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Umstrittene Satire über Flüchtlinge Empörung über Macher des Bundespresseballs

Ein offenbar satirisch gemeinter Beitrag im Almanach des Bundespresseballs hat für Empörung gesorgt. In dem Beitrag wird ein Schwimmkurs für Flüchtlinge angeboten. Der Vorstand der Bundespressekonferenz entschuldigt sich.

Von: Charlie Grüneberg und Marc Strucken

Stand: 30.11.2016 |Bildnachweis

Das Foto vom 30.11.2016 in Berlin zeigt eine Seite aus dem "Almanach" zum diesjährigen Bundespresseball. Die Satire über Schwimmkurse für Flüchtlinge im Mittelmeer hat Wirbel unter den Hauptstadtjournalisten ausgelöst. | Bild: dpa-Bildfunk/Kay Nietfeld

"Herzlich willkommen in der Schwimmschule Refugium" – so beginnt der Beitrag im diesjährigen Almanach des Bundespresseballs. Eine fiktive "Bundesbade-Agentur" bietet dabei für Babys, Kleinkinder und erwachsene Flüchtlinge Kurse an, damit "sie sich im Wasser immer sicher fühlen". Unter anderem soll es gehen um "Festhalten an Treibgut, Tauchen bei hohem Wellengang, Springen vom Schlauchbootrand und Atemtechniken bei Nacht und Kälte".

Menschenverachtend - oder zulässige Satire?

Viele Reaktionen auf den Text sind harsch: "Widerlich", "menschenverachtend", "geschmacklos" sind nur einige Einschätzungen im Kurznachrichtendienst Twitter. Viele Hauptstadtjournalisten befürchten auch, dass der Beitrag die Bundespressekonferenz schädigt, ein wichtiges und international einmaliges Instrument der Berichterstattung über die Regierungspolitik.

Es gibt aber auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die den Beitrag verteidigen: Satire dürfe "alles", außerdem sei nicht der Text menschenverachtend, sondern es seien die Umstände, die Menschen zu einer gefährlichen Flucht drängten und vom Westen gerne ausgeblendet würden.

Vorstand der Bundespressekonferenz entschuldigt sich

Die redaktionelle Abnahme des Almanach fällt in die Zuständigkeit des Vereins der Bundespressekonferenz. Dessen Vorstand traf sich am Nachmittag zu einer Sondersitzung. In einer Pressemitteilung bedauert er, "dass mit diesem Beitrag Gefühle und Wertvorstellungen verletzt worden sind. Dafür bitten wir um Entschuldigung."

Es sei die Absicht der Autoren gewesen, in überspitzender Form auf die Katastrophe von tausenden von Toten im Mittelmeer aufmerksam zu machen und zur Diskussion über das Schleusertum anzuregen, heißt es weiter. In einer redaktionellen Endabstimmung hätten Herausgeber und Redaktion seinerzeit mit Mehrheit entschieden, dass der Beitrag "die Grenzen der Satire zwar austestet, aber nicht überdehnt".

Autor verteidigt sich

Screenshot: Auf Twitter wird der Beitrag im "Almanach" diskutiert

Einer der Autoren, Jens Peter Paul, reagierte auf die Kritik noch in der Nacht auf seiner Facebook-Seite: "Tatsächlich ist das Stück ganz bitter und böse. Es ist anstößig. Es war Gegenstand mehrerer intensiver Diskussionen. Es gefällt mir selbst absolut nicht. Und lustig ist es erst recht nicht." Paul schreibt weiter: "Aber - Überraschung - das soll es auch nicht. 'Schwimmkurs für Flüchtlinge' ist die Reaktion des 'Almanach' auf die Tatsache, dass - auch dank des deutsch-türkischen Flüchtlings-Deals, den ich jedenfalls für ganz übel und zynisch halte - seit einigen Monaten wieder massenweise Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, unter ihnen besonders viele Babys und Kleinkinder. Das ist in der Tat menschenverachtend."

Was ist der Almanach des Bundespresseballs?

Der Bundespresseball hat eine lange Geschichte. 1951 wurde er erstmals veranstaltet, in diesem Jahr feierte er sein 65. Jubiläum. Der Almanach entstammt noch Bonner Presseball-Zeiten. Er wird den Ballgästen in der Ball-Nacht zum Abschied mitgegeben oder am nächsten Tag per Post geschickt. Der Almanach soll mit satirischen Seitenblicken, humorvoll gestalteten Anzeigen, Karikaturen, selbstverfassten Gedichten und hintergründigen Beiträgen ein anekdotenreiches Andenken an den Ball sein.

Herausgegeben wird der Almanach nicht vom Verein der Bundespressekonferenz, sondern von der Bundespressekonferenz GmbH. Sie ist eine hundertprozentige Tochter des Vereins und organisiert den Presseball. Die Redaktion bestand in diesem Jahr aus vier Berliner Journalistinnen und Journalisten sowie einem pensionierten Hamburger Pressefotografen. Alle fünf haben auf ein Honorar verzichtet.







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Harry Niebuhr, Mittwoch, 30.November 2016, 19:55 Uhr

17. Vorsicht, Satire!

"Satire darf alles" - nur nicht langweilig oder belanglos sein. Dass sehr viele Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan nicht schwimmen können, ist ein bekanntes und von niemandem ernsthaft bestrittenes Faktum. Wäre das Angebot für Flüchtlings-Schwimmkurse (das ich in der Realität für durchaus sinnvoll halten würde) mit der angemessenen Debatten-Seriosität beim Deutschlandfunk oder bei Phoenix, in der SZ oder im Spiegel diskutiert worden, niemand hätte einen anschwellenden Bocksgesang veranstaltet.
Der Bundespresseball und seine Veranstalter machen nach meinem Eindruck KEINE Witze über oder zum Nachteil von Flüchtlingen (was in der Tat geschmacklos wäre), sondern haben für ein tatsächlich virulentes Problem lediglich das falsche Medium gewählt.
Etwas mehr vorweihnachtliche Gelassenheit AUF ALLEN SEITEN wäre wohl mehr gewesen. Und die "Bundesbade-Agentur"? Na gut, wer auch sonst zum Schmunzeln in den Keller geht, darf an dieser Stelle empört sein.

  • Antwort von chart67, Mittwoch, 30.November, 21:09 Uhr anzeigen

Tom, Mittwoch, 30.November 2016, 19:31 Uhr

16. BR-Artikel

Wie kann man sich über so etwas aufregen? In einer Welt, in der allen Ernstes ein Trump zum US-Präsidenten gewählt wird, sind das doch Peanuts.

Paul, Mittwoch, 30.November 2016, 18:31 Uhr

15. Empörung über Satire

Alle 5 min. verhungert ein Kind. Interessierts jemanden? Nein ! Aber wehe es macht jemand einen Witz über Merkels Flüchtlinge dann ist die Empörung riesengroß. Politik ist durch und durch verlogen. Das wird mir jetzt doch zu blöd. AfD ich komme !!

  • Antwort von mehrnetto, Mittwoch, 30.November, 19:19 Uhr anzeigen

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 30.November, 20:14 Uhr anzeigen

zumsel, Mittwoch, 30.November 2016, 17:58 Uhr

14.

Satire im Zusammenhang mit Menschen in Not ist schlicht und einfach makaber und geschmacklos. Sogar die meisten AfD-("...") sehen das so - das sollte einem zu denken geben! Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
Kommentar-Richtlinien bearbeitet.

Truderinger, Mittwoch, 30.November 2016, 17:37 Uhr

13. Sicher hat da

Orban, Putin, Le Pen, Hofer, Trump und die Afd ihre Finger mit drin!

  • Antwort von Pseudo-Truderinger, Mittwoch, 30.November, 17:47 Uhr anzeigen

  • Antwort von Peter aus Trudering, Mittwoch, 30.November, 17:50 Uhr anzeigen

  • Antwort von Truderinger, Mittwoch, 30.November, 17:54 Uhr anzeigen

  • Antwort von hasan, Mittwoch, 30.November, 18:01 Uhr anzeigen

  • Antwort von Leo Bronstein, Mittwoch, 30.November, 18:03 Uhr anzeigen

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 30.November, 19:20 Uhr anzeigen

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 30.November, 19:58 Uhr anzeigen

  • Antwort von hasan, Mittwoch, 30.November, 20:42 Uhr anzeigen

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 30.November, 20:51 Uhr anzeigen

  • Antwort von hasan, Mittwoch, 30.November, 21:17 Uhr anzeigen

  • Antwort von zf, Mittwoch, 30.November, 21:26 Uhr anzeigen

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 30.November, 21:48 Uhr anzeigen

  • Antwort von hasan, Mittwoch, 30.November, 22:51 Uhr anzeigen