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Global Game Jam 2020 Der Showdown der Spieleentwickler

Für Spieleentwickler ist der Global Game Jam ein Highlight. Jedes Jahr kommen auf der ganzen Welt zigtausend Menschen an hunderten Orten auf der ganzen Welt zusammen, um Spiele zu entwickeln. Campus Magazin war an der Uni Bayreuth dabei.

Von: Florian Falzeder

Stand: 07.03.2020

Spiele entwickeln im Schnelldurchlauf: Der Showdown der Spieleentwickler

Die Challenge: Sie alle haben nur ein Wochenende, genauer 48 Stunden, Zeit.

Monate schon hat Linus Gärtig diesem Event entgegengefiebert. Der 20-Jährige studiert Medienwissenschaft und Medienpraxis an der Uni Bayreuth - gerade ist er auf dem Sprung ins vierte Semester. Computerspiele sind hier an der Uni eine große Sache, nicht nur in Linus’ Bachelorstudiengang nehmen sie viel Raum ein. Es gibt hier sogar einen eigenen Master: Computerspielwissenschaften. Genug Interessierte als für einen Game Jam.

Diskussion in der Max Nerf Gun Gruppe

Aber was heißt das eigentlich? Im Prinzip geht es darum, ein Spiel im Schnelldurchlauf zu entwickeln. Innerhalb von meist einem Wochenende kommen Menschen zusammen, bilden Gruppen und entwickeln dann jeweils ein Spiel. Von der Spielidee über Design und Artwork bis hin zu Musik und natürlich Programmierung: Es braucht viele Spezialisten, die an einem Spiel zusammenarbeiten. Das Interessante für junge Spieleentwickler und -begeisterte: Bei Game Jams können sie sich ausprobieren, neue Dinge lernen - und natürlich neue Leute kennenlernen.

Solche Game Jams gibt es etwa viermal im Jahr an der Uni Bayreuth. Der Global Game Jam aber ist etwas besonderes: Es ist der weltweit größte seiner Art! Dieses Jahr haben 48,700 “Jammer” - so nennen sich die, die mitmachen - an 934 Orten in 118 Ländern mitgemacht! Die Uni Bayreuth war mit 126 registrierten Jammern dieses Jahr der größte Schauplatz in Deutschland - hat also Orte in Berlin, München oder Köln geschlagen, wo auch überall entwickelt wurde.

Startschuss!

Für Linus und die anderen 125 fällt um 17 Uhr Ortszeit am Freitag der Startschuss - wie an allen anderen teilnehmenden Orten auch. Ab dann haben alle bis Sonntag, 17 Uhr (natürlich wieder Ortszeit), bis sie zur Abschlussveranstaltung ihre Spiele auf die Homepage hochladen und dann vor den anderen präsentieren müssen. Außerdem haben alle das gleiche Thema, das zum Start bekanntgegeben wird. Dieses Jahr: Repair, also Reparatur.

Diskussion am Anfang in der Gruppe von Linus

Und los geht’s! Jetzt muss Linus schnell sein, bevor alle anderen schon ein Team haben und er leer ausgeht. Eine Mitstreiterin hat er gleich gefunden: Elli, 26 Jahre alt, studiert Computerspielwissenschaften hier an der Uni. Beide sind eher Game Designer und Artists, dafür können sie weniger gut programmieren.

Daniel und Hannes, Computerspiel-Entwickler

Dann geht es Schlag auf Schlag, und auf einmal ist die Gruppe zu acht! Daniel und Hannes sind Programmierer, Robin und Jan eher Designer und Artists, wie Elli und Linus, Valentin will sich um die Musik kümmern und Lisa um die Grafik - sie ist Illustratorin in Nürnberg und extra für den Game Jam nach Bayreuth gekommen, genauso wie Daniel, der in Hof Medieninformatik studiert.

Von der Idee bis zum Spiel

Bis sich acht Leute zusammenfinden, kennenlernen und eine Spielidee entwickeln, das dauert! Stundenlang sitzen sie zusammen, überlegen, diskutieren… Sie haben nur eine Grundidee: Ein 20-Sekunden-Spiel soll es werden.

Engine unreal Golem-Team

Währenddessen sind die anderen Teams schon deutlich weiter. Sebastian zum Beispiel, ebenfalls Bachelor-Student an der Uni, arbeitet schon lange mit einer eingeschweißten Truppe zusammen. Sie gründen gemeinsam eine Computerspielfirma und nutzen die Game Jams, um neue Ideen auszuprobieren und einfach gemeinsam auf neue Spielideen zu kommen - an denen sie später weiter tüfteln.

Entwicklung des Computerspiels Blender Golem

Diesmal ist Aaron neu mit an Bord. Der Artist aus Marburg ist zwar bei der Firmengründung dabei, aber bei einem Game Jam hat er noch nie mitgemacht. Er zeichnet schon die ersten Entwürfe auf Papier: einen Golem, eine riesige Figur. Die Spieliee: Dieser Golem wird angegriffen. Der Spieler fliegt eine Helferdrohne, die den Golem reparieren soll, damit der es bis an sein Ziel schafft.

Linus mit Prototytest auf Papier

Endlich, gegen Mitternacht, ist es auch bei Linus und den anderen soweit. Ihre Idee: Ein Zeitreiseeunfall hat die Raumzeit gespalten. Auf einmal gibt es zwei Paralleluniversen. Zwei Spieler - in dem Spielkosmos derselbe Mensch in zwei Universen - müssen die Zeitmaschine wieder reparieren, indem sie auf beiden Seiten - also in beiden Universen - den gleichen Zustand wiederherstellen. Das Konzept testen sie mit einem Papierprototypen: irgendwie eine Mischung aus Puzzle, Tischtennis und Schiffe versenken.

Die zwei Spieler müssen drei Figuren auf dem Raster genau gleich positionieren. Der Clou: nach jedem Zug wechseln sie die Seite, rennen um den Tisch. Weil die Raumzeit ständig zwischen den beiden Universen hin und her springt. Während der eine die Idee hat, die gelbe Figur in die Mitte zu legen, denkt der andere vielleicht gerade an das Feld oben rechts. Sie müssen zusammenspielen um zu gewinnen, und spielen unabsichtlich oft genau gegeneinander. Alles, während sie wie wild um den Tisch rumrennen. Ein Heidenspaß!

Die Uhr tickt...

Blender Toll 3 D Modell

Am nächsten Tag sind die Game-Entwickler schon erstaunlich weit gekommen. Sie sind ja auch gut aufgestellt: Vier Leute bauen Spielfeld und Figuren, eine zeichnet, einer macht Musik, und zwei programmieren. Warum das so schnell geht? Es gibt mittlerweile mächtige Programme zur Spieleentwicklung. Für 3D-Modelle ein Open Source Tool namens Blender zum Beispiel. Und hinter dem Spiel selbst steckt eine sogenannte Engine. Die meisten hier benutzen Unity oder Unreal, die beide kostenlos verfügbar sind - und für die man erst zahlen muss, wenn man mit seinem Spiel eine gewisse Menge Geld verdient.

Max Nerf Gun

Auf einmal, aus dem Computerraum, wo Sebastian und sein Team arbeiten, die Hiobsbotschaft: Der Strom ist ausgefallen! Für einen Game Jam ein GAU! Alle Desktop-Rechner sind gleichzeitig ausgegangen. Wenn die automatische Sicherung nicht funktioniert hat, gibt es ein Problem. Und die Uhr tickt. Im Moment können nur diejenigen mit Laptop weiterarbeiten - zumindest, solange der Akku hält.

Strombypass retet vor totalen Stromausfall

Endlich kommt die Rettung, in Gestalt des Professors für Digitale Medien an der Uni, Jochen Koubek, und seiner Mitarbeiter. An den Sicherungskasten sind sie zwar nicht gekommen. Weil die Uni das Gebäude der Medienwissenschaften, in denen die eine Hälfte der Jammer sitzt, angemietet hat. Und der Hauseigentümer übers Wochenende nicht erreichbar war. Aber man weiß sich zu helfen: Mit Kabeltrommeln legen die Helfer einen Strombypass aus anderen Räumen. Eine Behelfsreparatur. Passt ja ganz gut zum Thema dieses Jahr.

Golem Team vor Abgabe - guter Stand!

Und weiter geht’s. Die Sonne geht unter, und die Stimmung wird angespannter. Jetzt zählt jede Stunde. Die Energydrink-Vorräte werden angezapft, alle sind im Tunnel, arbeiten konzentriert. Die automatische Sicherung hat funktioniert. Und der Golem, von Aaron modelliert, sieht schon beeindruckend aus, währenddessen bauen seine Teamkollegen die Umgebung mit der Spiel-Engine.

Aus dem Nebenraum hört man die Bee Gees Stayin’ Alive singen. Eine 80er Youtube-Playlist sorgt für das entsprechende Durchhaltevermögen der dort bastelnden Jammer. Währenddessen wird die Gruppe um Linus auf einmal von zwei Kommilitonen mit Spielzeugpistolen überrumpelt. Schön langsam macht sich der Schlafmangel bemerkbar, erklärt Max, einer der beiden Angreifer - dafür aber auch die Produktivität der letzten Nacht…

Endspurt

Peng & Puff - zweites Spiel

Noch sechs Stunden: alle sind guter Dinge und können schon ein Ende absehen. Viel geschlafen haben die meisten nicht, aber drei bis vier Stunden haben sich die meisten gegönnt. Nur bei Linus’ Team ist Unruhe drin. Weil er nicht mehr viel machen konnte, hat Linus einfach noch ein zweites Spiel über Nacht gebastelt. Eine Variante des klassischen Münzwurfs, nur mit Apfel und Banane. Man sucht sich eine Frucht aus, wartet, was der Zufallsgenerator ausspuckt, und hat dann entsprechend gewonnen oder verloren. Dazu ein witziger Soundtrack mit den Soundeffekten “Peng!” und “Puff!”. Euphorie und Übermüdung spielen Hand in Hand.

Daniel und Robin kurz vor Abgabe eine Katastrophe...

Daniel verzweifelt währenddessen am Code… Sein Schlafpensum: null Stunden. Weil die Verbindung der zwei Spielfelder ihm Probleme bereitet und sich immer wieder Bugs, also Fehler im Programmcode, einnisten, hat er allerhand zu tun. Ab einem gewissen Punkt muss man nämlich über die Möglichkeiten, die die Engine bietet, hinaus noch mehr basteln, programmieren. Und das wird jetzt, ein paar Stunden vor Abgabe, zum Problem.

Währenddessen machen Sebastian, Aaron und die anderen im Team die letzten Feinschliffe am Golem-Spiel “Godspeed Goliath”. Fertig geworden ist es natürlich nicht - wie auch, nach nur zwei Tagen - aber es ist präsentabel. Es lässt sich spielen, die Grafik sieht gut aus, der Soundtrack macht auch was her. Das Team lädt das Spiel auf die zentrale Seite, auf der alle Spiele aller Leute, die mitgemacht haben, zum Herunterladen und Ausprobieren bereitstehen.

Und geschafft!

Noch 20 Minuten für Daniel! Die letzten Bugs sind behoben, nur noch die Verbindung der Spielfelder macht ihm zu schaffen. Zu dritt mit Robin und Hannes sitzen sie vor dem Code. Dann, endlich, geschafft! Gerade noch rechtzeitig. Und ab zur Abschlusspräsentation.

Daniel will sich ein bisschen erholen

Während die anderen vortragen, können auch die acht sich endlich entspannen. Daniel sogar ein bisschen zu sehr. Im dunklen Hörsaal, nur vom Beamer beleuchtet, fallen ihm die Augen zu - zum ersten wohlverdienten Nickerchen. Dann reißt ihn der Applaus der andern Jammer aus dem Schlaf. Und schon setzt sich die Gruppe wieder in Bewegung. Um am Ende eines anstrengenden Wochenendes ihr eigenes Spiel vorzustellen: Timeline Unstable.


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