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Interview Yeliz , 10. Semester Medizin an der LMU, München

Campus Magazin hat nachgefragt, was Yeliz im 10. Semester Medizin von der möglichen Verschiebung des 2. Staatsexamens wegen der Corona-Krise denkt. Was macht dir besonders Sorgen?

Von: Anette Orth

Stand: 30.03.2020

Yeliz, 10. Semester Medizin an der LMU München | Bild: Yeliz (privates Foto)

Was war deine erste Reaktion, als du von der möglichen Verschiebung des 2. Staatsexamens gehört hast? 

Enttäuschung, Wut, Frust und Angst, alles gleichzeitig. Eine Lernzeit von sechs Monaten soll jetzt einfach dahin sein? Von den finanziellen und sozialen Entbehrungen ganz abgesehen - ich habe alleine 4500 Euro für einen Vorbereitungskurs für das Examen bezahlt.

Wie findest du, dass ihr möglicherweise sofort ins Praktische Jahr gehen sollt? 

Ich habe dieses Studium aus Berufung gewählt. Wenn unsere Hilfe jetzt benötigt wird, dann helfen wir. Aber zu welchem Preis? 

Dem enormen Organisationsaufwand, der dahintersteckt wird überhaupt keine Beachtung geschenkt! Umzüge müssen organisiert werden, bei manchen die Kinderbetreuung, Doktorarbeiten verzögert sich.

Ich bin gerne bereit, nach geschriebenem Examen noch am selben Tag auf Station zu arbeiten! Die Zeit bis zu unserem Examen hätte man aktuell noch mit den Medizinstudenten der unteren Semester gut abdecken können. 

Was macht dir noch Sorgen?

Mangelnde Schutzkleidung, die mangelnde Lehre während des PJ. Es wird auch eine Zeit nach dieser Pandemie geben und dann würden sich die Patienten freuen, wenn wir als approbierte Ärzte einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erkennen und therapieren können. Und das 'Hammerexamen' mit deutlich abgespeckter Vorbereitungszeit natürlich.

Eine meiner größten Sorgen: Wie kann ich meine Miete und meine Krankenversicherung bezahlen, während ich für 0 Euro – die aktuelle Bezahlung an der Uniklinik der LMU München - als PJ-lerin arbeite? 

Was wünschst du dir?

Dass wir gehört werden! Unsere Petitionen zeigen, was wir fordern. Ein fairer und offener Umgang der zuständigen Minister und Behörden mit den Betroffenen wäre ein Anfang. 

WIR wollen helfen. Aber wem ist damit geholfen, wenn wir nach dem PJ und vor dem Assistenzarzt Dasein ausgebrannt sind?  

Was machst du im Moment?

Ich versuche mich weiterhin irgendwie auf das Lernen zu konzentrieren, was aktuell fast unmöglich ist. In der Hoffnung jeden Moment eine Entscheidung zu bekommen, aktualisiere ich alle paar Minuten die Homepage der Universität, des IMPPs (Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen) und des BVMDs (Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland). 

Wie geht es dir im Moment?

Ich fühle mich Stich gelassen! Es wird uns zugesichert, dass uns keine Nachteile entstehen werden. Das ist einfach nur tragisch komisch, wenn ich nach so einer Aussage den Gesetzesentwurf durchlese. Jeder Punkt birgt einen Nachteil für uns! 

Eine Sache zum Schluss: Wenn ein schriftliches Staatsexamen mich zu einem besseren Mediziner macht, dann sollten auch die Verantwortlichen alles dafür geben, dass ich dieses unter fairen und humanen Bedingungen ablegen kann!


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