"Das bedeutet, dass das Theater eine andere, eine entschieden andere Aufgabe hat als das, was heute von den Medien übernommen wird. Das Theater handelt von Unformuliertem, von Hintergründen, von etwas, das vielleicht gar nicht zu sagen ist und das Peter Brook mal so wunderbar mit 'secret play' bezeichnet hat, also 'das geheime Stück dahinter'. Auch Stanislawaski hat schon gesagt, dass da etwas ist, was man in der künstlerischen Arbeit nur umschreiben kann, und zwar so, als würde man einen Kreis durch Tangenten, die man anlegt, beschreiben wollen. Das heißt, der Kreis ist nicht als Kreis definiert, aber die Tangenten formulieren dennoch den Kreis. Es geht also darum, dass das Theater versuchen muss, das auf die Bühne zu bekommen und darzustellen, was eigentlich unbeschreibbar ist. Damit erschafft es etwas, was nur dieses Instrument schaffen kann. Der spielende Mensch, der vor anderen Menschen spielt, nähert sich den Dingen, die das große Rätsel unseres Lebens ausmachen: Was ist der Mensch? Wo sind seine Widersprüche, seine Antriebe? Das bekommt man nicht allein mit irgendeiner gesellschaftlichen Haltung hin, sondern das sind Dinge, die aus der Erfindung des Theaters kommen, aus der 'Religion' namens Theater – das ist jedenfalls meine Überzeugung."

Dieter Dorn