RESPEKT Was ist deutsch? Klischee und Realität
- Viele Jahrhunderte lang hat "deutsch" nur bedeutet, dass ein Mensch die deutsche Sprache spricht.
- Was heute als "typisch deutsch" gilt, kann man nicht eindeutig beantworten.
- Zahlreiche positive Eigenschaften und zivilisatorische Errungenschaften der deutschen Gesellschaft finden sich auch in anderen Ländern.
- Wer heute die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen will, muss bürokratische Hürden überwinden und auch einen Einbürgerungstest absolvieren.
Die Frage, was deutsch ist und das Deutsche ausmacht, ist zunächst leicht zu beantworten – unter anderem die Sprache, Qualitäten in der Wirtschaft und Industrie. Bei genauerem Blick zeigt sich aber, dass viele dieser vermeintlichen Merkmale weder einzigartig deutsch sind, noch für ganz Deutschland und alle Deutschen zutreffen. Dazu kommt: Deutschland ist heute unbestritten eine Einwanderungsgesellschaft und profitiert davon nicht zuletzt durch multikulturelle Vielfalt.
Was die Leute auf der Straße für "typisch deutsch" halten
- Wenn man fertig ist mit Essen, soll man am Tisch sitzen bleiben.
- Nie zufrieden zu sein, immer zu meckern.
- Weißen Spargel vergöttern.
- Weiße Socken in Sandalen und Matschhosen, die Kinder auf den Spielplätzen tragen.
- Fleiß. Und man darf nicht nichts zu tun haben.
- Direktheit und Pünktlichkeit
Definition
Was politische Parteien für "typisch deutsch" halten
CDU-CSU: "Semmelknödel und Krabbenbrötchen, sowie Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte"
SPD: "Menschen sind uns so lange fremd, bis wir sie kennenlernen. Dabei gehören sie und ihre Familien seit Jahrzehnten dazu."
FDP: "Made in Germany", Vollkornbrot, Meinungsfreiheit und das Pfandsystem
Die Grünen: "Freude über Friede in Europa und Frust über die nächste Meisterschaft des FC Bayern."
AfD: zitiert Richard Wagner und nennt die Liebe zum Wald etwas Deutsches
Linke: "Es ist typisch deutsch, ständig darüber zu sinnieren, was eigentlich deutsch ist."
Expats: Ein neuer Blick auf das eigene Deutsch-Sein
Eine besondere Situation ergibt sich, wenn man eine lange Zeit im Ausland war und dann nach Deutschland zurückkommt. Da sieht man vieles, was früher selbstverständlich war, mit neuen Augen. Dorothee Kaiser ist es so ergangen. Sie hat in Spanien und Frankreich studiert und dann vier Jahre lang in Caracas gelebt. Ihr ist bei der Rückkehr bewusst geworden, wie distanziert in Deutschland die Menschen oft leben, dass es viele Zäune gibt und dass die Kommunikation nicht so herzlich und laut ist wie in Südamerika.
"Ich musste erst mal Autofahren wieder richtig lernen; dass man an einem Zebrastreifen anhält und alle diese Dinge. Auch für meinen Sohn zum Beispiel war es sehr komisch, dass er auf einmal so leise sein sollte in den Restaurants. Der Kulturschock war schon ziemlich groß, größer als hin ins Ausland."
Dorothee Kaiser, Coach für interkulturelle Kommunikation
Zahlen und Fakten
Gibt es eine deutsche Leitkultur?
- Die deutsche Leitkultur ist eine Erfindung aus den 1990ern. Bis heute ist unklar, was dazu gehört und was nicht.
- Eindeutig sind dagegen die Werte, die im deutschen Grundgesetz stehen: Grundrechte wie Gleichberechtigung, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit
- Eine Studie von 2020 zeigt: Als wesentliche Merkmale der deutschen Gesellschaft sehen gut 80 Prozent der Befragten vor allem "Fleiß" und "wirtschaftlichen Erfolg". Außerdem ganz oben im Ranking: "Freiheit".
- Für viele sehr wichtig: "Demokratie" - sie wurde in der Umfrage viel öfter genannt als "Tradition und Brauchtum".
Zahlen und Fakten: Quellen
Fazit
Deutsch-Sein lässt sich schwer definieren. Deswegen kann man auch schwer "beweisen", dass man dazugehört. Auch wenn man hier geboren wurde. Oder sogar wenn man einen deutschen Pass hat. Letztlich aber sind "die Deutschen" so unterschiedlich und individuell wie auch Vertreter:innen anderer Nationalitäten. Hier sind also keine Beweise gefragt, sondern einfach Offenheit und Menschlichkeit.
Autorin: Monika von Aufschnaiter