"Für beide Kirchen spricht, und das ist ein Befund, der über alle möglichen demografischen Untersuchungen hinweg recht stabil ist, dass sich rund zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland als religiös bezeichnen und zu diesen Fragen sehr wohl einen Zugang haben. Das ist doch ein sehr hoher Level. Mir macht auch keiner weiß, dass innerhalb einer Generation verschwunden sein kann, was sich in 50000 Jahren Menschheitsgeschichte aufgebaut hat, nämlich die Auseinandersetzung mit den Fragen des Lebens, diese Fragen nach dem Wohin, dem Wozu und dem Warum. Es kann nicht sein, dass diese Sehnsucht nach Spiritualität innerhalb weniger Jahrzehnte vollkommen obsolet geworden ist. Der zweite Punkt ist: Die Menschen brauchen Orientierung. Natürlich ist Gott als Erklärungsgröße aus unserem Alltag und aus all den Bereichen, in denen er früher vorhanden war, verschwunden. Wenn es früher eine Seuche gegeben hat, wenn ein Unwetter gewütet hat, dann sagte man: 'Das ist göttliche Fügung!' Heute kennen wir die Naturgesetze, die das erklären. Aber auf der anderen Seite wirft doch die Wissenschaft heutzutage eine ganze Reihe von neuen Fragen auf, die sie selbst nicht beantworten kann."

Thomas von Mitschke-Collande