Teilstudienplatz Medizin Warum man trotz bestandenem Physikum von der Uni fliegt
Entweder man hat ein Einser-Abi oder viel Zeit. Bis zu 14 Semester müssen Abiturienten mit Zweier-Schnitt auf das Medizinstudium warten. Manche bekommen einen Teilstudienplatz. Und nach einigen Semestern riesige Probleme.
Teilstudienplatz - Probleme sind vorprogrammiert.
Jana Lang wusste schon zu Schulzeiten: Sie will Ärztin werden. Und hat sich von diesem Berufswunsch auch nicht abbringen lassen, als sie kein Einser-Abitur hingelegt hat. Und so begann sie erstmal eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin und dann zur Rettungsassistentin. Sammelte dabei praktische Erfahrung. Und wurde in ihrem Berufswunsch bestärkt.
Teilstudienplatz Medizin führt zur Zwangsexmatrikulation nach dem Physikum.
Dann endlich, vor zweieinhalb Jahren. Die Zusage für Medizin. Ein Teilstudienplatz an der Philipps-Universität im hessischen Marburg. Die Münchnerin wusste natürlich: der im Losverfahren zugeteilte Platz berechtigt nur zum Studium bis zum Physikum. Aber endlich Anfangen! Nach der Zwischenprüfung mit guten Noten wurde Jana zwangsexmatrikuliert. Das wusste sie von Anfang an und war trotzdem enttäuscht.
"Ich habe die Vorklinik relativ gut über die Bühne gebracht und dann erfahren, dass man an keiner einzigen Uni in Deutschland einen Platz bekommt, war schon sehr enttäuschend, und auch sehr frustrierend."
Jana Lang, Teilstudienplatzstudentin nach dem Physikum
Klinisches Studium ist an deutschen Universitäten ein Kapazitätenproblem.
Der Grund: Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1971. Es verpflichtet die Hochschulen, möglichst viele Studienplätze anzubieten. Im klinischen Teil der Ausbildung hat Marburg nicht so viele Plätze wie beim vorklinischen Studienabschnitt. Denn die Kapazitäten beim Unterricht am Patientenbett lassen sich nicht so leicht erweitern wie bei einer Vorlesung.
Campus Magazin wollte wissen, ob das sinnvoll ist, Studenten erst zuzulassen und sie nach bestandener Zwischenprüfung zu exmatrikulieren.
Der hessische Wissenschaftsminister verweist auf die Autonomie der Hochschulen. Die Präsidentin der Uni Marburg betont:
"Wer einen Teilstudienplatz annimmt, weiß, dass das Risiko besteht, nicht unmittelbar weiterstudieren zu können."
Prof. Dr. Katharina Krause, Präsidentin Universität Marburg
Das stimmt, hilft aber den Teilstudienplatzstudenten nicht weiter. Moritz Oehme hat nach dem Physikum ein Jahr nicht gewusst, wie es mit ihm weitergeht. Ein Jahr, das für ihn ganz schwierig war.
Trotzdem würde er wieder auf einem Teilstudienplatz beginnen. Denn für alle ohne Einser-Abi ist das Losverfahren die einzige Chance, schnell mit dem Medizinstudium beginnen zu können. Oehme, der nach einem Jahr Pause wieder weiterstudieren konnte, hofft, dass bei der geplanten Studienreform das Zulassungsverfahren geändert wird.
"Die Erfahrungen mit uns zeigen doch, dass man auch ohne Einserabitur sehr gut und erfolgreich Medizin studieren kann."
Moritz Oehme, Medizinstudent
Teilstudienplatzstudenten müssen sich nach bestandenem Physikum meist nochmal mit der Abi-Note für das Weiterstudium in Medizin bewerben.
Auch Jana Lang ist davon überzeugt. Sie hat schon während des vorklinischen Abschnitts unzählige Bewerbungen geschrieben. Da jede der über 30 medizinischen Fakultäten in Deutschland ihr eigenes Verfahren hat, hat die 25 jährige viel Zeit damit verbracht. Und sich immer wieder geärgert, dass bei den meisten Hochschulen nicht die aktuellen Noten der Vorklinik oder jetzt das bestandene Physikum zählen, sondern die Abi-Note ausschlaggebend ist.
Zulassung zum Weiterstudium in Medizin nur noch per Klage?
Ist es sinnvoll in Medizin Teilstudienplätze zu finanzieren aus denen keine Perspektive auf ein Weiterstudium erwächst?
Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, hat Jana Lang finanziell unterstützt von ihren Eltern einen Anwalt engagiert. Der versucht jetzt, an vier Universitäten für sie einen Studienplatz einzuklagen. Dabei muss es ihm gelingen nachzuweisen, dass die Hochschule ihre Ausbildungskapazität falsch berechnet hat. Vor Jahren hatten diese Klagen großen Erfolg, mittlerweile sind die Chancen stark gesunken. Weniger als einer von 5 schafft es. Denn auch wenn Unis mehr Plätze anbieten müssen, so werden diese unter den Klägern verlost. Außerdem ist der Rechtsweg ziemlich teuer: Pro Klage kostet ein Verfahren mit Anwaltskosten 1300 Euro. Wie groß das Problem mittlerweile ist, zeigt der Blick auf die Zahlen.
Niedersachsen, dessen Universität in Göttingen jedes Semester ebenfalls Teilstudienplätze vergibt, will Konsequenzen ziehen.
Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić will im Gegenzug bis 2018 zusätzliche Vollstudienplätze schaffen. Für Jana kommen die vermutlich zu spät. Sie hofft jetzt auf den Erfolg ihres Anwalts und ihre Bewerbungen für das Sommersemester. Ob sie dann wieder einen Studienplatz hat, entscheidet sich bis Anfang April.