Studium gestern und heute Im Wandel: Beliebteste Studiengänge an deutschen Hochschulen
Noch nie gab es so viele Studierende an deutschen Hochschulen wie in den 2020er Jahren. Die Studiengänge, die sie dabei belegen, spiegeln deren wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Relevanz wider – die Studienwahl befindet sich im Wandel der Zeit.
Welche die beliebtesten Studiengänge an deutschen Universitäten sind, hat sich im Laufe der Jahre verändert. Und sie spiegeln mehr als nur vordergründig die Interessen der Studierenden. Sie zeigen auch, welchen gesellschaftlichen Stellenwert die Bildung und Ausbildung in den einzelnen Fächern genießt und welches gesellschaftliche Image mit der Ausübung akademischer Berufe verbunden wird. Das Image der Berufe konstituiert sich aus deren wirtschaftlicher Relevanz und deren gesellschaftlich, soziokulturellen Stellenwert. So suchen auch Abiturientinnen und Abiturienten seit jeher mit bestandener Hochschulreife Studiengänge, die ihnen nach dem Studienabschluss ein einigermaßen interessantes, einträgliches und auch sicheres berufliches Betätigungsfeld versprechen.
Studienzweck - sozialer Aufstieg und gesellschaftliches Image
Überproportional viele der Studierenden stammten noch in den 1980er Jahren aus Akademikerfamilien. Das Studium sollte die weitere Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Oberschicht sichern. Viele, die z.B. in den 1980er Jahren Jura studierten, rechneten damit Karriere zu machen. Jura war das Studienfach, dass gesellschaftliches Image und guten Verdienst versprach. Ähnliche Beweggründe gab es für das Fach Medizin. Untersuchungen zeigen, dass für rund 20 Prozent der Medizinstudierenden der später zu erwartende Verdienst die Entscheidung für den Studiengang Humanmedizin ausschlaggebend beeinflusste. Für 40 Prozent war die zu erwartende finanzielle Absicherung wichtig, wobei das fachliche Interesse und die Aussicht beruflich anderen helfen zu können, bei allen Studierenden eine wichtige Rolle spielte.
Die Germanistik zehrte damals noch vom politischen Image, das das Fach durch die 1968er-Generation erhalten hatte und welches bis weit in die 1970er Jahre Geltung behielt. Erst gegen Ende des Jahrzehnts entwickelten sich die Zahlen der Studierenden im Fach Germanistik rückläufig. Viele der Absolventinnen und Absolventen hatten Schwierigkeiten in einen Beruf zu finden und so verlor das Fach an Zuspruch, ein Umstand, der erst mit den Studienreformen Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre behoben wurde.
Dagegen gewann die Betriebswirtschaftslehre als Vorbereitung auf ein breit gefächertes berufliches Betätigungsfeld an Bedeutung. Dieses ökonomische Arbeitsfeld war vorher zwar schon vorhanden, aber nicht mit der so umfassenden und auch international anmutenden Perspektive. Die sich verstärkende globale Vernetzung der Weltwirtschaft versprach nach dem Studium einen Einstieg in die Chefetagen der Konzerne und in ein internationales Betätigungsfeld, das weit über die Übernahme des elterlichen Betriebes oder die Leitung einer mittelständischen Firma hinausreichte.
Wirtschaft und Digitalisierung als gesellschaftliche Motoren
Aktuell 2023 stellt sich das Bild anders dar. Die Betriebswirtschaftslehre ist an die erste Stelle der beliebtesten Studienfächer gerückt. Die wirtschaftlichen Beschäftigungsfelder sind in einem rasanten Prozess der Diversifikation begriffen. Ständig werden neue Arbeitsfelder erschlossen, die betriebswirtschaftliches Knowhow erfordern. Die Studierendenzahlen spiegeln auch den gesellschaftlichen Stellenwert wider, den die Digitalisierung inzwischen in allen gesellschaftlichen Belangen einnimmt. Längst hat das Studienfach Informatik in all ihren Spezialisierungen die Elektrotechnik der 1980er Jahre beim Stellenwert abgelöst. War Informatik in den 1980er Jahren ein Bereich, der nur einem geringen Anteil der Bevölkerung zugänglich war, durchdringt er heute die Lebenswelten der Menschen oft bis in die intimen Details und erfährt dadurch ständig wachsende gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Relevanz. Gefühlt täglich werden durch die Digitalisierung und Weiterentwicklung wirtschaftlicher Prozesse neue Arbeits- und Geschäftsfelder erschlossen.
Das Interesse am Menschen hat bei den jungen Menschen im Vergleich zu den 1980er Jahren dabei keinesfalls abgenommen. Das zeigen nicht nur die Studierendenzahlen im Fach Medizin. Vielmehr haben sich die den Menschen betreffenden Arbeitsfelder über die Medizin hinaus diversifiziert. Neue Berufsfelder und Berufe haben sich etabliert, in der Psychologie, in der Sozialarbeit.
Bildung ist Wirtschaftsfaktor
Chancengleichheit auf Bildung garantiert die Zufriedenheit und die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. In den 1950er Jahren hatte die Bundesrepublik daher massiv in die schulische Bildung und akademische Bildung investiert und so einen Beitrag geleistet, dass das Wirklichkeit werden konnte, was wir im Rückblick als „Wirtschaftswunder“ bezeichnen.
Heute stehen wir vor einer neuen Herausforderung. Die Digitalisierung hat das Potential alle anderen gesellschaftlichen und ökonomischen Lebensbereiche zu durchdringen. In den nächsten Jahren ist daher weiter mit einer rasanten Diversifizierung der Arbeitsfelder gerade im Bereich der Informatik zu rechnen. In wenigen Jahren könnte die Informatik als beliebtestes Studienfach alle anderen Fächer überholt haben.