Größte Studentenproteste Von Spargelessen bis Spar Wars
Wenn Studenten protestieren, geht's gern progressiv zu. Doch Studentenproteste haben Tradition. Dieser Zeitstrahl zeigt die wichtigsten Protestbewegungen: von den Burschenschaftlern, über "68" bis zum Bildungsstreik.
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1817
1817
Wartburgfest
Heute demonstrieren Linke und Studenten gegen Burschenschaftler. Doch vor rund 200 Jahren galten die Burschen als Avantgarde progressiver Proteste. Freiheit und Nationalstaat gingen damals als Forderungen Hand in Hand. Und der Wiener Kongress war in beiderlei Hinsicht eine Enttäuschung. Am 18. Oktober 1817 trafen sich etwa 500 Studenten, damals immerhin ein Achtel der Studentenschaft, auf der Wartburg bei Eisenach und forderten einen rechtsstaatlichen Nationalstaat mit konstitutioneller Monarchie sowie grundlegende Rechte wie Eigentumsgarantie, Pressefreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz.
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1934
1934
Göttinger Krawalle
Die Burschenschaftler lehnten sich gegen das NS-Regime auf – in erster Linie aber, weil sie ab 1934 immer stärker unter Druck gesetzt wurden, um sie in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) einzugliedern. Denn zugleich waren zahlreiche Verbindungsstudenten Anhänger von nationalsozialistischen Ideen. Anfang Juni 1934 wurden von den Grundstücken der Verbindungen Fahnen entwendet. Aus Protest traten daraufhin alle Verbindungsstudenten öffentlich mit Couleur auf und verspotteten die NSDStBler. Diese schlugen zurück, später griffen auch SS, Hitlerjugend und Polizei ein.
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1935
1935
Heidelberger Spargelessen
Bei aktuellen Studentenprotesten marschieren die meist adeligen Mitglieder des Heidelberger Corps "Saxo-Borussia" nicht mehr in erster Reihe. Sie gelten selbst unter Corps-Studenten als konservativ. Als aber die Corps unter Hitler gleichgeschaltet werden sollten, leisteten die Borussen Widerstand: Mitglieder des Corps störten die Radio-Übertragung einer Hitler-Rede. Wenige Tage später fiel bei einem Spargelessen dann der berühmte Satz: Hitler habe "ein so großes Mundwerk, dass er den Spargel quer essen könnte". Die Saxo-Borussia wurde verboten.
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1943
1943
Weiße Rose
"Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!", lautete die Botschaft im fünften Flugblatt der wohl bekanntesten Widerstandsbewegung im Nationalsozialismus, der „Weißen Rose“ um die Geschwister Sophie und Hans Scholl. Die beiden Studierenden hatten die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers nicht hinnehmen wollen, kämpften für Frieden und Freiheit, und wurden dafür von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt. „Es lebe die Freiheit“, war der letzte Satz von Hans, bevor er seinen Kopf unter das Fallbeil legen musste. Seine jüngere Schwester Sophie war da schon tot.
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1968
1968
Die 68er
DIE Mutter linker Studentenproteste. Oft besungen, beschrieben, verfilmt, zum Mythos verklärt. Der Held: Rudi Dutschke, der Feind: das Establishment, müffelnde Talarträger, die BILD und die prüde Sexualmoral der 50er. Und die Bewegung war vielschichtig: Pazifismus gegen Vietnamkrieg, Feminismus, Frankfurter Schule und kommunistisches Gedankengut spielten eine Rolle. Die große Besonderheit aber war die entschiedene Forderung nach Aufarbeitung der Nationalsozialistischen Schreckensherrschaft – der wohl größte Erfolg der 68er.
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1976
1976
Ersatzgeld-Kampf und Berufsverbotestreik
Anstoß der Proteste waren ausufernde Berufsverbote gegen vermeintliche Marxisten, vor allem Vertreter der grün- und linksalternativen Bewegung, die in den Staatsdienst wollten. Selbst die gemeinhin weniger demonstrationsfreudigen Naturwissenschaftler gingen auf die Straße, besonders in Baden-Württemberg. Dort sollten Naturwissenschaftler die Mehrkosten ihrer teureren Ausbildung selbst tragen – durch Studiengebühren. Mit einem Rückmeldeboykott beschworen die Studierenden das Schreckgespenst eines Ingenieurmangels im Land der Autobauer. Die Politiker knickten ein.
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1988
1988
UNiMUT
Ausgangspunkt der UniMut-Proteste war die als protestfreudig bekannte Freie Universität Berlin. Die Proteste griffen bald auf die nicht minder protestfreudigen Studierenden im schönen Marburg und im noch schöneren und ebenso protestfreudigen Frankfurt am Main über. Die Demonstranten erreichten unter anderem studentisch verwalteten Projekttutorien, die aber 2002 wieder abgeschafft wurden. Der damals ebenfalls eingeführte Reformstudiengang Humanmedizin half, die Studienbedingungen angehender Ärzte zu verbessern.
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1997
1997
Lucky Streik
Der Studentenstreik 1997 gilt als bis dahin größte Studentenprotest seit der 68er-Bewegung. Die von Gießen ausgehende Demonstrationswelle richtete sich gegen die Unterversorgung der Universitäten. Am 27. November demonstrierten 40.000 Studierende im Bonner Hofgarten. Danach ebbte die Protestwelle ab. Während einzelne Hochschulen Forderungen der Studierenden erfüllten, gelang es dem selbst ernannten "Zukunftsminister" Jürgen Rüttgers (CDU) und Kanzler Kohl die Proteste auszusitzen.
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2003
2003
Spar Wars
Spar Wars ist der bislang wohl kreativste Slogan der Studentenproteste. Ende 2003 demonstrierten aufgebrachte Studierende zeitgleich in vielen deutschen Städten. Sie wollten Studienzeitkonten und Studiengebühren verhindern. Zumindest in Berlin gelang das auch. Sparen mussten dort stattdessen die Unis: rund 75 Millionen Euro bis 2009.
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2005
2005
Summer of Resistance
Im Mai 2005 protestierten Tausende Studierende gegen die vielerorts geplanten Studiengebühren. Protesthochburg war das beschauliche Freiburg im Breisgau, wo Studierende für 13 Tage das Rektorat besetzten. In Hamburg ließ die CDU-geführte Landesregierung den Protest von der Polizei auflösen. Die Studiengebühren konnten die Studierenden auch nicht aufhalten. Sie wurden in vielen Bundesländern eingeführt, sind inzwischen aber überall wieder abgeschafft, nachdem die verantwortlichen Politiker an den Wahlurnen Denkzettel erhalten haben.
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2009
2009
Bildungsstreik
Beim Bildungsstreik 2009 demonstrierten deutschlandweit rund 200.000 Studierende gegen die Folgen der Einführung von Bachelor und Master-Studiengängen. Gefordert wurden die Abschaffung von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen, weniger „Verschulung“, mehr Master-Plätze, größere Mitspracherechte, weniger Wirtschaftseinfluss und bessere Lehrbedingungen. Die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan nannte die Proteste „gestrig“. Dennoch erreichten die Studierenden unter anderem, dass Prüfungslasten in Bachelor und Master reduziert wurden.