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Nach dem Amoklauf von München Die innere Sicherheit

Das Gefühl der Unsicherheit nach dem Amoklauf von München, es ist fast unerträglich. Was wir jetzt suchen und brauchen ist mehr innere Sicherheit. Nicht nur über mehr Polizei, mehr Prävention und so weiter, sondern über unsere innere Haltung. Eine Einschätzung von Steffen Jenter.

Stand: 23.07.2016

Schüsse am OEZ-München  | Bild: BR7Felix Hörhager

Über die Besinnung auf das, was zählt in unserer Gesellschaft und auf die Frage, wie wir miteinander umgehen wollen. Das klingt gut, und ist doch unendlich schwer, wenn es konkret wird. Da steht man als Vater, liest die ersten Eilmeldungen, versucht zu verstehen, zu begreifen und zu verarbeiten und dann kommt schon die eigene Tochter mit dem Handy.

Zeigt einem all die Filme vom Tatort, die ganz schnell in die WhatsApp-Gruppe der Schulfreundinnen gepostet wurden. Hat Fragen, hat Angst, will Antworten und Trost. Und dann steht man da und sucht nach den richtigen Worten. Die man doch sonst so schnell hat – gerade als Journalist. Und dann gibt es erst mal keine, und man muss sich irgendwie behelfen. Die Unsicherheit, das Unfassbare gemeinsam aushalten. Zusammenrücken. Trost geben, wo es kaum welchen gibt.

Polizei findet richtige Tonlage

"Wichtig ist mir der Aspekt, dass man Ruhe bewahren sollte." Viel Lob gab es für Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins.

Es dauert nicht lange, da gibt es erste Zeichen, die wieder Mut machen. Und jetzt mit etwas Abstand sind sie noch viel ermutigender: Die Münchner Polizei und all die hinzugezogenen Sicherheitskräfte leisten einen großartigen Job. Sie sind schnell, sie sind umsichtig, sind offensichtlich vorbereitet auf ein solches Szenario. Die Vertreter der Polizei weisen über die sozialen Medien Sensationslustige in ihre Schranken, dementieren Gerüchte, mahnen zur Besonnenheit, kommunizieren offen und das gleich in mehreren Sprachen, genau in der richtigen Tonlage.

Die Münchner Polizei, sie scheint weiter als unsere zuletzt so aufgeregte Gesellschaft, die immer mehr zu vorschnellen Urteilen, zu Debatten auf AfD- und Pegida-Niveau neigt und dabei Toleranz und Mitmenschlichkeit allzu oft vergisst. Was wissen wir schon über den Amokläufer, den Islamisten oder die Flüchtlinge an sich? In den meisten Fällen viel zu wenig!

Zumindest über den einzelnen, der am Ende gefährlich wird. Nein, nicht alle sind sozial benachteiligt oder was auch immer… Theoretische Debatten über Leitkultur und ähnliches helfen nur bedingt weiter. Die größte Integrationsleistung und die beste Prävention findet vermutlich im Sportverein oder in der Nachbarschaft statt. Und wer ganz persönliche Probleme hat, der braucht natürlich professionelle Hilfe.

Ein starkes Zeichen der Münchner

Unzählige Münchner haben in der Nacht des Amoklaufs unaufgefordert ihre Häuser und Wohnungen geöffnet, um Menschen aufzunehmen, die sich in Sicherheit bringen wollten. Ein starkes, ein wichtiges, ein mutmachendes Zeichen. Genau der Weg, den wir jetzt weiter gehen sollten.  

Und ja: Wir brauchen eine starke, eine gut ausgerüstete, eine gut bezahlte und motivierte Polizei. In Würzburg, in München, in der ganzen Republik. Und zugleich sollten wir es auch aushalten, wenn jemand – wie nach dem Angriff von Würzburg - mal fragt, ob die Polizei  ihren Job immer richtig macht. Das mag in diesem Fall daneben gewesen sein, aber erlaubt sein muss eine solche Frage, und am Ende gibt’s halt eine klare Antwort.

Solidarität, Hilfsbereitschaft und eine möglichst liberale Einstellung machen unser Land stark und attraktiv. Freund-Feind-Denken, Ausgrenzung und Abschottung und der tägliche Glaube an den Untergang des Abendlandes machen uns schwach. Wir brauchen Mut und Vertrauen in die eigenen Werte und Ideen unserer Gesellschaft. Und wir müssen sie leben. Wenn wir uns darauf besinnen, dann ist sie da, die innere Sicherheit, die wir suchen. Da bin ich mir sicher.


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