RESPEKT Weißsein und latenter Rassismus
- Im öffentlichen Leben herrscht meist Weißsein vor. Ob im Fernsehen, in der Politik oder in der Kirche. Auch Gott, Jesus und Maria werden meistens als Weiße dargestellt.
- Weiße merken in der Regel gar nicht, welche Privilegien sie haben, weil sie für sie selbstverständlich sind.
- Nicht-Weiße werden auch in Deutschland oft benachteiligt: etwa in der Schule, im Beruf, bei der Wohnungssuche.
- Racial Profiling heißt, dass bei Kontrollen durch Behörden gezielt Menschen herausgepickt werden, die nicht deutsch wirken - wegen ihres Namens oder ihres Aussehens etwa.
Rassismus in Deutschland galt lange als kleines Nischen-Problem. Viele - weiße - Menschen denken, dass die Hautfarbe eines Menschen hierzulande gar keine Rolle spielt. Dabei ignorieren sie, dass ihr Weißsein mit großen Privilegien verbunden ist.
"Und wo kommst du wirklich her?"
Definition
Sie blenden die verbreitete rassistische Diskriminierung nicht-weißer Personen aus und merken nicht, dass sie selbst sich oft unbewusst rassistisch verhalten. Etwa, wenn sie Menschen mit dunklerer Hautfarbe oder ungewöhnlichem Namen nach ihrer "wirklichen Herkunft" fragen. Oder feststellen: Du kannst aber echt gut Deutsch. Dabei sind diese Menschen meist genauso deutsch wie sie selbst: in Deutschland aufgewachsen, mit deutscher Staatsbürgerschaft usw. Solche Bemerkungen sind oft nicht böse gemeint - doch wer tagtäglich damit konfrontiert ist, fühlt sich als "anders" "ausgeschlossen". Das kann sogar dazu führen, dass Menschen ihre Haut bleichen oder die Tonlage ihrer Stimme verändern, damit sie als "deutscher" wahrgenommen werden.
"Du bist immer gebückt, es ist wie so ein Buckel. Also, du bist immer gebrochen von diesen Dingen und kannst nicht aufrecht gehen und dich entfalten und deinen Wünschen und Träumen nachgehen. Es ist schon sehr, sehr, sehr heftig, was so rassistische, kleine und große Gewalt jetzt mit Menschen macht, psychologisch."
Malcolm Ohanwe, Musikjournalist
Bin ich rassistisch?
Wenige Menschen würden sich selbst als rassistisch bezeichnen. Das liegt daran, dass viele unter Rassismus nur das ausdrückliche Abwerten von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe verstehen. Doch er umfasst mehr - eigentlich alles, was aufgrund vorgefertigter Meinungen dazu führt, dass Menschen unterscheiden zwischen "wir" (etwa weißen Deutschen) und "die anderen". Selbst vermeintlich "positive" Vorurteile sind eine Form von Rassismus. Also etwa wenn jemand annimmt, dass "alle Schwarzen gut tanzen" oder "Sinti und Roma toll Geige spielen". Denn auch solche Vorurteile führen dazu, dass die Person nicht mehr als Individuum wahrgenommen wird, sondern durch eine Brille vorgefertigter Meinungen, die an eine bestimmte Rasse oder Hautfarbe geknüpft sind.
Auch Straßennamen zeugen von Rassismus
Dass Rassismus in Deutschland eine lange Geschichte hat, spielt etwa im Geschichtsunterricht eine Rolle. Dort wird die deutsche Kolonialgeschichte oft als unbedeutend abgetan. Doch tatsächlich gab es zahlreiche deutsche Kolonien, und viele Deutsche, wie etwa die Augsburger Handelsfamilie Fugger, wurden sehr reich durch Ausbeutung der Kolonien und Sklavenhandel. Damit verbunden: Gewalttaten und Missbrauch der indigenen Bevölkerung. Die Forscher Carl Friedrich Philipp von Martius und Johann Baptist von Spix, nach denen in München Straßen benannt sind, hatten von einer Südamerika-Expedition Anfang des 19. Jahrhunderts auch mehrere Kinder mitgebracht. Die meisten starben unterwegs, die zwei Überlebenden stellten sie in München aus - bis auch sie starben.
Zahlen und Fakten
Job, Schule, Wohnungssuche: Nicht-Weiße sind oft benachteiligt
- Alltagsrassismus ist in Deutschland noch wenig erforscht.
- Studien zeigen zum Beispiel, dass Lehrer:innen Migrantenkinder benachteiligen und ihnen bei gleichen Leistungen schlechtere Noten geben.
- Auch im Job gibt es Nachteile: Arbeitgeber:innen stellen lieber Menschen ein, die ihnen kulturell und in ihren Einstellungen ähnlich sind
- Eine Umfrage von 2019 zeigt: Rund 40 Prozent der Befragten hätten große Bedenken, eine Wohnung an Eingewanderte zu vermieten.
Zahlen und Fakten: Quellen
Latenter Rassismus in Deutschland
Schlechtere Mathenoten für Migrantenkinder (PDF)
Diktatbeurteilung - nicht ganz objektiv (PDF)
Schule ohne Diskriminierung
Bewerbungserfolg und Staatszugehörigkeit (PDF, S. 23 f.)
Ein ausländisch klingender Name verringert die Chancen, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, um 24 Prozent.
Diskriminierungsmerkmale
Diskriminierung bei der Wohnungssuche
Umfrage Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt (PDF, S. 12)
Tagesschau: Vorbehalte gegen Einwanderer als Mieter
"Keine Ausländer"-Passage in Wohnungsangeboten ist verboten: dpa, 10.12.2019, Urteil Landgericht Augsburg
Verdeckter und offener Alltagsrassismus
Racial Profiling
Corona-Virus und Diskriminierung von Asiat*innen
Kontrolliert wird, wer nicht "deutsch" aussieht
Thomas Müller, Ex-Polizist und Anti-Racial-Profiling-Trainer sagt: Ja, es gibt Racial Profiling in Deutschland. Denn grundsätzlich wird nicht genauer überprüft, wie sich ein:e Polizist:in in einer Kontrollsituation verhält. In Großbritannien ist das anders: Der/Die Kontrollierte bekommt über diese Kontrolle eine Quittung mit einer eindeutigen Nummer, anhand der er feststellen kann: Wer hat mich kontrolliert? Warum bin ich kontrolliert worden? Und wann bin ich kontrolliert worden? So etwas würde laut Thomas Müller auch in Deutschland helfen, dass Beamt:innen sich ihres latenten Rassismus bewusster werden.
"Das Problem bei Racial Profiling ist, dass das eine selbsterfüllende Prophezeiung ist. Ich kontrolliere bestimmte Bevölkerungsgruppen mehr. Zwangsläufig muss ich Straftaten entdecken. Und dann sagt man: Seht mal, ich habe recht gehabt. Es lohnt sich, dort noch mehr zu kontrollieren. Und dann kontrolliert man noch mehr."
Thomas Müller, Ex-Polizist, gibt Trainings, wie Polizist*innen Racial Profiling vermeiden können
Was tun gegen (latenten) Rassismus?
Erst mal: auf dein Verhalten und deine Denkweise achten. Verhältst du dich anders, weil jemand ein Kopftuch trägt, schwarz ist, einen ausländischen Namen hat? Erst wenn du dir solche Dinge bewusst machst, kannst du entscheiden, wie du tatsächlich handeln willst - und auch deine Denkweise nach und nach verändern.
Um die Erlebniswelt von PoC (People of Colour) besser zu verstehen, gibt es viele Möglichkeiten. Wenn du niemanden persönlich kennst, kannst du zum Beispiel Podcasts hören und Bücher lesen, die von PoC handeln / verfasst wurden. Oder mehr auf den Text der Musik von nicht-weißen Menschen achten, die du ja vielleicht ohnehin schon hörst.
Autorin: Monika von Aufschnaiter