Immanuel Kant Freier Geist mit festem Wohnsitz
In einer Bühnenkomödie wäre Immanuel Kant die Idealbesetzung des deutschen Stubengelehrten gewesen: Jeden Nachmittag um Punkt halb vier soll der schmächtige Gelehrte im grauen Rock genau acht Mal die nahe gelegene Lindenallee rauf und runtergestiefelt sein. Seine Runden drehte er bei jedem Wetter und so pünktlich, dass die Nachbarn ihre Uhren nach ihm stellen konnten. Um sich bei seinem flotten Spaziergang bloß nicht zu erkälten, hielt er seinen Mund die ganze Zeit fest verschlossen.
Armer Hauslehrer mit Allüren
Der große Denker war als Mensch wohl ein wenig kauzig. Auf seinem klein gewachsenen Körper trug er einen großen Kopf. Vor seinen Studenten versprach er sich oft und redete viel zu leise, als dass man seiner Vorlesung gänzlich hätte folgen können. Doch mit seinen Ideen und Gedanken hat er europäische Geschichte geschrieben.
Er selbst kam aus armen Verhältnissen. Sein Vater verstarb früh und Immanuel musste bereits mit 22 Jahren als Hauslehrer arbeiten, um den Lebensunterhalt der kinderreichen Familie sicherzustellen. Mit 31 Jahren wurde er Privatdozent und lehrte vor allem Mathematik, Geografie, Naturrecht, Theologie und Philosophie. Doch von seinem mageren Einkommen konnte er sich selbst als ordinierter Professor für Metaphysik und Logik kaum über Wasser halten.
Sperrige Lektüre für Querdenker
1781 veröffentlichte er dann seinen knapp 900-Seiten Wälzer "Die Kritik der reinen Vernunft". Es war der ganz große Wurf. Kant wurde damit berühmt und verdrehte der europäischen Denkerelite den Kopf - auch wenn seine Zeitgenossen mit der sperrigen Lektüre ihre Schwierigkeiten hatten. Sein Grundgedanke hat den "Deutschen Idealismus" ausgelöst, die wohl größte Epoche der deutschen Philosophie, die in Fichte, Schelling und Hegel ihre wichtigsten Vertreter fand.
Der Mensch rückt in den Mittelpunkt
In seiner "Kritik der reinen Vernunft" untersuchte er die nur aus sich selbst schöpfende, sich nichts aus der Erfahrung holende Vernunft. Er stellt fest, dass die äußeren Gegenstände nicht an sich gegeben sind, sondern erst in unserer Wahrnehmung entstehen: Nur durch das erkennende Subjekt und durch die Rahmenbedingungen von Raum und Zeit erscheinen die Dinge.
Dabei unterscheidet er aber zwischen der "Welt der Erscheinungen" und dem "Ding an sich". Nur die "Welt der Erscheinungen" kann der Mensch begreifen. Die "Dinge an sich" - wozu er die Fragen nach einem Gott und dem Wesen der Seele zählt - kann der Mensch hingegen nur denken, aber nicht erkennen.
"Kritische Periode" in Königsberg
Mit dem Werk begann seine "kritische Periode", wobei zu Kants Zeit der Begriff "Kritik" eher "Analyse" bedeutete. Es folgten - neben zahlreichen weiteren Schriften - "Die Kritik der praktischen Vernunft" und "Die Kritik der Urteilskraft". Den Großraum Königsberg, das heutige Kaliningrad, hat der Philosoph wohl nie verlassen. 1724 in der Stadt an der Ostsee geboren, ist er dort am 12. Februar 1804 im Alter von 79 Jahren im Schlaf verstorben.