Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt, Klassischer Philologe Wie Papyri zeigen können, was Griechen und Römer uns nicht wissen ließen
Die aus der Sumpfgraspflanze Papyrus hergestellten Schriftrollen, waren der wichtigste Beschreibstoff der Antike. Der klassische Philologe und Papyrologe Jürgen Hammerstaedt von der Universität Köln erforscht, was antike Papyrus-Schriften erzählen.
Die allermeisten erhaltenen Papyri haben im trockenen Boden Ägyptens überlebt, in Europa fast nur im italischen Herculaneum. Herculaneum wurde zusammen mit Pompei 79 n. Chr. vom Vesuv verschüttet. Luftdicht versiegelt, erhielten sich hunderte verkohlter Buchrollen. Ausschachtungen Mitte des 18. Jahrhunderts bescherten der Welt diese früheste neuzeitliche Papyrussammlung.
Papyrologie als Wissenschaft entwickelte sich aber erst allmählich. Eine Initialzündung war Napoleons von Forschern begleiteter Ägyptenfeldzug. Dadurch nahm zunächst die Ägyptologie einen gewaltigen Aufschwung, Papyrusfunde waren anfangs nur Beifang. Das änderte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert mit gewaltigen Papyrusfunden, die jetzt den Grundbestand der bedeutendsten Papyrussammlungen in Paris, Berlin, London, Oxford und Wien und vielen weiteren Standorten in Europa und Amerika bilden. In den 1960er und frühen 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Südägypten und der Sudan vor ihrer Flutung durch den Nasserstausee in internationalen Notgrabungen durchkämmt. So kamen noch einmal viele Papyri zum Vorschein.
Der Papyrologie geben die vorhandenen Papyrusschätze in Europa und Amerika noch viel zu tun. Denn den ca. 50.000 publizierten Texten steht eine vielleicht 10mal größere Menge unpublizierten Materials gegenüber.
Jürgen Hammerstaedt ist Professor für Klassische Philologie und Papyrologie an der Universität zu Köln und leitet die dortige Arbeitsstelle für Papyrologie, Epigraphik und Numismatik sowie das Akademienprojekt „Sammlung, Kommentierung und Herausgabe von Papyrusurkunden“ der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Das Projekt ist Bestandteil des sog. Akademienprogramms, dem größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland. Es wird von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert. Erste Erfahrungen mit antiken Papyri machte er als Doktorand während eines Auslandsjahrs in Oxford. Einige Jahre lang hat er in Neapel die verkohlten herkulanesischen Papyrusrollen mit ihren philosophischen Texten untersucht. Zudem bearbeitete er Papyrustexte, die die frühen Entwicklungsstufen der griechischen Meßliturgie der Christen dokumentieren, und beteiligte sich nach der Berufung auf seine erste Professur an der Universität Jena an der Erschließung der mitteldeutschen Papyrussammlungen in Jena, Halle und Leipzig. Im letzten Jahrzehnt hat er auch in der Türkei bei der Untersuchung der größten bekannten Inschrift der antiken Welt und der Entdeckung neuer Teile von ihr mitgewirkt.