Der Italiener Andrea Lo Giudice "In München fängt mich niemand auf"
Andrea Lo Giudice ist Italiener. Weil er in seiner Heimat Sizilien keine Arbeit finden konnte, wanderte er aus. Ohne Job, Wohnung und Deutschkenntnisse kam er nach München - mit 4.500 Euro Startkapital und jeder Menge Mut.
Die Kaffeemaschine im Restaurant Ella am Lenbachplatz zischt. Dann klappert's. Andrea jongliert drei Unterteller auf den Tresen, drei kleine Löffel drauf, Cappuccino-Tassen. Der junge Barista weiß genau, was er tut. Er ist 29, Italiener und zum Arbeiten in die Stadt gekommen - wie so viele Italiener in der Landeshauptstadt. Es sind vor allem die Jüngeren, die in ihrer Heimat keinen Job finden und zum Auswandern gezwungen sind.
"München lag mir irgendwie näher"
Spanien, Griechenland, Portugal - ganz Europa steckt in einer Krise. Sechs Millionen junge Europäer sind arbeitslos. "In Italien ist das extrem zu spüren", sagt Andrea. Eines Tages packte er seine Koffer gepackt und ging fort. "Ich habe Freunde in München und Australien. Und München lag mir irgendwie näher."
Ein Neustart für ein paar tausend Euro
Seit eineinhalb Jahren ist er nun hier. "Der Anfang war hart", erzählt er - und mischt nebenbei ein Herz in den Milchschaum. "Man kommt in ein fremdes Land, kann kaum Deutsch, hat keine Wohnung, keinen Job." Und erst mal kostet alles: der Deutsch-Kurs bei der Sprachschule Tandem, die Monatskarte für die U-Bahn, eine Bleibe. Etwa 4.500 Euro musste er für den Neustart mit nach München bringen, rechnet Andrea. "Sonst hätte ich das nicht lange überlebt."
"Der Lebensstandard ist viel höher als in Sizilien. Und es gibt hier keine Freunde oder Familie, die einen auffangen können."
Andrea Lo Giudice
Acht Monate arbeitslos in Sizilien
In seiner Heimatstadt Taormina leben die Menschen hauptsächlich vom Tourismus, von der Gastronomie und Hotellerie. Auch Andrea hat in einem Hotel gearbeitet. Ein halbes Jahr konnte er dort gutes Geld verdienen, solange die Touristen kamen. "Das andere halbe Jahr konnte ich mich nur mit Arbeitslosengeld über Wasser halten", erzählt Andrea. Doch auch das sei in letzter Zeit immer schlimmer geworden. "Vier Monate Geld verdienen und den Rest des Jahres, also acht Monate lang, arbeitslos sein. Das wollte ich nicht mehr."
Bereut hat Andrea bisher nichts. Vielmehr schätzt er Vieles: die Bürokratie, Pünktlichkeit, Genauigkeit. Es gibt Öffnungszeiten - und die Menschen halten sich daran. "In Italien sind immer alle im Urlaub oder in der Mittagspause." Dennoch ist ihm heute erst richtig klar, dass man nicht so ohne Weiteres auswandern kann. Einige seiner Freunde überlegen wegzugehen aus Italien.
"Meine Freunde meinen, alles wird hier besser. Dabei braucht es vor allem viel Disziplin, Durchhaltevermögen und genug Anfangskapital."
Andrea Lo Giudice
Mit dem Deutsch-Kurs kamen die Jobs
"Ancora due Cappuccini", ruft ihm einer der Kellner im Ella zu. Nicht selten ist der Umgangston Italienisch. "Ein Drittel hier sind Italiener", freut sich Andrea. Dann erzählt er von seiner Anfangszeit in München. Eine Wohnung bekam er nur mit ganz viel Glück. Ein italienischer Bekannter ist Hausmeister in einer Wohnanlage in Obergiesing. Er konnte ihm letztlich eine kleine Bleibe vermitteln.
"Als Ausländer hat man keine guten Karten. Ich hatte schon den Eindruck, dass unter den zahlreichen Bewerbern diejenigen mit deutschklingenden Namen bevorzugt werden."
Andrea Lo Giudice
Gleich nach seiner Ankunft in München meldete sich Andrea für einen Deutsch-Kurs bei Tandem an, einer Sprachschule in München. Und mit den ersten Sprachkenntnissen kamen die Jobs - zuerst in einer Café-Bar beim Europäischen Patentamt, dann in der Bar der Süddeutschen Zeitung und nun im Restaurant Ella. Seine Erfahrungen in der Gastronomie haben Andrea geholfen. In Italien studierte er eigentlich Politik. Das schnelle Geld brachte ihn in die Gastronomie. So konnte er in München Fuß fassen.
"Es ist am wichtigsten, die Sprache zu lernen."
Andrea Lo Giudice
Ohne Meer und schönes Wetter
Ein wenig wehmütig wird Andrea aber schließlich doch noch - wenn man ihn nach seiner Zukunft fragt. "Ich möchte schon zurück nach Italien." Das Meer und das schöne Wetter in Sizilien fehlen ihm, auch seine Freunde und die Familie. Doch es dauert nicht lange, und sein Gesicht strahlt wieder: "In zehn Jahren. Dann werde ich Hotel-Manager in Taormina." Bis dahin ist er auch in München nicht allein. "Zur Wiesn kommen alle meine Freunde aus Italien und wollen bei mir übernachten."
Ein Cappuccino für Irantzu
Dann macht sich Andrea wieder an die Arbeit. Eine junge Frau am anderen Ende der Bar will eine Bestellung aufgeben. "Hallo, einen Cappuccino bitte", sagt sie etwas leise. Ihr Spanisch zischt wie die Kaffeemaschine im Ella. Andrea muss nachfragen. Dabei dürften sich beide blind verstehen. Auch Irantzu Ros ist neu in München. Sie kommt aus Spanien.