Funkstille Orte Das Sorgenkind der bayerischen Polizei
Vor zehn Jahren sollte er schon bundesweit funktionieren: der Digitalfunk für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Immer noch macht der Betrieb des neuen Systems Probleme.

Mal können sich Streifenbeamte minutenlang nicht in das Netz einbuchen, mal fällt die GPS-Ortung aus, mal werden Funksprüche ganz einfach vom neuen Digifunk verschluckt.
Und das auch bei brisanten Einsatzlagen – wie bei dem Amoklauf im Münchner Olympia-Einkaufszentrum OEZ. Das haben gemeinsame Recherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers und des BR-Hörfunks zutage gebracht. Während ein Bericht des Münchner Polizeipräsidiums schonungslos die Probleme anspricht, wertet das zuständige Innenministerium den Digitalfunk weiter als großen Erfolg. Nicht nur bei den Polizeibeamten im Freistaat sorgt das für heftige Diskussionen, sondern auch bei den Berufsvertretungen der Ordnungshüter.
Probleme bei Großlagen
Allein in Bayern hat die Einführung des Digitalfunks bei der Polizei über eine Milliarde Euro gekostet. Seit dem Sommer wird nun überall im Freistaat zwischen Rhön und Bodensee digital gefunkt und nicht mehr analog mit alter Technik, wie sie schon bei "Isar 12" im Einsatz war. Beim Polizeieinsatz während des Amoklaufes in München am 22. Juli 2016 aber wurde deutlich, wo noch immer die Probleme liegen. Gerade bei "Großlagen", wo der neue Funk besonders wichtig ist, kommt das System an seine Grenzen.
Einsatzkräfte nicht erreichbar
Einige Einsatzkräfte waren bis zu fünf Minuten lang nicht erreichbar - wie etwa der "HvD", der Höhere Beamte vom Dienst, der in dieser brisanten Situation erst einmal der Einsatzleiter war. Teilweise benutzten die Polizisten - während im OEZ noch geschossen wurde - ihre privaten Handys für dienstliche Alarmierungen, was gar nicht erlaubt ist und nur solange funktionierte, bis das Netz des zweitgrößten Mobilfunkanbieters in der Umgebung des Tatortes zusammenbrach. Obwohl das Münchner Polizeipräsidium einige Tage später einen detaillierten Bericht an das Innenministerium schickte, will der für die Einführung des Digitalfunks zuständige Innenstaatssekretär Gerhard Eck davon nichts wissen:
"Mir liegen keine Unterlagen vor, die eine Störung von drei bis fünf Minuten vorgeben. Mir liegen die nicht vor. Ich habe die klare Antwort erhalten, dass es nicht einmal bei jedem Gespräch, sondern nur ab und zu zwei Sekunden gedauert hat."
Gerhard Eck, bayerischer Innenstaatssekretär
"Verständigungsprobleme gibt es sehr wohl"
Der Staatssekretär bliebt dabei: Für ihn ist der Digitalfunk ein "ganz tolles Einsatzgerät", das bereits 97 Prozent der Fläche Bayerns abdecke und damit besser sei als alles, was die Polizei bisher zum Funken zur Verfügung hatte. Das bestreiten Beamte, die im täglichen Streifeneinsatz unterwegs sind, auch gar nicht. Die Probleme treten allerdings dann auf, wenn eine Vielzahl von Fahrzeugen anrückt und Dutzende, wenn nicht hunderte von Beamten gleichzeitig funken müssen – wie etwa in der Amoknacht im Münchner OEZ.
Ähnliches hatten die Einsatzkräfte auch bereits im Februar erlebt, als in München die Sicherheitskonferenz 2016 stattfand und die einheimischen Beamten von Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Regionen Bayerns und aus mehreren Bundesländern unterstützt wurden. Deren Berichte kennt Jürgen Ascherl, der Münchner Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) im Detail.
"Es gab immer wieder Kollegen, die sagen: Einsatz gehabt - aber Funkspruch hat nicht funktioniert oder kam nicht an. Verständigungsschwierigkeiten gibt es sehr wohl."
Jürgen Ascherl, Münchner Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft
Kein Funk im Untergrund
Und die treten vor allem auf, wenn die Beamten im Inneren großer Gebäude funken müssen oder in unterirdischen Anlagen wie den U-Bahnen in München und Nürnberg. Der alte Polizeifunk funktionierte dort, weil vor Jahren Antennenkabel verlegt wurden und Verstärkeranlagen. Der neue Digitalfunk funktioniert gerade bis zu ersten Rolltreppe in den Untergrund – dann ist Schluss. Von diesem Problem der "Indoor-Versorgung" wussten die beteiligten Behörden bereits vor der Einführung des Digitalfunks – doch geschah mit Ausnahme von Streitereien um die Kosten wenig.
In der Münchner U-Bahn funktioniert der neue Funk nicht – und in der in Nürnberg auch nicht. Immerhin hat sich das Innenministerium inzwischen mit der Stadtverwaltung darauf geeinigt, dass in Nürnberg das Rathaus die Kosten für die Installationen übernimmt. In München fehlt der Stadtverwaltung vorerst noch die Überzeugung, dass ein moderner Polizeifunk einen Beitrag für die Sicherheit der Fahrgäste in den öffentlichen Verkehrsmitteln darstellt und dass die Stadt dafür zahlen solle.
"Die Münchner U-Bahn ist derzeit mit einem analogen Funksystem ausgestattet und entspricht den bisher gültigen Anforderungen an den BOS-Funk für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Einer Umrüstung auf Digitalfunk stehen wir vom Grundsatz her zwar offen gegenüber. Allerdings müssen dafür noch Voraussetzungen geschaffen werden. Zum einen ist ein stadtweites Konzept zum flächendeckenden Aufbau eines digitalen Funknetzes erforderlich; neben der U-Bahn gibt es rund 200 weitere gegebenenfalls nachzurüstende Bauwerke. Zum anderen ist die Finanzierung ungeklärt. Diese können die Stadtwerke und die Münchner Verkehrsgesellschaft nicht leisten."
Matthias Korte, Sprecher der Stadtwerke München
Sicherheitsrisiko bei Terroranschlag
Man sei mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter allerdings im Gespräch, erklärte Innenstaatssekretär Eck im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Grundsätzlich gelte aber, dass der Betreiber einer großen Anlage wie etwa einer U-Bahn oder eines Mega-Einkaufszentrums dafür sorgen müssen, dass Polizei und Feuerwehr im Einsatzfall dort auch funken können. Und das kann – wie im Fall der Münchner U-Bahn – bis zu 20 Millionen Euro kosten.
Sendepause herrscht im übrigen auch im Inneren der Terminalgebäude am Münchner Flughafen, wie die Recherchen des Bayerischen Rundfunks ergaben - was Experten im Fall eines Großbrandes wie am Düsseldorfer Airport oder eines Terroranschlags für ein gravierendes Sicherheitsrisiko halten. Die Flughäfen Gesellschaft München hat deshalb jetzt entschieden auf eigene Kosten alle Gebäude am Airport mit der neuen Technik zur verbesserten Indoor-Versorgung auszustatten . Die Aufrüstung soll nun europaweit ausgeschrieben werden und 2018 in Funktion sein. Solche Verzögerungen empören jedoch Jürgen Ascherl von der Deutschen Polizeigewerkschaft:
"Da streitet sich wie etwa bei Münchner U-Bahn die Stadt mit dem Freistaat , wer die Kosten übernimmt. Da muss halt jemand endlich ein Machtwort sprechen!"
Jürgen Ascherl
Ascherl moniert zudem, dass der neue Digitalfunk noch lange nicht alle Leistungsmerkmale hat, die von den Lieferfirmen in ihren Hochglanzprospekten der Polizei versprochen wurden. Der Versand von Bildern sei noch immer nicht möglich; bei Notrufen mit GPS-Ortung könne es passieren, dass der Funkspruch des in Bedrängnis geratenen Kollegen bei einer völlig anderen Polizeidienststelle ankomme als geplant; wenn gleichzeitig viele Beamte mit der Einsatzzentrale zu sprechen versuchen, komme es zu gefährlichen Wartezeiten, bis ein Funkspruch abgesetzt werden kann.
Gerhard Eck, der für die Einführung des Digitalfunks in Bayern zuständige Innenstaatssekretär, hält die Kritik für überzogen:
"Wir stellen auf ein neues Funksystem um. Das gibt es nicht fertig zu kaufen. Es ist ein sich ständig erweiternder Prozess in dieser Technik. Aber ich sage Ihnen: Wir kriegen am Ende alles, was bestellt worden ist."
Gerhard Eck
"Am Ende" ist offensichtlich ein dehnbarer Begriff. Vor 20 Jahren begannen Bund und Länder über die Zuständigkeiten bei der Einführung des Digitalfunks zu streiten – vor zehn Jahren blieben die ersten beteiligten Firmen auf der Strecke. Jetzt wird debattiert, was Polizisten von einem System erwarten dürfen, von dem im Ernstfall ihr Leben abhängt.
Autoren: Lena Deutsch und Oliver Bendixen
Kommentieren
websaurier, Mittwoch, 19.Oktober 2016, 13:13 Uhr
11. Tipp...
Digitalfunk in Bayern; eine der markantesten Pannenserie mit einer Laufzeit von Jahrzehnten !!!
Mehr als eine Milliarde Euro verbraten...
Vielleicht taugt "WhatsApp" oder "Twitter" da mehr ? Billiger ist es ja schon mal....
Erich, Mittwoch, 19.Oktober 2016, 12:39 Uhr
10. Der Horstl,
macht das jetzt zur Chefsache, dann funzt das schneller als man glaubt! :D Bayern geht voran! :D
Besserwisser, Mittwoch, 19.Oktober 2016, 12:07 Uhr
9. Sorgenkind Teil 2
Nun, zu komplex sind qualifizierten Antworten über eine Technik (Digitalfunk) in einem Chat erfolgreich, weil es leider nicht möglich ist, dass man vernünftige Antworten auf Teile (vielfältige Themenkomplexe) in der Digitalfunktechnik im SMS-Stiele beantworten kann. Daher ist es sinnig, sich erst mal gründlich über eine Technik zu informieren und sich nicht auf das haltlose Motzen eines „Polizei-Sprechers“ hereinzufallen. Möglicherweise verwechselt dieser Äpfel mit Birnen. Gerne würde ich die Überschriften vom BR lesen, wenn die AMOK Lage mit dem analogen Funk noch abgewickelt worden wäre. Ich versichere es Euch, ein Chos wäre es gewesen. Dass der Digitalfunk angeblich ein Sorgenkind sei, kann ich so nicht bestätigen. Die polizeilichen Einsatzkräfte und der Umgang mit ihren Einsatzmitteln könnten auch Teile eines Problems sein, ihres eigenen ursächlichen Problems.
Antwort von Einer der die Materie in und auswendig kennt, Donnerstag, 20.Oktober, 16:18 Uhr anzeigen
Wenn man wie ich täglich in der Planung und Realisierung von Basisstationen tätig ist, kennt man allerdings bestens die Probleme welcher der Digitalfunk bereitet. Eine Abwicklung auf 4m und 2m wäre sicher möglich gewesen. Mit einem FuG11b kann ich im Wechselsprechen ohne Probleme bis in die 2. Etage einer Tiefgarage eine Verbindung aufbauen. Unsere Test's haben ergeben, das die im DMO nicht funktioniert. Im TMO schon gar nicht. Und bis ich einen Repeater vor das Gebäude bekomme vergeht kostbare Zeit.
Antwort von Endnutzer, Donnerstag, 20.Oktober, 19:41 Uhr anzeigen
Ich als Endnutzer kann nur bestätigen, dass der "neue" Digitalfunk für das Geld, Technik und die Zeit, was investiert wurde, eine Frechheit ist. Jeden Tag aufs neue wird dies bestätigt. Und dass geht nicht erst seit der Sicherheitskonferenz 2016 so ! Da redet es sich leicht vom Sessel aus,
den Beamten zu unterstellen, sie können wohl nicht mit den Geräten umgehen und selbst die Ursache sind.
Nicht umsonst funken manche weiterhin analog, weils anders nicht wirklich anständig funktioniert.
Besserwisser, Mittwoch, 19.Oktober 2016, 12:06 Uhr
8. Sorgenkind Digitalfunk - Teil 1
Hallo zusammen,
im ersten Schritt sollte die Einführung des digital Funk den Analogfunk, großflächig zunächst auch im wirtschaftlichen Sinne der Steuerzahler gegenüber, ersetzen.
Dies scheinen mal wieder viele vergessen zu haben. Zuerst eine Flächenversorgung und dann wirtschaftliche Inhouse - Versorgungen.
Dies ist und war mit Abstimmung mit vielen Beteiligten (EADS, BDBOS, Bundesländer, BOS-Verbände) auch erfolgt und abgesprochen, auch und wegen der Ablehnung aus Teilen der Bevölkerung bezüglich der Standorte der Basisstationen. (Resultat: verzögerte Einführung).
Den Digitalfunk also pauschal zu verurteilen ist nicht professionell.
Nachträglich sind dem Sprachdienst des Digitalfunks noch Datendienste aufgestülpt worden, auch von Leuten, die den Digitalfunk immer wieder ablehnten und maßlose Forderungen stellten und dadurch auch verzögerten, weil er halt nicht mehr so leicht abhörbar ist. (Auch Reportern ist dies möglicherweise ein Dorn im Auge).
Christian, Mittwoch, 19.Oktober 2016, 10:07 Uhr
7. "Never Change a running System"
Der Digitalfunk wurde ja nur eingeführt, weil man da nicht mithören kann. Scanner usw, sind also überflüssig.
Nur frag ich mich was die Bayrische Regierung von Menschenleben, sprich der Einsatzkräfte hält.
Die Probleme im Testlauf sind einfach ausgeblendet worden. hauptsache ein Name steht dan für den Superfunk.Ich bin selbbst Feuerwehrmann und halte von dem Funk überhaupt nichts. ich glaub eher es ist bessser wir führen wieder die Pfeifen ein, das wir damals vor 30 Jahren noch in der Jugendfeuerwehr hatte, ein. das "funkt" ioniert immer.
Sollen doch mal die "hohen" Herren, eine Übung mitmachen, damit sie sehen, wie gut der Funk wirklich ist.. aber dafür sind sie sich ja zu schade.
Stolz bin ich schon lange nicht mehr, in Bayern zu wohnen. Denn als Bürger wird man immer mehr mit den Füßen getreten und Steuergelder verprasst.
Es gäbe ein super Sprichwort, dass aber die Politik nicht interessieren zu scheint.
"Never Change a running System"