Now & Then Die 80er
Die 80er? Eine extrem wichtige Zeit! Und gerade jetzt kommen Stars von damals mit neuer Musik zurück. Gleichzeitig orientieren sich junge Bands am Sound von damals. Was machte die 80er aus und warum sind sie wieder modern?
Die 80er. Das beliebteste Jahrzehnt der Deutschen. Mit Neonmode, Schulterpolstern und seltsamen Frisuren. Handys gab's noch keine und Computer waren so groß wie Traktoren. Und doch sind es gerade technische Innovationen, die den Klang der 80er geprägt haben. Vorbei ist die Zeit der großen Gitarrenbands. Eine neue, junge Musikbewegung aus England experimentiert mit einem neuen Instrument: dem Synthesizer.
"Hätte mich vor 35 Jahren jemand gefragt, ob dieser Synth-Pop Sound jemals ein Revival erleben wird, ich hätte wahrscheinlich laut gelacht. Wie man sich doch irren kann."
Fritz Egner
In der Musik-Dokumentation "Now and Then" reisen Christina und Fritz zurück in die Zeit, als Synthie-Pop und Musikfernsehen die Musiklandschaft revolutionierten. Sie treffen die Stars von damals - und die Neuen von heute, die sich die 80er zum Vorbild nehmen. Denn dieses Jahrzehnt ist gerade voll im Trend.
Viele junge Bands und Künstler bedienen sich heute bei den 80ern und haben großen Erfolg. Bands wie Chvrches, Hurts oder Chromeo, aber auch junge deutsche Künstler wie Drangsal, der 2016 sein Debüt auf den Markt bringt und richtig durchgestartet ist, orientieren sich am Sound der 80er und machen keinen Hehl aus ihren Vorbildern. Doch warum? Was macht den Sound der 80er so spannend und interessant? Und wo hat alles angefangen?
Fritz beginnt seine Recherchereise in England. Christina hat ihn auf die Spur von Zoot Woman gebracht. Die Engländer haben es tatsächlich als erste erfolgreich geschafft den in den 90er so verpönten 80er-Sound aus der Versenkung zu holen. Aber ist es wirklich der Sound der 80er, der Zoot Woman ausmacht? 2001 war dieser Sound gewagt, doch mit ihrem Debutalbum "Living In a Magazine" feierten sie bei den Kritikern und den Fans unerwartete Erfolge. Ihr Studio liegt auf halber Strecke zwischen London und Oxford.
Zoot Woman sind die Pioniere, die uns die Achtziger zurückgebracht haben. Mit einem Sound und den alten Instrumenten, die ein ganzes Jahrzehnt geprägt haben. Doch was war musikalisch an den 80ern so anders? Es war vor allem das beinahe unbegrenzte Klangspektrum des Synthesizers.
Synthpop – Der Punk im Pop
Einer der bedeutendsten Protagonisten dieser neuen Bewegung lebt heute im beschaulichen Bath, wenige Autostunden von London entfernt. Er ist für einige DER Klassiker des Synthie-Pop verantwortlich und bis heute aktiv. Mit seiner Band "Ultravox" stürmt Midge Ure Anfang der 80er weltweit die Charts und begründet gemeinsam mit Bands wie Depeche Mode oder Human League einen völlig neuen Musik-Stil. "Natürlich klang das ganz anders als die Beatles", erzählt Midge Ure bei seinem Treffen mit Fritz. "Natürlich klang das nicht nach Led Zeppelin. Es klang radikal anders. Wie Musik aus einer Maschine. Diese technische Revolution schuf einen unverwechselbaren Sound."
Als seinen musikalischen Enkel bezeichnet Midge Ure den Pfälzer Drangsal. Er kreiert die perfekte Mischung aus Synthpop, Post-Punk und NDW. Sein Debutalbum "Harieschaim" schaffte es direkt an die Spitze der deutschen Charts und hätte genauso in den 80er entstanden sein können. Christina trifft Max Gruber alias Drangsal in seinem Tonstudio in Ost-Berlin:
"Irgendwie hatte ich mir Drangsal als verschrobenen, düsteren, traurigen Künstler vorgestellt. Auf jeden Fall habe ich mit keinem hyperaktiven pfälzischen Flummi, gerechnet. Aber genau so ist Drangsal- eine super Mischung aus enthusiastisch, lustig, ein bisschen jugendlich cocky und dann wieder total selbst kritisch. Er hat mir sogar einen ganz neuen Song auf der Gitarre vorgespielt, ganz ohne Pomp und Chichi - das war herzzerreißend."
Christina Wolf
Ohne Musikfernsehen kein Ruhm
Das Medium, das die Popmusik der 80er auf den nächsten Level katapultiert hat, ist das Musikfernsehen. Während die Plattenverkäufe Anfang der 80er Jahre stagnierten, versuchten die Labels durch aufwändig gedrehte Musikvideos den Verkauf wieder anzukurbeln. Für die Künstler galt: ohne gutes Video keine Singleverkäufe und ohne MTV kein Ruhm.
MTV-Ikone der 80er war der Nachrichten-Moderator Steve Blame. Was die Nachrichten auf MTV so außergewöhnlich machte: Von Popkultur, über Gesellschaftsthemen bis hin zur Politik. Es gab einfach keine Grenzen. Trotzdem hat Steve Blame die 80er nicht nur in guter Erinnerung:
"Die Achtziger Jahre waren ein Scheiß. Es gab Rassismus überall. Es war schwer, wirklich schwer schwul zu sein in den Achtziger. Es gab diese erste Welle von AIDS. Auf der anderen Seite hatten wir einen Ausweg. Und dieser Ausweg war die Fashion, die Musik, die Nightclubs. Und ich glaube das war auch der Reiz von vielen dieser Künstlern damals. Dieser neuen Welt anzugehören."
"Die Macht und der Einfluss, den das Fernsehen zu jener Zeit auf die Jugendkultur hatte, kann ich mir heute kaum noch vorstellen. Wenn ich mir aber überlege, wie viele Bands und Songs aus der Zeit noch heute im Radio gespielt werden, bekomme ich zumindest einen kleinen Eindruck, wie nachhaltig diese Zeit die Gesellschaft geprägt hat."
Christina Wolf
Es war eine Welt in der jeder sein konnte, was er auch sein wollte. Man konnte sich in den Clubs mit Gleichgesinnten treffen und jede noch so ausgefallene Extravaganz frei ausleben. Und kaum jemand nutzte das neue Lebensgefühl und das Medium Video so konsequent wie Madonna Louise Ciccone. Dank MTV wurde Madonna zur Stilikone und zum Vorbild von Millionen junger Frauen weltweit. Mit seinem Video zu "Billie Jean" schrieb noch ein Weltstar bei MTV Geschichte: Michael Jacksons Clip war das erste Video eines afroamerikanischen Künstlers, den der Sender regelmäßig spielte.
Cleaner Sound
In den 80ern werden Technik und Produktionsbedingungen perfektioniert. Doch dies wirkt sich auch auf den Sound aus. Er wird beliebig und austauschbar. Das Produzententrio Stock, Aitken und Waterman sind die Macher eines neuen, absolut cleanen Sounds. Für Pete Waterman sind die 80er nur so verflogen. Kein Wunder bei sechs Tagen Arbeitswoche quasi im Schichtbetrieb.
Die meisten ihrer Schöpfungen sind in der Versenkung verwunden. Doch es gibt auch Ausnahmen. Ein Star von damals und heute ist Rick Astley.
An ihm ist auch Christinas Generation nicht vorbeigekommen. Und das obwohl er sich Anfang der 90er aus der Musikbranche zurückgezogen hat. Vorzeitiger Ruhestand mit 27 Jahren sozusagen. Heute ist er 50 und es scheint fast, als hätte er sich überhaupt nicht verändert. Kaum zu glauben, dass der ehemals erfolgreichste Künstler Großbritanniens so bodenständig und so offen ist. Selbst die Schüchternheit, für die er in den 80ern bekannt war, ist verflogen.
"In der allerersten Minute haben wir festgestellt, dass Rick aus dem Nachbarort meiner englischen Verwandten kommt. Unser nächstes Thema war die Frage, ob Idris Elba der neue James Bond werden sollte und so ging es weiter... Ich muss sagen, Rick Astley ist einer einer der nettesten und entspanntesten Typen überhaupt. Natürlich wollte ich auch wissen, ob ihn sein Song „Never gonna give u up“ nervt. Aber er meinte nur: 'Nö' schließlich wird der Song seiner Tochter noch das ganze Studium finanzieren."
Christina Wolf
Rick Astley bringt zu seinem 50. Geburtstag ein neues Album raus. Zum ersten Mal hat er alles alleine gemacht: alle Songs geschrieben, sämtliche Instrumente eingespielt und natürlich gesungen. Ein mutiger Schritt als Ikone der Achtziger wieder mit ganz neuen Songs auf die Bühne zurückzukehren. Aber das Publikum feiert ihn, als wäre er nie weg gewesen. Vor allem in England. Sein neues Album "Fifty" erreicht auf Anhieb Platz eins der Charts.
Die 80er - so präsent wie nie
Der Synthie-Pop und das Musikfernsehen haben die Musiklandschaft grundlegend verändert und der Sound hat sich bis heute bewährt. Sogar die Stars von damals sind wieder da.
"Es ist schon faszinierend, wenn man sich mit dem Thema 80er-Jahre beschäftigt – auf einmal sind sie wieder überall. Bands und Sänger der Zeit stehen wieder auf der Bühne mit alten und neuen Songs. Rick Astley, A-Ha, Nik Kershaw oder Midge Ure. Darauf hätte vor dreißig Jahren niemand gewettet."
Christina Wolf
Die ganze Folge "Die 80er" vom 7.10.2016 zum Nachschauen: