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BR-Recherchen zu Aktiendeals Ausschuss weitet Untersuchungen aus

Jetzt ist es offiziell: Der Cum/Ex-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages wird sich auch mit der Frage beschäftigen, warum Politik und Finanzverwaltung jahrelang nichts gegen so genannte Cum/Cum-Aktiendeals unternommen haben. Einen entsprechenden Beschluss hat das Gremium in seiner heutigen Sitzung gefasst.

Von: Pia Dangelmayer und Arne Meyer-Fünffinger

Stand: 08.09.2016

Tagungsraum des Untersuchungsausschusses | Bild: picture-alliance/dpa

Soll sich der Cum/Ex-Untersuchungsausschuss auch mit Cum/Cum-Deals beschäftigen? Es gab Vorbehalte gegen die Ausweitung des Untersuchungsfokus. Doch am Ende setzten sich die Ausschussmitglieder durch, die darauf hinwiesen, wie viele Fragen in Sachen Cum/Cum-Geschäfte offen sind.

Unter anderem die, warum die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung so lange tatenlos dabei zusahen, wie dem Fiskus Gelder in Milliardenhöhe entgingen. Über Jahre hinweg. Und obwohl es Hinweise auf den Steuertrick gab, zum Beispiel vom heute im Ausschuss vernommenen Zeugen Stephan Rau, Mitarbeiter der Finanzverwaltung in Hessen.

Internationale Recherche

Im Mai hatten BR Recherche und report München in einer internationalen Kooperation mit dem New Yorker Recherchebüro ProPublica, der Washington Post und dem Handelsblatt enthüllt, dass ausgerechnet die vom Staat gerettete Commerzbank über Jahre an Cum/Cum-Geschäften beteiligt gewesen ist.

Dem Fiskus dürften Milliarden entgangen sein, weil im Ausland sitzende Inhaber von Aktien deutscher Unternehmen auf Dividenden anfallende Kapitalertragssteuern nicht gezahlt haben – mithilfe deutscher Banken. An diese verleihen die ausländischen Investoren ihre Aktien kurzfristig über den Dividendenstichtag, denn der deutsche Aktienhalter kann sich die Kapitalertragsteuer anrechnen oder vom Staat erstatten lassen. 

Nicht nur Vergangenheit aufarbeiten

Dass der Untersuchungsausschuss seinen Fokus auch auf diese Cum/Cum-Aktiendeals richtet, geht auch auf die Initiative von Grünen-Obmann Gerhard Schick zurück. Er sagte heute am Rande des Ausschusses:

"Unser Ziel ist ja, jetzt nicht nur die Vergangenheit  aufzuarbeiten, sondern vor allem für die Zukunft zu sorgen, dass solche Steuerausfälle in Zukunft nicht mehr möglich sind. Und da spielen Cum/Cum-Geschäfte eine wichtige Rolle."

 Grünen-Obmann Gerhard Schick

Der Steuerexperte Professor Christoph Spengel begrüßt die Entscheidung, den Ausschuss auf Cum/Cum auszuweiten, ausdrücklich:

"Es geht hier um Dividendenstripping-Fälle, und die Cum/Cum-Geschäfte sollten wie die Cum/Ex-Geschäfte danach hinterfragt werden, warum man die solange nicht aufgegriffen hat. Weil sich die Öffentlichkeit die Frage stellt, warum diese Geschäfte über Jahrzehnte möglich waren, obwohl es sich verdichtet hat, dass sie rechtlich problematisch sind."

Steuerexperte Professor Christoph Spengel

Kapitalertragssteuer zu Unrecht erstattet

Spengel hat ein Gutachten für den Untersuchungsausschuss angefertigt, in dem er  Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte ausführlich rechtlich bewertet. Auf 142 Seiten. Dabei nimmt er auch Bezug auf die BR-Berichterstattung im Mai. Im Hinblick auf die Wertpapierleihgeschäfte, an denen auch die Commerzbank beteiligt war, ist nach seiner Rechtsauffassung eindeutig: Die Kapitalertragssteuer wurde zu Unrecht erstattet.

 Der Steuerexperte fordert, Bund und Länder sollten die Fälle prüfen und die verlorenen Steuergelder zurückfordern: „Das ist durchaus möglich, wenn ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt oder das wirtschaftliche Eigentum nicht übergegangen ist und der Steuerpflichtige trotzdem eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer begehrt hat, dann hat er das zu Unrecht getan und dann kann man auch die Steuer zurückfordern.“

Sollte nichts passieren, um das Steuergeld zurückzuholen, ist das für Prof. Spengel möglicherweise sogar ein Verstoß gegen die Verfassung:

"Inwieweit die Finanzverwaltung gewillt ist, Cum/Cum-Geschäfte mit Wirkung für die Vergangenheit tatsächlich aufzugreifen, bleibt abzuwarten, angesichts ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe zum Gesetzesvollzug ist sie dazu allerdings verpflichtet. Sollte sie die Fälle gleichwohl nicht aufgreifen wollen, wäre dies nicht nur eine interessante verfassungsrechtliche Fragestellung, sondern darüber hinaus wird sich auch der Rechnungshof dann darum kümmern müssen."

Zitat aus dem Gutachten

Nach BR-Informationen prüft das Bundesfinanzministerium noch, ob entgangene Steuermilliarden zurückgefordert werden sollen.


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