"Wir sprechen heutzutage ja von einer Interpretation, aber damals, im Barock, gab es diese Form der Interpretation gar nicht. Die Librettisten waren letztlich für die Inszenierung, für das 'in Szene bringen' verantwortlich. Jeder Sänger wiederum war für seine eigenen Chiffren verantwortlich. Es gab verschiedene Charakteristika wie Mimik, Gestik und überhaupt Affektierkünste, mittels derer man sich ausdrücken konnte. Ganz wichtig war auch, dass eine Rolle komplett unabhängig vom Geschlecht war. Im 19. Jahrhundert konnte man das dann schon nicht mehr sagen, denn ab da musste das alles doch irgendwie stimmig sein. Im Barock jedoch war das noch anders, da konnte meinetwegen der höchste Sopran den dunkelsten und bösesten König verkörpern. Es war dem Publikum letztlich egal, ob der böse König in Sopran-Lage singt oder in Mezzo- oder in Alt-Lage."

Valer Sabadus