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Ohne Pass keine Wahl Ausländerwahlrecht in Deutschland

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" – so steht es im Grundgesetz. Doch wer keinen deutschen Pass hat, gehört nicht dazu. Deshalb dürfen bei der Bundestagswahl acht Millionen Menschen nicht wählen. Obwohl sie hier leben, arbeiten und Steuern zahlen.

Von: Karen Bauer

Stand: 11.09.2017 | Archiv

Eine hand steckt einen schwarz-rot-goldenen Stimmzettel in eine Wahlurne | Bild: pa/dpa/Ulrich Baumgarten

Neven Klepo ist in Bosnien geboren. Seit 25 Jahren lebt er in Deutschland. Trotzdem darf er am 24. September nicht wählen: Weil er keinen deutschen Pass hat. Denn den Bundestag wählen nur deutsche Staatsbürger. Mehr als acht Millionen Menschen sind deshalb von der Wahl ausgeschlossen. Klepo zahlt zwar Steuern, darf aber nicht mitbestimmen, was mit den Steuergeldern geschieht.

"Ich bin halt politisch auch sehr, sehr interessiert und es könnte auch meine eigene Zukunft beeinflussen, sodass ich da auch sehr gespannt bin auf die Ergebnisse. Das  ist ein komisches Gefühl, weil man ganz genau weiß, dass bald sehr viele Menschen wählen dürfen, und ich lebe hier und stehe an der Seite und kann eigentlich wenig machen."

Neven Klepo, deutscher Arbeitnehmer mit bosnischem Pass

Voll integriert

Mit sechs Jahren kam Neven Klepo mit seiner Familie aus Bosnien nach Deutschland. In der Nähe von Köln ist er aufgewachsen, ging dort zur Schule, er lernte nicht nur Deutsch sondern auch Kölsch. Später zog die Familie nach München um. Sein Lieblingsverein ist der FC Bayern – beim Interview trägt er ein Poloshirt mit dem Vereinswappen. Klepo ist längst in Deutschland angekommen und integriert: Er hat Politikwissenschaft studiert und macht derzeit an der Universität in Jena seinen Doktor. Seit vielen Jahren engagiert er sich ehrenamtlich, vermittelt junge unbegleitete Flüchtlinge in Ausbildung und berät Asylbewerber. Er hätte das Wahlrecht verdient, findet er:

"Gerade weil ich auch in einer gemeinnützigen Organisation mein ganzes Leben lang  gearbeitet habe und sehr viel für diesen Staat gearbeitet habe, glaube ich, wäre es gerecht, dass ich wählen darf."

Neven Klepo

Nur Deutsche gehören zum Volk

Aber bisher darf er eben nicht wählen – weder seinen Bundestagsabgeordneten, noch bei Landtagswahlen, nicht einmal seinen Bürgermeister. Grund dafür ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1990. Darin heißt es:

"Das Staatsvolk wird nach dem Grundgesetz von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen gebildet. Damit wird für das Wahlrecht die Eigenschaft als Deutscher vorausgesetzt."

Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Ein Grundsatzurteil: Es gehört also nur zum Volk, wer einen deutschen Pass hat. Dabei steht das so gar nicht im Grundgesetz – Das sagt zumindest der Staatsrechtler Hans Mayer im ARD-Politik-Magazin Monitor:

"In dem entscheidenden Artikel 20, wo dem etwas zu den Wahlen für das Parlament, das Bundesparlament geregelt ist, steht nur 'Volk'. 'Das Volk wählt'‘. Und nicht: 'Das deutsche Volk wählt'. In dem Moment, wo man das als deutsches Volk interpretiert, reduziert man die möglichen Wahlberechtigten auf die Staatsangehörigen."

Hans Mayer, Staatsrechtler und ehemalige Präsident der Berliner Humboldt-Universität

Ausländer zweiter Klasse?

Man könnte das Grundgesetz also auch anders auslegen. EU-Bürger aus Frankreich, Italien oder Bulgarien dürfen in Deutschland immerhin kommunal wählen. Sind Menschen aus Nicht-EU-Staaten, sogenannten Drittstaaten, wie Neven Klepo, Ausländer zweiter Klasse?

"Dass in allen EU-Ländern alle EU-Bürger sich an Kommunalwahlen beteiligen dürfen, das ist - denke ich - angesichts der besonderen Bedeutung des gemeinsamen Europas richtig, aber jedem Ausländer von außerhalb Europas mitwählen zu lassen, hielte ich für verfehlt. Das ist ja keine Wahl dritter Klasse wenn man den Stadtrat von München wählt, das hat auch eine erhebliche politische und staatsrechtliche Bedeutung."

Joachim Herrmann, Bayerischer Innenminister

Kommunalwahlen sind also für Herrmann offenbar zu wichtig, um sie für Ausländer zu öffnen. Nicht der einzige Grund, warum der Minister das Wahlrecht für Ausländer ablehnt.

"Wir erleben das gerade in der Diskussion mit der Türkei, dass gerade auch Leute, die schon lange in Deutschland leben, sich an den Wahlen in der Türkei beteiligen und in einem noch höheren Maße, als es die Menschen, die in der Türkei leben tun, sich für die Politik von Erdogan aussprechen. Wir sehen, was wir da an Konflikten ins eigene Land holen."

Joachim Herrmann, Bayerischer Innenminister

Mit 1,5 Millionen Menschen sind die Türken die größte Gruppe von Ausländern in Deutschland. Gäbe man ihnen das Wahlrecht, dann könnten sie auch eigene Parteien gründen. Etwa eine Art deutsche AKP– das befürchten zumindest Gegner des Ausländerwahlrechts.

Deutsches Wahlrecht vergleichsweise konservativ

Trotzdem: Verglichen mit Ländern wie Spanien, Schweden oder Ungarn ist das deutsche Wahlrecht eher konservativ. Denn in 15 der 28 EU-Staaten dürfen Ausländer aus Drittstaaten, wie Neven Klepo, zumindest kommunal, also bei Bürgermeisterwahlen und Bürgerentscheiden, mit abstimmen. Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz wollte das 2014 auch in Deutschland einführen – die Union blockierte den Vorschlag. In manchen Ländern ist das Wahlrecht übrigens gar nicht an die Staatsbürgerschaft geknüpft: In Neuseeland zum Beispiel darf man sogar als Nicht-Staatsbürger bei nationalen Parlamentswahlen abstimmen – vorausgesetzt man lebt seit zwei Jahren in Neuseeland und hat eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis.

Neven Klepo könnte inzwischen den deutschen Pass – und damit auch das Wahlrecht – bekommen. Für ihn kommt das im Moment aber nicht in Frage:

"Ich müsste meine bosnische Staatsangehörigkeit abgeben dafür, und es gibt gewisse Dinge in meinem Heimatland, die ich damit aufgeben müsste, zum Beispiel ich könnte nicht erben oder ich hätte große Schwierigkeiten damit."

Neven Klepo

"Aber Entschuldigung: Wenn ihm der kleine Bauernhof in seiner Heimat, wofür ich emotional großes Verständnis habe, wenn ihm der wichtiger ist als die deutsche Staatsangehörigkeit, dann ist das doch kein Grund, um zu sagen, dass er dann in Deutschland wählen muss. Dann soll er in Bosnien weiter wählen."

Joachim Herrmann, Bayerischer Innenminister

Wenn es nach dem Bayerischen Innenminister geht, dann wird es kein Wahlrecht für Ausländer und keinen Doppelpass für Menschen aus Drittstaaten geben.

Hoffnungen für eine Änderung des Wahlrechts

Neven Klepo ist zuversichtlich, was das Wahlrecht angeht:

"Deutschland wird sein Selbstverständnis insoweit ändern, dass man einfach sieht: Die ausländischen Mitbürger sind Teil dieses Staates, sind Teil unserer Gesellschaft und dementsprechend müssen wir ihnen auch politische Teilhabe geben."

Neven Klepo


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Kommentieren

XY, Mittwoch, 13.September 2017, 13:39 Uhr

13. Wahlrecht

Das Wahlrecht müsste genrell reformiert werden. Wie kann es das jeder Hinz und Kunz wählen kann? Egal ob Geschäftmann oder Penner, egal ob Professor oder Dummkopf. Um das Wahlrecht zu erhalten sollten gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein, wie z.B. ein Mindest IQ, ein Mindesteinkommen und eine feste Anstellung oder eine erfogreiche Selbstständigkeit. Die Staatszugehörigkeit spielt dabei keine Rolle. Wer die Anforderungen erfüllt und hier seinen dauerhaften Wohnsitz hat ist wahlberechtigt. Das würde die Anzahl der Wähler drastisch reduzieren und damit auch den Aufwand für die Wahl. Die lästige Wahlwerbung könnte dann auch entfallen da halbwegs intellilgente Menschen sich nicht durch die dummen Sprüche auf den Plakaten beeinflussen lassen.

Der aktueller Zustand mag auf den ersten Blick vielleicht gerecht aussehen führt aber letztlich nur zu einer Diktatur der Dummheit.

Jan Bamburak, Mittwoch, 13.September 2017, 08:29 Uhr

12. Ausländerwahlrecht in Deutschland


Ich musste auch meine polnische Staatsangehörigkeit abgeben. Ich habe es aus der Liebe zu diesem Land getan, nicht nur um wählen zu gehen. Ich bin dankbar für Alles Gute, was ich von diesem Land und Deutschen bekommen habe.

vielfahrer, Montag, 11.September 2017, 13:32 Uhr

11. Wahl 2017

Ironie ein:
Wenn schon fast 50% der Wahlberechtigen gar nicht Wählen gehen, dann lasst doch die Ausländer Wählen!
Ironie aus. -
- Faulheit, Wetter, Lust, Zeit, usw. gilt nicht, es gibt da auch noch die Briefwahl. (ICH HAB SCHON GEWÄHLT).
Und wenn Ihr keine Partei findet, die passt? Trotzdem WÄHLEN, und dann lieber ungültig machen. - Es ist dann auch eine Aussage!
mfG.

  • Antwort von as140, Dienstag, 12.September, 20:38 Uhr

    @Joerg Wagner: Nein, das ist keine Aussage. Eine ungültige Stimme hat keinerlei Auswirkungen. Es macht keinen Unterschied im Vergleich zu einer nicht abgegebenen Stimme.

Joerg Wagner, Montag, 11.September 2017, 12:42 Uhr

10. Ausländerwahlrecht

Es muss immer Kriterien geben, die darüber entscheiden ob jemand Wahlberechtigt ist. Ein Deutscher Pass ist da durchaus geeignet. Deshalb können Auslandsdeutsche wählen und Inlands-Ausländer nicht. Bevor über irgendeine Erweiterung des Ausländerwahlrechts auf bundesebene nachgedacht wird sollte erstmal in allen EU Staaten das EU-Ausländer Kommunal-Wahlrecht verwirklicht werden.

Rosl, Montag, 11.September 2017, 11:47 Uhr

9. Neues Ständewahlrecht

Das bisherige Wahlrecht ist höherer Schwachsinn. Es produziert automatisch eine Schnorrermentalität, weil diejenigen, die vom Staat Geld bekommen, die wählen dürfen, die ihnen das Geld der anderen zuschustern.
Sinnvoll wäre deshalb ein neues Ständewahlrecht, bei dem nur die wählen dürfen, die keine Transferleistungen vom Staat bekommen. Das heißt, daß Beamte, Sozialihilfeempfänger, Aufstocker, Kindergeldempfänger, Pensionäre, Politiker und die im öffentlchen Dienst nicht wählen dürfen. Kurz gesagt, alle die, die vom von denen, die das Staatswesen aufrechterhalten, alimentiert werden.

  • Antwort von Torsten, Montag, 11.September, 12:53 Uhr

    Hat's in der Geschichte schon oft gegeben, wirkt auf den ersten Blick sinnvoll/gerecht, aber auf den zweiten halt nicht mehr: ein Klassenwahlrecht sorgt(e) auch IMMER dafür, dass sich die wahlstarken Klassen auf Kosten der anderen letztendlich bedienen. Macht korrumpiert halt leider immer, daher kann es in einer echten Demokratie nur gleiche Wahlen geben.

  • Antwort von Barbara, Montag, 11.September, 13:24 Uhr

    Rosi, wenn es nach Ihrer Vorstellung geht, dann werden nicht mehr viele Leute übrig bleiben, die wählen dürfen.

  • Antwort von as140, Dienstag, 12.September, 20:40 Uhr

    Ihr Vorschlag ist demokratiefeindlich, da er verfassungswidrig ist. Außerdem hat vermutlich jeder schon mal in irgendeiner Form Geld vom Staat erhalten.