP im Wahlkampf (Birgit Schmeitzner / Christine Auerbach)


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