Filmschoolfest Munich-Interview FIND FIX FINISH – Regisseurin Mila Zhluktenko und Produzentin Veronika Faistbauer
Am Eröffnungsabend lief der Dokumentarfilm „Find Fix Finish“, der HFF-Studenten Mila Zhluktktenko und Sylvain Cruiziat. Ein Film über die Arbeit der US-Drohnenpiloten und den grausamen Krieg von oben. Campus Cinema hat die Regisseurin Mila Zhluktktenko und die Produzentin Veronika Faistbauer getroffen.
Find Fix Finish
Regie: Sylvain Cruiziat, Mila Zhluktenko, Dokumentarfilm, HFF München, Deutschland 2017
Wie ist es, das Leben der anderen aus der Vogelperspektive zu beobachten, jeden Tag, weit weg und doch so nah? Das fragten sich die HFF-Studenten Bogumyla (Mila) Zhluktenko und Sylvain Cruiziat. Von ihrem Alltag, der militärischen Routine, aber auch von der voyeuristischen Nähe zu den Opfern, die sie tagelang, manchmal monatelang beobachten, erzählen drei US-Drohnenpiloten, während die Kamera von weit oben auf alltägliche Szenen blickt. Leben, das jederzeit ausgelöscht werden kann. „Man hört auf, die Menschen auf dem Bildschirm als Menschen wahrzunehmen. Anders würde man es nicht verkraften“, beschreibt eine Pilotin die Art, mit diesem Job fertig zu werden. Denn irgendwann kommt der Befehl zum Töten. Anonym. Per Knopfdruck: Find, Fix, Finish!
Campus Cinema (CC): Mila, wie seid ihr auf das Thema gekommen?
Mila: Wir hatten uns fünf Themen überlegt, die alle mit Technik zu tun hatten. Und plötzlich hat uns dieses Thema nicht mehr losgelassen. Doch daraus einen Film zu machen, war nicht einfach. Das Thema ist riesig und es gibt schon unheimlich viel dazu. Am Anfang wollten wir einen Film über die Rekrutierung von Drohnenpiloten machen. Es gibt so Game-Messen, wo die 15jährigen angesprochen werden...
Veronika: Da laufen Agenten rum, die schauen: Welche jungen Talente gibt es am Joystick oder welche talentierten Hacker. Die werden dann unter der Hand angesprochen.
CC: Letztendlich habt Ihr entschieden, ausgebildete Drohnenpiloten von ihrer Arbeit erzählen zu lassen, warum?
Mila: Weil es das Filmischste und Interessante ist, in den POV – den Point of View – von Drohnenpiloten zu gehen. Weil sich diese herablassende Haltung in den Bildern spiegelt. Weil man z.B. das Trügerische, diese vermeintliche göttliche Allwissenheit, entlarvt. Das Bild, dass der Drohnenpilot auf dem Bildschirm sieht: Es könnte ja aus vielen Ländern sein, auch wenn es heißt, das ist Afghanistan. Die Bilder, die wir gedreht haben, sind alle aus Europa. Aber das sieht man nicht, zumindest nicht bei allen Motiven.
CC: Wie seid Ihr überhaupt auf die Bilder gekommen, wo genau habt Ihr gedreht?
Mila: Wir haben im Vorfeld sehr viel diskutiert und vorher schon auf einem Whiteboard aufgezeichnet, wie die Bilder aussehen könnten. Dann haben wir über Google Maps Drehorte bzw. Motive in ganz Europa gescoutet, die sind wir dann abgefahren. Haben uns aber offengelassen, andere Motive auf dem Weg zu finden.
CC: Wo wurde das Bild gedreht, das man ganz am Anfang sieht - ein alleinstehendes Haus oder eine Farm auf dem Land, wo es trocken ist und heiß?
Mila: Das war im Süden von Spanien, zwischen Valencia und Alicante. Wir haben auch in Barcelona gedreht. Und die Schlusseinstellung, die Poolparty, das war ein Zufall. Mein Co-Regisseur kommt aus London. Er war zu dieser Poolparty eingeladen und hat die Drohne einfach mal mitgenommen, und auf der Party ist das Bild dann entstanden...
CC: Mit was habt Ihr gedreht?
Mila: Wir haben uns bewusst für eine Quadrokopterdrohne entschieden, auch wenn die militärischen Drohnen andere sind, weil deren Bilder für uns am besten das Gefühl transportieren, das wir herstellen wollten. Sehr ruhige Einstellungen, die eben ausdrücken sollen, dass man in seinem Stuhl festgenagelt ist als Drohnenpilot, das ewige Warten bis was passiert, aber auch dieses Gefühl von Allmacht.
Was wir erst im Interview erfahren: Die Drohnenpiloten, die aus dem OFF erzählen, sind keine echten Drohnenpiloten, sondern Schauspieler, die von den Regisseuren geschriebene Texte einsprechen, basierend auf Interviews von Drohnenpiloten der US-Army.
Mila: Die Texte haben wir natürlich nicht erfunden. Das ist dokumentarisches Material. Wir haben ja unheimlich viel recherchiert. Es gibt zahlreiche Bücher, Interviews mit Drohnenpiloten und wir haben dann daraus fein geschliffene Dialoge gemacht.
Veronika: Wir haben Informationen verwendet, die schon publik waren. Das ist natürlich auch rechtlich einfacher. Wir sind ja keine investigativen Journalisten. Uns ging es nicht darum, etwas Neues zu erzählen, sondern dieses Gefühl auf die Leinwand zu bringen...
CC: Also – streng genommen – ist das gar kein Dokumentarfilm?
Veronika: Die Grenzen sind ja heute zum Glück fließend. Auf dem Max Ophüls-Preis-Festival, wo „Find Fix Finish“ Premiere hatte, lief unser Film zum Beispiel in der Kategorie Spielfilm.
CC: Mila, warum studierst Du Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik und nicht Spielfilm an der HFF?
Mila: Ich finde Dokumentarfilm toll. Diese Form zwingt einen zu so einem reflektierten Blick. Beim Spielfilm muss man sehr viel über den Stoff und den Helden nachdenken. Beim Dokumentarfilm muss man immer auch über die eigene Rolle nachdenken. Was ist meine Haltung zu dem Thema? Das finde ich spannend.
CC: „Find Fix Finish“ hatte seine Premiere auf dem Max Ophüls-Preis-Festival in Saarbrücken und lief seitdem auf zahlreichen Festivals. Jetzt auch hier auf dem Filmschoolfest Munich – als einer von nur zwei Filmen von der HFF. Wie fühlt sich das an?
Veronika: Wir sind ja schon zum 4. Mal während des Studiums Teil des Festivals. Bisher immer als Zuschauer und jetzt eben als Teil des Wettbewerbs! Ein Heimspiel, das ist natürlich cool!
Man muss kein Lars von Trier-Fan sein, um es an die HFF zu schaffen
CC: Wie seid Ihr zum Film bzw. an die HFF gekommen?
Veronika: Ich bin im Süden von München aufgewachsen. Hab' schon immer Filme gemacht, so kleine Filmchen mit Mini-DV am Gymnasium in der Film AG. Und das ist natürlich schön, wenn man immer weiterkommt und jetzt auf der großen Leinwand in der Filmhochschule seine Filme machen kann.
Mila: Ich bin mit 13 mit meinen Eltern aus Kiew nach München gekommen. Der Gedanke, dass ich Filme machen will, kam mir während der Abiturzeit. Aber ich habe damals noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht und nach dem Abi erstmal beim Theaterprojekt IMAL mitgemacht. Das sollte zwei Jahre gehen, aber nach einem Jahr war dort das Geld aus. Dann musste ich mir ganz schnell was anderes überlegen. Habe mich dann für Deutsche Literatur eingeschrieben und später an der HFF beworben.
CC: Was ratet Ihr anderen, die an die Filmhochschule wollen?
Mila: Für Dokumentarfilm muss man mit offenen Augen durch die Welt gehen, reflektieren. Und wenn man sich an der HFF bewerben will: Einfach MACHEN, nicht verkopft sein und Angst haben, ach, da kommt ja eh niemand rein. Die Filme, die man machen will, einreichen.
Veronika: Und auch keine Angst haben zu gestehen, dass der Lieblingsfilm Pulp Fiction ist. Man muss nicht Lars von Trier toll finden, um an die HFF zu kommen. Man kann es auch schaffen, wenn man Fan von Star Wars ist.