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Porträt "Ich bin nicht überrascht, wenn ich im Jenseits den Pumuckl treffe"

Kater Musch und Schlupp vom grünen Stern, Tonskulpturen und fotografische Liebeserklärungen an München: Ellis Kaut hat weit mehr erschaffen als einen Pumuckl. Und doch sind die beiden untrennbar verbunden. Ein Doppelporträt.

Von: Michael Kubitza

Stand: 25.09.2015 | Archiv

Ellis Kaut und ihr Pumuckl | Bild: picture-alliance/dpa - Originalentwurf Pumuckl: Barbara von Johnson

Ellis Kaut ist tot. Knapp zwei Monate vor ihrem 95. Geburtstag starb die Journalistin und Autorin am Donnerstagmorgen nach langer Krankheit bei Fürstenfeldbruck nahe München.

"Während der Mitarbeit bei den Unterhaltungssendungen im BR-Hörfunk, so erzählte Ellis Kaut es selbst, begann sie, sich Geschichten auszudenken und aufzuschreiben: Das war die Geburt des Pumuckl, die erste Sendung lief 1962. Seither hat der kleine, freche Kobold mit seinen Streichen Generationen von Kindern und Erwachsenen begeistert und das Programm des Bayerischen Rundfunks bereichert."

Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks

"Weltberühmt will ich werden!" eröffnet das im Treppenhaus trällernde Lieserl (4) der Hausmeisterin, als diese fragt, ob sie Sängerin werden wolle. Die Reaktion: Ein Heiterkeitsausbruch, der den großen Busen der Hausmeisterin in ein nicht enden wollendes Wogen versetzt. Die Abneigung gegen Hausmeister und große Busen ist dem Lieserl - Taufname: Elisabeth, später: Ellis Kaut - geblieben. Und die Erkenntnis, geheime Wünsche "nie jemand Unwürdigem zu erzählen."

Was gab's denn da auch zu lachen? Ellis Kaut ist weltberühmt. Oder richtiger: Der Pumuckl ist es. Jener rothaarige, aber meist unsichtbare und sowieso nur handtellergroße Kobold, in dessen von München über Istanbul bis Peking reichendem Schatten seine Erfinderin die lange zweite Hälfte ihres Lebens verbrachte. Entsprungen ist er ihrer "kautsigen" Fantasie und ihrem Eigensinn - und den vielen Wechselfällen des Lebens, denen Ellis Kaut mit der nur scheinbar mühelosen Eleganz einer Slalomläuferin begegnete.

Zufälle, Ausfälle und Einfälle

Ohne die Einberufung ihres Mannes Kurt Preis und das allgemeine Weltkriegschaos wäre Ellis am Liebsten Schauspielerin geworden. Danach hätte sie wohl von dem zu leben versucht, was sie an der Münchner Kunstakademie studiert hatte: Bildhauerei. Doch da war der neu gegründete Bayerische Rundfunk, wo Kaut mit wachsendem Erfolg als Autorin und Sprecherin von Hörspielen arbeitete. Ihr Durchbruch: Die 120 Hör-"Geschichten vom Kater Musch", der mit seinem Herrchen spricht und dabei schon gewisse koboldische Züge aufweist. Bis die Stimme dieses Herrchens 1961 als Intendant nach Freiburg ging ...

Wie der Pumuckl zur Welt kam

Der erste Band ist fertig: Die Autorin Mitte der 1960er-Jahre an ihrem Schreibtisch

Etwas Neues musste her im Kinderfunk. Am Anfang war der Name: "Du bist ein rechter Pumuckl!", rief Kurt Preis seiner Frau zu: 1961, sie waren im Skiurlaub, Ellis trug eine Zipfelmütze und zupfte so lang an den schneebedeckten Tannenzweigen herum, bis der Gemahl eingeschneit war. Alles Übrige rollte an wie eine sehr langsame Lawine: "Der Pumuckl hatte 42 Jahre Zeit, um aus meinem Leben herauszuwachsen" schreibt Kaut in ihren Memoiren, nämlich ...

"... aus tausend Kleinigkeiten des Lebens, aus Zufälligkeiten, aus einem Sammelsurium von Gefühltem, Gedachtem, Erlebtem, Ersehntem, Bewusstem und Unbewusstem, aus etwas im Menschen, das Götter schafft. Und Teufel. Und Heilige. Und Gespenster. Und - Kobolde."

Ellis Kaut in ihrer Autobiografie 'Nur ich sag ich zu mir. Mein Leben mit und ohne Pumuckl'

Da sind sie wieder, die Zufälligkeiten. Dass der Pumuckl bei einem Schreinermeister landete, verdankt er einem besonders originellen Exemplar dieser Zunft, bei dem Kaut gerade ihre Wohnungseinrichtung bestellt hatte. Und vor allem anderen: Statt nach München zu ziehen, wäre die Familie 1922 beinahe in Ellis' Geburtsort Stuttgart geblieben. Ob der Pumuckl dort ein Pumuggele geworden wäre und der Eder schwäbisch geschwätzt hätte?

Der Pumuckl: Lebensaufgabe und Familienmitglied

Heraus kam ein Welterfolg in weit mehr als einer Generation. Im Radio und als Buch, dann auf Schallplatte und CD, im Fernsehen, Kino, auf DVD. Vieles nahm Kaut gar nicht wahr, es störte ihre eigene Pumuckl-Fantasie. Schon 1962 versuchte Kaut, Aufgaben an ein Team von Pumuckl-Autoren zu delegieren - vergeblich.

"Die Leute meinen immer, sie könnten auch eine Pumuckl-Geschichte schreiben. Das können sie nicht, weil es so viele spezielle Sachen beim Pumuckl gibt. Meiner Tochter geht es genauso wie mir, wenn ein falscher Ton drin ist. Genauso ging es meinem verstorbenen Mann. Die Familie wusste, wann der Pumuckl richtig spricht."

Ellis Kaut im alpha-Forum-Gespräch 2009

Ein bisschen ging es der Kaut so wie dem Eder: Wer sich einen Kobold einfängt, bekommt ihn so schnell nicht los. Dabei wären ihr das Gärtnern und die "urschöpferische" Arbeit mit Ton oder Farbe oft lieber gewesen als der tägliche Kampf mit der Schreibmaschine, der am Ende keine Kiste Äpfel und kein Kunstwerk hervorbringt, sondern einen mit Korrekturen übersähten Packen Papier. Hätten ihre Skulpturen, hätten die schönen (und inzwischen vergriffenen) Bildbände über "München zu jeder Jahreszeit" und über Island ohne Kobold mehr oder weniger Aufmarksamkeit erhalten? Jedenfalls nicht die Überschrift "Pumuckls Mama".

Manchmal, sagt Ellis Kaut, habe sie sich schon über die einseitige Wahrnehmung geärgert: "Aber einigen wir uns darauf: Der Pumuckl ist eben ein frecher Kerl. " Und hat uns wie seine Klabauterkollegen eines voraus: Talent zur Unsterblichkeit.


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