Antisemitismusvorwürfe AfD drückt sich um Entscheidung
Die AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg hat eine Entscheidung über den Ausschluss ihres Mitglieds Wolfgang Gedeon bis Herbst vertagt. Gutachter sollen jetzt prüfen, ob umstrittene Schriften Gedeons antisemitisch sind oder nicht. Die Entscheidung ist eine Niederlage für Fraktionsschef Meuthen.
Der baden-württembergische AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen hat sein Ziel erreicht. Zumindest sieht er das selbst so. Nach der Entscheidung seiner Fraktion, den Ausschluss ihres Mitglieds Wolfgang Gedeon bis September zu vertagen, sagte Meuthen:
Meuthen hatte eigentlich gedroht, selbst zurückzutreten, wenn Gedeon nicht aus der Fraktion ausgeschlossen werden sollte. Die Entscheidung jetzt sieht allerdings vor, dass Gedeon sein Amt behält. Er lässt es aber ruhen und soll vorerst nicht mehr an Fraktionssitzungen teilnehmen. Auch in Ausschüsse und Arbeitskreise wird er nicht mehr entsandt. Bis September sollen drei Gutachten prüfen, ob Gedeons Schriften tatsächlich als antisemitisch einzustufen sind, dann soll endgültig entschieden werden.
Antisemit im Landtag?
Die Entscheidung ist ein Kompromiss, mit dem Meuthen nach außen sein Gesicht wahrt. Durchgesetzt haben sich allerdings andere. Seine Stellvertreter in der Fraktion, Emil Sänze und Rainer Balzer und der parlamentarische Geschäftsführer der Partei Bernd Grimmer hatten ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten gefordert, bevor sie über einen Parteiausschluss Gedeons entscheiden wollten. Auch die Chefin der Bundes-AfD kann die Entscheidung als Erfolg verbuchen. Frauke Petry hatte Meuthen vorgeworfen, den Streit über Gedeon von der Sachebene auf die persönliche Ebene verlagert zu haben. Meuthen habe ohne Rücksprache mit der Fraktion mit Rücktritt gedroht. Meuthen wollte zur Einmischung Petrys, die er als "nicht glücklich" empfand, am Dienstag nichts mehr sagen. Er rechne durch das beschlossene Gutachten nicht mit wesentlich neuen Erkenntnissen, er wolle aber "lernfähig" bleiben, sagte Meuthen.
Gauland: "Wenn das kein Antisemitismus ist ..."
Anfang Juni hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, dass der AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon in einem 2012 erschienenen Buch den Holocaust-Leugner Horst Mahler als "Dissidenten" geadelt und den Holocaust als "gewisse Schandtaten" und "Zivilreligion des Westens" bezeichnet hatte. Der Zentralrat der Juden hatte daraufhin den Ausschluss Gedeons aus dem Landtag gefordert. Auch Ministerpräsident Kretschmann hatte sich der Forderung des Zentralrats angeschlossen.
Dass der Antisemitismusvorwurf nicht aus der Luft gegriffen ist, das sehen allerdings auch jetzt schon führende AfD-Funktionäre so. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Alexander Gauland sagte, er sei überzeugt, dass die Affäre letztlich mit einem Ausschluss Gedeons aus der Fraktion enden werde. Er wolle den Gutachten nicht vorgreifen, "aber wenn das kein Antisemitismus ist, dann weiß ich gar nicht, was denn überhaupt Antisemitismus sein soll", sagte Gauland. Auch der stellvertretende Sprecher der AfD in Baden-Württemberg, der promovierte Philosoph Marc Jongen, hatte am Montag in der rechtskonservativen Zeitung "Junge Freiheit" dargelegt, warum er der Auffassung ist, dass Gedeons Texte antizionistisch und ja, auch antisemitisch, sind.
"Den Einfluß des 'Judaismus' wittert Gedeon mit dem Instinkt eines Großinquisitors hinter jedem gedanklichen oder politischen Schritt, der die moderne Welt mit ihrem säkularen Rechtsstaat und ihrer Demokratie, ihrer liberalen Marktwirtschaft und ihren freien, mündigen Bürgern aufzubauen geholfen hat."
BW-AfD-Sprecher Marc Jongen in der 'Jungen Freiheit'
Parallellen zum Chefideologen der Nazis
Jongen sieht sogar eindeutige Parallellen zwischen den Texten Gedeons und den Schriften des NSDAP-Chefideologen Afred Rosenberg. Ein Fraktionsausschluss Gedeons sei deshalb der einzige Weg um dauerhaften Schaden von der AfD als "als freiheitlicher, demokratischer und rechtsstaatlicher Partei" abzuwenden.
Die Entscheidung der AfD-Fraktion, erst im Herbst über einen Fraktionsausschluss Gedeons zu entscheiden, darf vor diesem Hintergrund als Kompromiss gewertet werden, mit dem die AfD zuerst innerparteilichen Streit vermeiden will. Ob diese Entscheidung wirklich glücklich ist, wird sich zeigen. Zumindest bis September sitzt jetzt ein Mann für die AfD im Landtag, den zwei von fünf Bundesvorsitzenden öffentlich als Antisemiten bezeichnen.