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Dieter Hildebrandt Kabarett auf der Bühne

Stand: 28.08.2011 | Archiv

Lach- und Schießgesellschaft 1970: Jürgen Scheller, Dieter Hildebrandt, Horst Jüssen und Achim Strietzel (v.l.n.r.) | Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland und Hildebrandt: Ob mit feinen Sticheleien oder schonungsloser Kritik - der Altmeister des Kabaretts begleitet schon mehr als ein halbes Jahrhundert die Geschichte der Bundesrepublik. Mit der Münchner "Lach- und Schießgesellschaft", der ZDF-Reihe "Notizen aus der Provinz" und dem ARD-"Scheibenwischer" prägte Deutschlands prominentester Bühnen- und Fernseh-Satiriker die Kleinkunstszene und TV-Satire hierzulande.

"Die Klarmacher sterben aus", schrieb Matthias Kuhn 2006 im Band "50 Jahre Lach- und Schießgesellschaft". Er meinte damit künstlerisch-moralische "Instanzen", die mahnen, aufklären, erklären wollen: Literaten wie Heinrich Böll etwa, Kabarettisten wie Hanns Dieter Hüsch. Dieter Hildebrandt verabschiedete sich zwar 2003 vom Fernseh-Kabarett und nicht wenige empfanden seine Spielart des politischen Kabaretts zum Schluss als antiquiert. Aber auch als Achtziger ist er noch vital wie eh und je, steht heute noch mehr als 100 Mal im Jahr auf der Bühne. Doch zurück zu den Anfängen:

Stoff für Satire: Adenauers Politik

1956 - ein Jahr für Denkwürdiges. Unter anderem beschließt der Bundestag elf Jahre nach Kriegsende die allgemeine Wehrpflicht, auch wird die KPD verboten. 1956, in der neuen Bundesrepublik, tummeln sich immer noch alte Nazis, auch in hohen politischen Positionen.

Wer vermutet, es bestehe ein Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und der Tatsache, dass im Jahr 1956 auch die "Lach- und Schießgesellschaft" gegründet wird, liegt richtig. Der junge Hildebrandt ist auf der Suche nach Stoff für Satire und findet ihn zuhauf in Adenauers Politik der Restauration und Aufrüstung.

"Triebtäter"

Ohnehin ist Hildebrandt sein Studium der Theaterwissenschaften zu theoretisch, er will auf die Bühne. Zunächst jobbt er als Platzanweiser in der Münchner "Kleinen Freiheit", die - mit Werner Finck, Erich Kästner und Martin Morlock - als beste deutsche Kleinkunstbühne jener Zeit gilt. Im Alter von 28 Jahren gründet Hildebrandt 1955 das Studentenkabarett "Die Namenlosen". Nicht nur aus Wut über die politischen Verhältnisse geht er auf die Bühne, sondern "schon aus meinem Hang zum Vorlautsein und aus einer gewissen Triebtäterei", sagt er in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.

Lach- und Schießgesellschaft

1955 ist auch das Jahr, in dem Hildebrandt den Sportreporter Sammy Drechsel kennenlernt. Der ausgeprägte Hang zur Satire verbindet beide. Drechsel bringt die bereits bekannten Kabarettisten Klaus Havenstein und Ursula Herking, den arrivierten Schauspieler Hans Jürgen Diedrich und Hildebrandt zusammen. Unter Drechsels Regie gründen sie die "Lach- und Schießgesellschaft" in München-Schwabing.

Lach- und Schießgesellschaft: Ensemble 1965

Am 12. Dezember 1956 feiern sie mit ihr Premiere an dem Ort, der deutsche Kabarett-Geschichte schreiben sollte und wo die Nachfahren des Ur-Ensembles heutzutage noch aktiv sind: Auf der Bühne in der Haimhauser Straße, von Hildebrandt & Co. einfach der "Laden" genannt.

Der Mann im Hintergrund: Schreiber Schreiner

Klaus Peter Schreiner

Schon für das erste Programm "Denn sie müssen nicht, was sie tun" (1956) stammen die meisten Nummern von Hildebrandt. Er steuert für die "Lach- und Schieß" noch viele Texte bei. Hauptautor ist ab 1958 jedoch ein anderer: Klaus Peter Schreiner, Studienkollege Hildebrandts und schon dessen Partner bei den "Namenlosen". Schreiner fungiert für die "Lach- und Schieß" bis 1999 als Schreiber.

Markenzeichen: Stottern

In der Anfangszeit spielt die "Lach- und Schießgesellschaft" oft nur vor einer Handvoll Zuschauern. Den Stil, der Hildebrandt so berühmt machte - das scheinbar gestotterte Kommentieren der politischen Lage im Solovortrag - entwickelt er schon im zweiten Programm "Bette sich wer kann". Es schafft damit auf seine Art doch noch den Durchbruch als Schauspieler, die berühmte Otto-Falckenberg-Schule hatte ihm einst die Aufnahme verwehrt. Mit dem zweiten Programm stellt sich endlich der Erfolg ein: Ab dem dritten ist der "Laden" bis 1972 immer sechs Wochen im voraus ausverkauft. Zwischen 1956 und Hildebrandts Ausstieg 1972 stellt das Ensemble insgesamt 19 Programme auf die Beine. Ab 1957 wird die "Lach- und Schießgesellschaft" auch vom Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt.

Kabarettisten als Systemstabilisierer?

Manche meinen, Kabarettisten seien die Nachfahren der Hofnarren. Sie dürfen zwar die Wahrheit sagen, stützen aber letztendlich das System, weil sie sich auf die Rolle des Harlekins beschränken. Kabarettisten sehen sich auch oft dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden nur im eigenen Saft schmoren, Programm für ein Publikum machen, das ohnehin der gleichen Meinung sei.

Ende der 1960er-Jahre muss sich auch die "Lach- und Schießgesellschaft" diese Kritik gefallen lassen. Lach- und Schieß in der Ära Brandt: Schießen auf die, die längst abgeschossen sind. Dem Kabarett-Ensemble fehlt plötzlich sein klassischer Gegner. Dem neuen Programm "Von Menschen mit Mäusen" merkt man das an: "Da wurde weiter fröhlich auf Leute geschossen, die längst abgeschossen sind", moniert die "Berliner Zeitung".


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