175 Jahre Text der Nationalhymne Brüh im Lichte dieses Glückes ...
Von den Nationalsozialisten missbraucht, von den Alliierten verboten und heute wieder Nationalhymne: Vor 175 Jahren schrieb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben das "Lied der Deutschen". Doch der Text ist bis heute umstritten.

Das Lied der Deutschen
Die Melodie stammt ursprünglich aus dem "Kaiserlied" von Joseph Haydn, der offiziellen Volkshymne für den römisch-deutschen Kaiser Franz II. Zusammen mit dem Text stellte Fallersleben damit eine Verbindung zum Alten Reich dar. Ein Grund, warum die Nationalsozialisten die erste Strophe des "Lied der Deutschen", die nicht für den Kaiser, sondern für ein geeintes Deutschland stehen sollte, für ihre ideologische Propaganda missbrauchte.
Es gibt nur wenige Gedichte mit einer so wechselvollen Geschichte: Ein Plädoyer für die bürgerliche Freiheit und ein geeintes Deutschland, das sollte es ursprünglich sein, das "Lied der Deutschen". August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb es am 26. August 1841 während seines Erholungsurlaubes auf Helgoland - damals noch britischer Boden. Die Zeilen "Deutschland, Deutschland über alles" spiegeln darin allerdings nicht Überheblichkeit und Rassismus wider, sondern die Sehnsucht nach einem geeinten Deutschland.
Nur die dritte Strophe
In der Weimarer Republik, 1922, wurde das Deutschlandlied erstmals offiziell Nationalhymne. Bis 1933 die Nationalsozialisten kamen, die beiden letzten Stophen strichen und die erste Stophe mit dem sogenanten "Horst-Wessel-Lied" verschmolzen - einem Kampfgesang der SA. Kein Wunder, dass der Text 1945 durch den Alliierten-Kontrollrat verboten wurde.
Erst Anfang der 1950er-Jahre wandte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer - ein Verfechter des Deutschlandslieds - demonstrativ gegen die Zensur. Er bat den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, das Verbot aufzuheben. Ein Briefwechsel von Adenauer und Heuss kam letztendlich zu dem Ergebnis, dass das "Lied der Deutschen" wieder die Nationalhymne sein sollte - allerdings mit einer Einschränkung: zu offiziellen Anlässen durfte nur die dritte Strophe gesungen werden.
Die Nationalhymne heute
Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand:
|: Blüh im Glanze dieses Glückes,
blühe, deutsches Vaterland! :|
Seit Anfang der Fünfzigerjahre wurde bei Fußballspielen oder Staatsbesuchen deshalb nur noch die unverfängliche dritte Strophe gesungen. Nach der Wiedervereinigung kam es 1991 erneut zu einem Briefwechsel: dieses Mal zwischen dem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl. Wieder ging es um das Lied der Deutschen und wieder wurde man sich einig: Die dritte Strophe alleine war nun die Nationalhymne Deutschlands.
Es bleibt kompliziert
Auch nach 175 Jahren: viele Deutsche haben noch immer ein ambivalentes Verhältnis zur Nationalhymne. Im Jahr 2006 sorgte beispielsweise der Pädagogik-Professor Benjamin Ortmeyer mit der wiederauferlegten Broschüre "Argumente gegen das Deutschlandlied" für bundesweite Debatten. 1991 erklärte der damalige Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Dieter Wunder, in einer Presseerklärung: "Das Deutschlandlied gehört ins Museum".
Wie empfindlich die Deutschen aber noch immer in puncto Nationalhymne reagieren, musste vor kurzem auch der Diskuswerfer Christoph Harting erfahren, als er in Rio de Janeiro auf der Siegertreppe übermütig zur Nationalhymne schunkelte - und ihm daraufhin mangelnder Respekt vorgeworfen wurde.
Sarah Connor 2005 in der Allianz-Arena. Den Text der Nationalhymne hatte sie sich vorher wohl nicht so genau angeschaut...
Ist der Text der Deutschlandhymne überhaupt noch zeitgemäß? Darüber ist man sich auch heute noch uneins. Fest steht: In Gegensatz zu den Nationalhymnen anderer Länder freut sich die der Deutschen nur mäßiger Beliebtheit. Das Verhältnis zu ihr ist noch immer oftmals verkrampt - vielleicht auch deshalb der Grund, warum viele Deutsche den Text nicht kennen. Für Aufsehen sorgte beispielsweise 2005 der Fauxpas von Sarah Connor, die beim zweiten Eröffnungsspiel in der Münchner Allianz-Arena den Text von Fallersleben kurzerhand in "Brüh im Lichte dieses Glückes..." umdichtete.
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Zynicus, Freitag, 26.August 2016, 12:01 Uhr
4.
Die 1. Strophe, die den Siedlungsraum deutschsprachiger Bevölkerung im 19. Jahrhundert ausdrücken sollte, ist natürlich historisch und v.a. politsch überholt: Man kann sie also gut weglassen.
Die 2. Strophe ist freilich aus heutiger Sicht etwas seltsam. Wenn man aber "Deutsche Frauen ... deutscher Wein ..." umdichten würde in "Burkafrauen ... Ingwertee ...", dann müsste auch das linke politische Spektrum zufrieden sein (Sorry - diese Blödelei musste einfach sein ;-)
Die 3. Strophe "Einigkeit und Recht und Freiheit ..." ist inhaltlich einer Nationalhymne durchaus würdig und sollte für jeden - unabhängig von seiner politischen Einstellung, solange sie sich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt - akzeptierbar sein.
Antwort von Roman, Freitag, 26.August, 12:28 Uhr anzeigen
Das stimmt, aber dennoch tun sich viele Deutsche schwer, sich damit zu identifizieren. Unsere Hymne ist im Vergleich zu vielen anderen - vor allem südlicheren Ländern - schwerfällig und düster.. Mir ist das bei den Olympischen Spielen wieder sehr aufgefallen.
Antwort von Zynicus, Freitag, 26.August, 12:55 Uhr anzeigen
Ich schlage aber dennoch vor, bei der alten Melodie zu bleiben, bevor sich Ralph Siegel oder "Die Toten Hosen" an eine Neukomposition machen - das wäre dann wohl noch viel schlimmer ;-)
Im Vergleich zur französischen Nationalhymne "Marseillaise", deren Melodie freilich deutlich "schmissiger" ist, ist unsere Nationalhymne übrigens ziemlich friedfertig (Refrain der "Marseillaise": "Zu den Waffen, Bürger, | Formiert eure Truppen, | Marschieren wir, marschieren wir! | Unreines Blut | Tränke unsere Furchen!").
Antwort von Roman, Freitag, 26.August, 14:34 Uhr anzeigen
Was die Toten Hosen betrifft: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht! :)
Franz, Freitag, 26.August 2016, 10:26 Uhr
3.
Da ist überhaupt nichts kompliziert.
Außer ein paar Ultra-Linken ist der Rest des Landes mit der Nationalhymne zufrieden. Und die Meinung von drittklassigen Pädagogik-Professoren und GEW-Chefs ist so wichtig nicht.
Roman , Freitag, 26.August 2016, 10:04 Uhr
2. 175 Jahre "Das Lied der Deutschen"
Unseres Nationalhymne ist im internationalen Vergleich auch weniger identitätsstiftend, weil die Geschichte des Liedes sehr wenig mit der Seele der Deutschen zu tun hat.
Erich, Freitag, 26.August 2016, 08:38 Uhr
1. Es bleibt kompliziert...
aber nur für die Deutschen. Den Rest dieses Planeten interessierts nicht.
Dieses Lied wurde 100 Jahre vor Adolf geschrieben. Das ist kein Nazilied, sondern unsere Hymne!
Antwort von wm, Freitag, 26.August, 17:11 Uhr anzeigen
Nach weiteren chaotischen 20 Merkeljahren heben wir Merkels Heimathymne aus der Mottenkiste:"Aus Ruinen auferstanden......."