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alpha-geschichte Die Vertreibung der Juden aus Prag Maria Theresias dunkle Seite

Samstag, 01.02.2025
20:15 bis 21:00 Uhr

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ARD alpha
Österreich, Tschechische Republik 2023

Wien, 18. Dezember 1744. Kurz vor Weihnachten. Im Zentrum der Macht des Habsburgerreichs beginnt ein unheilvolles Drama mit Auswirkungen auf ganz Europa. Die blutjunge Herrscherin Maria Theresia befiehlt die Vertreibung der Juden aus Prag. Angeblich haben sie sich im Österreichischen Erbfolgekrieg illoyal verhalten. Nun werden sie zu Sündenböcken. Die TV-Dokumentation „Die Vertreibung der Juden aus Prag“ von Monika Czernin fragt, wie sich der Judenhass der zur „Mutter ihrer Völker“ hochstilisierten Habsburgerin erklären lässt, die in den Juden „die ärgste Pest“ vermutet? Was treibt die angeblich so aufgeklärte Monarchin zu diesem mittelalterlichen Akt gegen die größte und wichtigste jüdische Gemeinde Europas? Ist es der Einfluss ihres jesuitischen Beichtvaters oder die Familientradition? Ihr Großvater Leopold I. ließ 1670 alle Juden aus Wien vertreiben. Nach Jahrhunderten der antijüdischen Verfolgung im christlichen Europa ist Maria Theresias Befehl der letzte von einer Herrscherin bzw. einem Herrscher verordnete Terrorakt gegen Juden im Alten Europa vor dem Holocaust. Es ist der politische Amoklauf einer absolutistisch regierenden Monarchin, die in diesem Fall beratungsresistent ist und tiefes Leid über Menschen in ihrer Machtsphäre bringt. „Das ist Maria Theresias dunkle Seite“, so Historikerin und Maria-Theresia-Biografin Barbara Stollberg-Rilinger, „in der populären Geschichtsvermittlung ist das bisher nicht vorgekommen.“ Prag 22. Dezember 1744. Der Befehl der Monarchin ist eingetroffen. Er gibt der jüdischen Gemeinde von Prag einige Wochen Zeit. Ein Countdown beginnt, denn die Juden Prags haben eine europaweite Kampagne gestartet, um die Monarchin zum Einlenken zu bringen. Zwei Hofjuden – Männer aus jüdischen Familien, die die Herrscher und Herrscherinnen damals mit Kapital und Luxusgütern versorgten – werden zu prominenten Anführern: Wolf Wertheimer in Augsburg und Diego d’Aguilar in Wien. Schreiben über Schreiben treffen in der Wiener Hofburg ein, die Gesandten Englands und Hollands antichambrieren bei Maria Theresia, sogar der Papst bittet um Menschlichkeit. Es ist die erste diplomatische Großaktion der Juden als Volk vor der Staatsgründung. Doch was wird Maria Theresia tun? Wird sie einlenken? Die Habsburgerin bleibt hart und so beginnt im März 1745 ein Exodus von 10.000 Menschen - bei Eiseskälte und mitten im Winter. Historiker Michael Silber von der Hebrew University: „Die Winter im 18. Jahrhundert waren extrem hart. In vielen Fällen mussten die Juden ihr Eigentum verkaufen, sie wussten ja nicht, dass sie in drei Jahren zurückkommen würden. Vieles verkauften sie daher unter Preis. Es erinnert wirklich an die 1930er Jahre, als die Juden Deutschland verließen.“ Nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Prag bricht die Wirtschaft des wichtigsten Habsburgischen Kronlandes Böhmen zusammen, die Auswirkungen sind bis ins Heilige Römische Reich zu spüren. „Das war ja nicht irgendeine Gemeinde. Prag war DIE jüdische Gemeinde in Europa, die größte, die wichtigste und die bedeutendste“, sagt Historikerin Rotraud Ries. 1748 wird Maria Theresia deshalb ihren verhängnisvollen Befehl zurücknehmen, und die jüdischen Familien werden – allerdings gegen eine hohe Toleranzsteuer – nach Prag zurückkehren. „Um Europa besser zu verstehen, muss man diese Geschichte kennen“, sagt die Regisseurin Monika Czernin über die Bedeutung des Themas. „Dieser Jahrhunderte alte Antijudaismus des Christentums ist eindeutig ein Nährboden für den Faschismus, den Nationalsozialismus, für den Antisemitismus und den Judenhass.“, zieht der Judaist und Berater Papst Franziskus im christlich-jüdischen Dialog ein nachdenklich stimmendes Fazit. Der Film erzählt die letzte große Vertreibung der Juden im alten Europa vor dem Holocaust als ein Drama, das angesichts des wiedererstarkten Antisemitismus hoch aktuell ist.

Redaktion: Andrea Bräu