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Mythos Luft- und Raumfahrttechnik Ab ins All!

Ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik - ist das so, wie man es sich vorstellt? Technikfreaks, die an Raketen und Satelliten basteln, Pioniere, die in fremde Welten vordringen und die Grenzen des technisch Machbaren sprengen?

Von: Friederike Kühn

Stand: 26.11.2020 | Archiv

Ab ins All!: Mythos Luft- und Raumfahrttechnik

Ingenieurskunst unter Extrembedingungen – das ist die Luft- und Raumfahrttechnik auf jeden Fall. Der Luftwiderstand beim Fliegen, das Vakuum oder die außergewöhnliche Hitze und Kälte im Weltall stellen besondere Herausforderungen an die Technik. Genau das reizt Florian, Masterstudent im Fach Aerospace an der Technischen Universität München:

"An dem Tag, an dem man einen Satelliten ins All schießt, muss alles passen. Man kann ihn ja nicht mehr zurückholen. Und das erfordert ein gehöriges Maß an Perfektion – das ist ein hoher Anspruch, den man an sich und seine Arbeit stellen muss."

Florian, Master Aerospace, TU München

Die Luft- und Raumfahrttechnik ist ein Spezialgebiet des Maschinenbaus. Man kann das Fach an mehreren Universitäten und Hochschulen in Deutschland studieren. Bevor man aber tiefer in den Bau und die Entwicklung von Raketen, Satelliten oder Flugzeugen einsteigt, muss man die Grundlagen des klassischen Maschinenbaus erlernen. Deswegen bieten etwa die technischen Universitäten München und Berlin Luft- und Raumfahrtechnik erst im Master an. Ab dem Wintersemester 2021 soll es in München allerdings auch einen Bachelor Aerospace geben.

Welche Fähigkeiten sollte man für einen Ingenieur oder eine Ingenieurin in Luft- und Raumfahrttechnik mitbringen?

Eine Affinität zu Technik sollte man haben. Aber ein Crack in Mathematik und Physik muss man in der Schule nicht gewesen sein, findet Laura, ebenfalls im Master Aerospace:

"Es ist bestimmt von Vorteil, wenn man mathematisch begabt ist und sich mit Zahlen und Formeln nicht ganz schwertut. Aber die Schulmathematik und das, was man an der Uni macht, sind schon sehr verschieden. Es kommt gar nicht so darauf an, was man aus der Schule mitbringt, sondern wie man an Probleme rangeht und dass man sich nicht entmutigen lässt."

Laura Hannemann, Master Aerospace Technische Universität München

Theoretisches und praktisches Wissen in Projektgruppen vertiefen

Laura und Florian arbeiten bei MOVE mit, einer Projektgruppe am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik, die Satelliten baut und entwickelt. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Arbeit muss von den Studierenden in der Freizeit erbracht werden.

"Wenn man früh genug anfängt, bei so einem Projekt mitzumachen, dann schafft man es vielleicht, dass man den ganzen Weg, vom Konzept bis zum fertigen Satelliten, begleiten kann. Das ist schon ein irres Gefühl, wenn man weiß, dass man schon im Studium ein Stück Technik mitgestaltet hat, das am Ende im Orbit ist."

Laura Hannemann, Masterstudentin Aerospace Technische Universität München

Laura war vor Ort als MOVE-II von Russland aus ins All geschossen wurde. Die Daten, die der Satellit aus dem Weltall sendet, werden im Kontrollraum der Hochschule abgegriffen und verarbeitet. Er hat neuartige Solarzellen an Board, deren Effizienz unter Weltraumbedingungen getestet werden sollen. Sich an freiwilligen Projekten wie diesen zu beteiligen, ist sinnvoll, weil die Studierenden hier das theoretische Wissen aus den Vorlesungen und Seminaren mit der Praxis verbinden können. Das gilt auch für den Bereich Luftfahrt. Tessa ist im gleichen Master-Studiengang wie Florian und Laura, mit Raumfahrt hat sie aber weniger zu tun.

"Das Fliegen ist schon immer meine größte Faszination gewesen. Ich hab‘ schon zu Schulzeiten eine Hobbylizenz für Segelflugzeuge gemacht und da war es für mich einfach naheliegend, dass ich später im Bereich Luft- und Raumfahrttechnik arbeiten möchte."

Tessa Weigelt, Master Aerospace Technische Universität München

Tessa engagiert sich bei der "Akaflieg", einer Gruppe Studierender, die Motor- und Segelflugzeuge baut und entwickelt. Besonders interessiert sie sich für die Aerodynamik, also für die Luftströmungen, die beim Fliegen am Flugzeug auftreten. Später will sie im Bereich Flugzeugtestung arbeiten. Viele Tests sind nötig, bevor ein Flieger zum ersten Mal abheben darf. Von den Erfahrungen in der "Akaflieg" kann Tessa enorm profitieren:  

"Wir bauen hier keine Seifenkisten, sondern wir müssen dieselben Anforderungen erfüllen wie sie auch ein Serienflugzeughersteller erfüllen muss. Den Prototypen, den wir gebaut haben, mussten wir im Vorhinein schon einmal bauen und in Versuchen bis zum Bruch belasten, um wirklich sagen zu können, was hält unsere Struktur, die wir gebaut haben. Werden die Lasten, die wir errechnet haben, auch wirklich in der Realität erreicht? Es muss nachgewiesen werden, dass das Flugzeug auch sicher betrieben werden kann."

Tessa Weigelt, Master Aerospace Technische Universität München

Luft- und Raumfahrt – ein weites Feld

Das Fach Luft- und Raumfahrttechnik deckt ein weites Feld ab. Je nach Interesse können die Studierenden Schwerpunkte setzen, ob im Bereich Luftfahrt, in der Raumfahrt oder in beiden Disziplinen. Dazu gehört auch Raketenbau und Triebwerkstechnik. Und so gibt es an der Technischen Universität München eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe, die sich mit der Entwicklung von experimentellen Höhenraketen beschäftigt, die WARR.

Gemeinsam ist all‘ diesen Projekten: Hier sind die Luft- und Raumfahrttechniker*innen nicht nur unter sich. Damit ein Satellit die Erde verlässt und zuverlässige Daten liefert oder ein aerodynamisch optimal gebautes Flugzeug abheben kann, sind Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen nötig. Und so arbeiten die Luft- und Raumfahrttechniker*innen projektweise mit Studierenden aus den Bereichen Physik, Elektrotechnik oder Informatik zusammen.

Mit ihren Fluggeräten wollen Luft- und Raumfahrttechniker*innen in fremde Welten vordringen, Pionierarbeit leisten, technische Lösungen finden, die den extremen Bedingungen beim Fliegen oder im Weltall standhalten können. Mit ihrem Knowhow sind sie am Ende nicht nur in der Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie, sondern auch in der Automobilbranche gefragt.

 


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