Richtig oder populistisch? Das Erdogan-Interview im Faktencheck
Der türkische Präsident Erdogan fühlt sich von der EU vernachlässigt – und hat das im Exklusiv-Interview mit dem BR unterstrichen. Wir haben Teile des Gesprächs einem Faktencheck unterzogen.

Erdogan zu Flüchtlingen und finanziellen Zusagen der EU:
"Die Regierenden der EU sind nicht aufrichtig", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Drei Millionen syrische Flüchtlinge, aber auch Menschen aus dem Irak, sind nach seinen Angaben momentan in der Türkei. Drei Milliarden Euro habe die EU der Türkei versprochen, um den Flüchtlingsandrang zu stoppen.
Aber bisher ist das Geld laut Erdogan nicht angekommen. "Ein bis zwei Millionen Euro kamen vielleicht mal", so der Präsident.
Trotzdem verspricht Erdogan, dass sich sein Land weiterhin um die Flüchtlinge kümmern werde. Die europäischen Mitglieder sollten sich aus seiner Sicht die Frage stellen, ob ihr Verhalten vertretbar war. Viele europäische Staaten hätten sich geweigert, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen.
Das zeigt der Faktencheck:
In der Tat haben sich einige europäische Staaten geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen. Es gab bekanntlich einen Riesenkonflikt innerhalb der EU. Schließlich kam es dann zu einem Tauschhandel - dem sogenannten Flüchtlingspakt. Die EU schickt Flüchtlinge und andere Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei.
Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen. Auch wurden Erdogan drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen zugesagt.
Tagesschau.de hat ausführlich mit Burak Copur, Türkei-Experte und Migrationsforscher, über das BR-Interview mit dem Präsidenten gesprochen. Aus seiner Sicht hat Erdogan "ausnahmsweise mal recht", wenn er behauptet, die Türkei habe Hilfen in Höhe von drei Milliarden Euro bisher nicht erhalten:
"Die EU hat ihre Versprechen hinsichtlich der Übernahme von Flüchtlingen und der Gewährleistung der vereinbarten finanziellen Hilfen an die Türkei nicht eingehalten. Diese Trickserei ist wirklich ein Armutszeugnis für Brüssel. Erst den Pakt mit dem Teufel schließen und sich dann nicht an Abmachungen halten. Erdogan legte hier völlig zu Recht den Finger in die Wunde."
Burak Copur
Die EU-Kommission hingegen macht eine andere Rechnung auf: Rund 740 Millionen Euro seien bereits zugewiesen, bis Ende des Monats werde der Betrag, der bereitstehe, auf über zwei Milliarden steigen.
In Brüssel weist man darauf hin, dass die Gelder - wie verabredet - nicht direkt der türkischen Regierung zu Gute kommen würden, sondern für Flüchtlinge und deren Unterbringung gedacht seien. Die EU also nimmt für sich in Anspruch, ihren Teil der Flüchtlingsvereinbarung buchstabengetreu umzusetzen. "Wir erwarten das gleiche auch von der türkischen Seite", sagt der Chefsprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas.
Erdogan über die wirtschaftliche Perspektive der Türkei:
"Wirtschaftlich gesehen haben wir keine Probleme", ist Erdogan überzeugt. "Wenn man die Wachstumsrate sich anschaut, steht die Türkei viel besser da, als die meisten EU-Länder." Mit dem Militärputsch einhergehend, sagt Erdogan, gab es Devisen auf dem Markt in einer Höhe von 2,5 Milliarden Dollar. Die Devisenreserven der türkischen Zentralbank belaufen sich nach seinen Angaben auf 122 Milliarden Dollar. Der Exportanstieg gehe weiter, so der Präsident.
Indirekt gibt er zu verstehen, dass die jüngsten Anschläge und Unruhen sich auf den Tourismus ausgewirkt hätten. Erdogan zufolge wurden aber bereits Schritte unternommen, um den Tourismus wieder anzukurbeln.
Erdogan spricht auch über die gut aufgestellten Banken und Unternehmen. Als Beispiel nennt er unter anderem die zweite Untertunnelung des Bosporus.
Das zeigt der Faktencheck:
Tatsächlich liegt das langfristige Wirtschaftswachstum in der Türkei (1995 bis 2015) deutlich über dem Durchschnitt der 35 OECD-Staaten insgesamt (OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Für dieses und das kommende Jahr erwarten Experten knapp vier Prozent Wachstum. Wie sehr der Putschversuch Investoren aus dem Ausland verunsichert und daraus folgende Kapitalabflüsse die Wirtschaft dämpfen, kann noch nicht seriös prognostiziert werden.
Starke Verluste an der Börse
Empfindlich hat allerdings der Aktienmarkt auf den Putsch-Versuch reagiert. Während der wichtigste türkische Aktien-Index, der ISE National 100, am 15. Juli, also dem Abend vor dem Putsch-Versuch mit 82.825 Punkten schloss, steht er heute bei 73.600 Punkten. Das ist ein Minus von rund 10 Prozent. Auch die Türkische Lira hat nach dem Putsch-Versuch an Wert verloren. Allerdings ist der Wertverlust nicht dramatisch. Die türkische Nationalbank hatte angekündigt, im Bedarfsfall die türkischen Märkte massiv mit Liquidität zu versorgen. Die Devisenreserven der Nationalbank liegen bei über 100 Milliarden US-Dollar. Mit diesen Reserven kann die Nationalbank auch die Lira zumindest zeitweise unterstützen.
Banken mit guter Kapitalausstattung
Positiv ist ebenfalls, dass laut OECD-Bericht vom Juli der Anteil von faulen Krediten in den Büchern der türkischen Banken vergleichsweise gering ist und die Kapitalisierung der Geldhäuser sogar als gut betrachtet wird.
Hohe Arbeitslosigkeit
Dennoch kämpft die Türkei auch mit großen Problemen: Die Inflation liegt seit Jahren bei etwa 8 Prozent. Damit ist der Wert einigermaßen stabil, liegt aber auf einem vergleichsweise hohen Level. Die Arbeitslosigkeit steigt langsam aber kontinuierlich an und liegt bei über 10 Prozent.
Knackpunkt Tourismus
Die Achillesferse der türkischen Wirtschaft ist der Tourismus. Er ist eine wichtige Einnahmequelle für die Türkei. Schon im Jahr 2015 musste der Tourismus laut türkischer Statistikbehörde das erste Mal seit eineinhalb Jahrzehnten einen Rückgang verzeichnen. Wie groß die Einbußen werden aufgrund von Angst vor Terror und Gewalt, wird sich noch zeigen müssen. Außerdem hat die Türkei in der Vergangenheit laut OECD ein deutliches Handelsdefizit aufgebaut (2015: Knapp 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts).
Ratingagentur senkt Daumen
Die Wirtschaft der Türkei, die in den vergangenen Jahren tatsächlich enorm gewachsen ist, steuert eindeutig auf unsichere Zeiten zu. Die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) jedenfalls hat die Kreditwürdigkeit der Türkei nach dem Putsch-Versuch von "BB+" auf "BB" heruntergestuft - und damit noch tiefer in den spekulativen Bereich.
Kommentieren
Batzi , Dienstag, 26.Juli 2016, 18:34 Uhr
8. da hat man erdogan eine schöne platform geboten
Schöne Werbeveranstaltung für Erdogan.
kill., Dienstag, 26.Juli 2016, 17:33 Uhr
7. Erdogan
Die in Deutschland lebenden Anhänger der Politik Erdogans, bitte sofort in die Türkei ohne Rückkehrmöglichkeit ausweisen. Da können diese Menschen am besten Herrn Erdogan unterstützen und weniger Schaden in Deutschland anrichten.
Antwort von Erich, Dienstag, 26.Juli, 18:38 Uhr anzeigen
Das hätte man schon vor Jahren machen sollen! Ich erinnere mich noch, als Erdi hier war im Wahlkampf und seine Landsleute dazu aufforderte, sich nicht zu integrieren.
Aber wie so oft, lässt sich dieser Staat alles gefallen und setzt noch seine Hoffnungen darauf, dass dieser lupenreine Demokrat, uns die Flüchtlingsproblematik vom Hals hält.....
....aber wehe wehe, man zahlt seinen Strafzettel nicht......da wird dieser Staat, rabiat.
Antwort von Truderinger, Dienstag, 26.Juli, 19:46 Uhr anzeigen
Die Türken nehmen sich lediglich dasselbe raus wie "AfD"-Wähler! Sie wählen auf demokratischem Weg eine antidemokratische Gruppierung.
Antwort von Erich, Dienstag, 26.Juli, 19:56 Uhr anzeigen
@trudlinger,
auch wenn in Deinen Augen schon wieder die Afd an allem schuld ist, langweilt die Schallplatte langsam. Die Afd ist für nix, aber auch gar nix verantwortlich an dem was aktuell politisch und gesellschaftlich passiert.
Unterhalte Dich bitte mit jemand anderen, mich langweilst Du nur.
Antwort von Roberto , Dienstag, 26.Juli, 21:17 Uhr anzeigen
Erich ) gut gekontert, aber bei Truderinger ist Hopfen und Malz verloren. Wenn in China ein Sack Reis umfällt, ist halt dann auch die Afd verantwortlich. Wenn er seine Afdphobie in den Griff bekommt, verliert er vielleicht seine Scheuklappen!
Antwort von Rumplhanni, Dienstag, 26.Juli, 23:42 Uhr anzeigen
@Truderinger, gen Österreich können Sie weiter sticheln: Der österreichische AM Sebastian Kurz (ÖVP) legt Erdogan-Anhängern die Ausreise nahe: „Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen“ Das Außenministerium habe Hinweise erhalten, wonach die österreichisch-türkischen Demonstrationen „direkt aus der Türkei“ initiiert worden seien. FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer - das ist der, der gegen den Schwarzen Grünen Kretschmann van der Bellen kandidierte, gibt ja Wahlwiederholung - fordert das Aussetzen der Verleihung von österreichischen Staatsbürgerschaften an türkische Einwanderer. Seine Partei wolle auch der Frage nachgehen, „wie viele dieser Demonstranten im Besitz einer illegalen Doppelstaatsbürgerschaft sind“.
Türkische Nationalisten - Erdogan-Anhänger - haben sich nicht nur in Deutschland, auch in Österreich in kürzester Zeit zusammen geschlossen und zu unangemeldeten Demos auf den Straßen versammelt.
Antwort von Eric, Mittwoch, 27.Juli, 09:41 Uhr anzeigen
Danke Roberto! Ich fürchte, bei Trudlinger ist Hopfen und Malz verloren! Wer angesichts des Terrors in ganz Europa noch immer nicht kapiert, dass unsere regierenden die die Verantwortung tragen und nicht irgendwelche noch nicht mal in den Land und Bundestag sitzenden Parteien, der wird auch in Zukunft nicht dazu lernen. Was solls, es kommen Zeiten, da werden solche Leute wie er, nicht mehr gefragt.
Antwort von gwastlhuber, Mittwoch, 27.Juli, 10:31 Uhr anzeigen
faszinierend wie keiner die Beiträge vom Truderinger wirklich liest. Falls meine Vor-Kommentatoren die Beitrag wirklich gelesen hätten, dann hätte sie gemerkt, dass Truderinger eine Analogie gemacht hat, also das Wahlverhalten von vielen Türken, mit den Wahlverhalten von AFD-Wählern verglichen, sonst nichts. Keine AFD verantwortlich gemacht. Anscheinend brauchen hier einige etwas Nachhilfe im verstehen von deutschen Sätzen. Nichts für Ungut, aber das nächste mal erstmal denken, und wenn man es dann immer noch nicht versteht. Einfach schweigen, ist Gold wert! Damit es auch jeder verstehen, mein Beitrag ist keine Bewertung von Truderingeräs Kommentar, sondern eine inhaltliche Klarstellung, da der Beitrag von Truderinger anscheinend nicht korrekt verstanden wurde.
Süddeutscher und gleich weg, Dienstag, 26.Juli 2016, 17:29 Uhr
6. falsche Objektivität
Kein Freund von Erdo?an und der AKP, vielmehr Freund des lazistischen Gedankens. Der Staatsputsch war vielleicht sogar inszeniert. Aber ständig auf die Politik der Türkei einzudreschen,
dafür gibts in dieser BRD gar keine Befugnis. Ich war selber schon mehrmals in verschiedenen Teilen der Türkei in den letzten 10 Jahren.
Die Bevölkerung dort ist im Vergleich zu den Türken/Kurden in der BRD viel weltoffener.
Kopftuchtragen an einer Universität oder Polizisten mit Oberlippenbart, das ist in der Türkei derzeit noch undenkbar und verboten.
In der BRD gibts raffinierte Gehirnwäsche via Medien, man liest leider nicht oft die Medien anderer Länder, die politisch unabhängiger sind, wie
der Schweiz, Italiens, Rußlands oder Österreich oder eben die türkische Presse.
Aus diesen unterschiedlichen Strömung kann man sich ein Bild machen, wenn man die Energie dazu hat.
Die BRD sollte sich erst einmal ihrer Politik schämen, sie war ein Auslöser von vielen poltischen Unruhen der letzten Jahre,
Antwort von Süddeutscher und gleich weg, Dienstag, 26.Juli, 17:44 Uhr anzeigen
das habt ihr abgeschnitten:
insbesondere durch die Willkommenspolitik für Wirtschaftsflüchtlinge und Terroristen.
Die EU ist in wenigen Monaten Geschichte. Die Türkei hat gar keine Absicht mehr dort zu partizipieren!
Europa ist am Abgrund, eine Dame (derzeit im Urlaub und richtet keine Ansprachen ans alte Volk, trotz der Vorkommnisse) hat dies geschafft.
Die Türkeit maßzuregeln steht diesem Staat aufgrund seiner inländerfeindlichen Politiker gar nicht zu.
Antwort von Truderinger, Dienstag, 26.Juli, 18:58 Uhr anzeigen
Freie Presse in Russland! Der Brüller des Tages! Bitte wandern Sie dorthin aus!
Antwort von Francesco, Dienstag, 26.Juli, 19:49 Uhr anzeigen
Wenn Sie Ihren Beitrag wirklich ernst meinen, sind entweder Sie nicht richtig informiert oder ich lebe in einer anderen Welt.....
Antwort von Süddeutscher und gleich weg, Dienstag, 26.Juli, 20:31 Uhr anzeigen
Schwer sich aus einer Tretmühle zu befreien, in der man seit Geburt steckt. Die Leute in anderen Staatsformen werden auch doktriniert. Auswandern, ja werde ich sicher noch, in einen Staat, der noch für seine Bürger da ist.
Antwort von Wanda , Dienstag, 26.Juli, 23:32 Uhr anzeigen
Sueddeutscher:
- wie bitte ? Kopftuchtragen in der Türkei derzeit verboten? Da stimmt mit Ihrer Wahrnehmung etwas nicht. Schon mal die Auftritte Frau Erdowahns angeschaut ? Die Dame trägt immer und grundsätzlich Kopftuch. Vielleicht etwas teurer als die gewöhnlichen, aber immerhin...
Antwort von Süddeutscher und gleich weg, Mittwoch, 27.Juli, 17:53 Uhr anzeigen
Offenbar bei Ihrer nicht. Können sich gerne davon überzeugen. In öffentlichen Ämtern tragen die Bediensteten kein Kopftuch.
L. Repp, Dienstag, 26.Juli 2016, 17:15 Uhr
5. Erdowahn - EU Politiker
Mancher EU Politiker hat die Weisheit mit dem Löffel gefressen, dabei sind sie allesamt inkl. Erdowahn die gleiche 'Unsippe' !!!
B.Blatt, Dienstag, 26.Juli 2016, 16:56 Uhr
4. Erdogans Interview
Das Gerede Erdogans ist nur eine Ablenkung von seinem momentan wichtigsten Schritt zur Umwandlung der Türkei in eine diktatorische Staatsform, nämlich der Wiedereinführung der Todesstrafe.
Gelingt ihm dieser Schritt, wovon wohl ausgegangen werden kann, dann hat er willkommene Möglichkeit, die Regimegegner in getürkten Schauprozessen zu entwürdigen und sie mit Todesurteilen mundtot zu machen, so nach der Methode des Volksgerichtshofes, der in unserer Geschichte eine unrühmliche Rolle
gespielt hat.