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Zukunft der EU Europa, wohin?

Seit vorletzter Woche stellt sich die Frage, in welche Richtung Europa in Zukunft steuern wird - und wer den Ton angibt. Darüber wird hinter verschlossenen Türen genauso wie öffentlich gestriten. Sollen sich einige Länder nach vorne wagen und dadurch die Richtung vorgeben? Oder sollen sich alle so schnell entwickeln, wie der langsamste EU-Staat? Eine historische Analyse.

Von: Christian Schaaf

Stand: 07.07.2016 | Archiv

Eine Europaflagge flattert im Wind | Bild: picture-alliance/dpa

"Bahnhof Wincherinngen. Es ist kurz nach zwei Uhr Nachts."

Reporter-Stimme im Radio 1951

Als 1951 alles anfängt, liegt die Hoffnung für Europa in einem Zug voller Kohle.

"Es ist so weit. Die Lokomotive setzt sich in Bewegung. Sie zieht den Güterzug 27/67 mit über 15.000 Tonnen Kohle rüber nach Frankreich"

Reporter-Stimme im Radio 1951

Was hier ins Rollen kommt, ist der erste Schritt zu einer friedlichen Zusammenarbeit in Europa. Sechs europäische Staaten, allen voran Frankreich und Deutschland hatten zuvor die sogenannte Montanunion vereinbart, um ihre Stahl- und Kohleindustrie eng miteinander zu verflechten. Zölle für Kohle und Stahl sollen wegfallen. Doch Frankreichs Außenminister Robert Schuman hatte beim Planen der Montan-Union ein noch höheres Ziel vor Augen.

"Europa lässt sich nicht mit einem Schlag herstellen. Es wird durch konkrete Maßnahmen entstehen. Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, dass der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird. Das begonnene Werk muss in erster Linie Deutschland und Frankreich umfassen. Zu diesem Zweck sollten wir sofort zur Tat schreiten und die gesamte französische und deutsche Kohle- und Stahlproduktion unter eine gemeinsame oberste Aufsichtbehörde stellen. In einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offen steht."

Robert Schuman, Außenminister Frankreich 1948-1952

Von der Montanunion zu EWG

Mit Stahl und Kohle zum ewigen Frieden. Und der soll durch eine immer enger werdende Bindung von Deutschland und Frankreich gesichert werden. So lautet die Grundkonstruktion der Europäischen Einigung. Sechs Jahre später wird in Rom aus der Montanunion die europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG.

"Rom. Im Capitol schlug einen historische Stunde. Unter die Verhandlungen zur Bildung eines gemeinsamen Marktes und die europäische Atomgemeinschaft wurde der Schlusspunkt gesetzt."

Auszug aus der Wochenschau

Nach und nach fallen alle Zölle, Visa- und Handelsschranken zwischen Deutschland, Frankreich, den Beneluxstaaten und Italien. Und mit dem Nachkriegsaufschwung der Volkswirtschaften kommt auch der Erfolg Europas. Und der macht die EWG auch für weitere Länder, auch für das  bislang europaskeptischen Großbritannien attraktiv.

"Vor 40 Jahren verglich Churchill den Gedanken der Einheit mit Myriaden von Funken…  Wir, die Vertreter der Sechser-Gemeinschaft sind froh, den Funken entfacht zu haben. Nun ist es Sache der zehner Gemeinschaft, sie zum lodernden Feuer des vereinten Europas zu entfachen."

EWG Beitritt Großbritannien

Ein Europa mit zwei Geschwindigkeiten

In den 80er Jahren kommen unter anderem Spanien, Portugal, Österreich und Schweden hinzu. Das deutsch-französische Aussöhnungsprojekt ist längst eine Sammlungsbewegung geworden - und die Frage drängt: Wer entscheidet in Zukunft, wo die Reise Europas hingeht? 1992, bei den Vertragsverhandlungen von Maastricht, wird die Vertiefung der EG-Verträge hin zu einer immer engeren politischen und wirtschaftlichen Europäischen Union mit gemeinsamer Währung beschlossen. Bundeskanzler Helmut Kohl macht klar, dass er in Deutschland durchaus eine Führungsnation der EU sieht.

"Wir haben die Deutschen Interessen, die deutsche Intention bei der Wirtschafts- und Währungunion durchgesezt. Und wir haben in vielen Details den Durchbruch geschafft."

Bundeskanzler Helmut Kohl

Diese Haltung teilt auch der damalige Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble. Er sieht die Fortentwicklung Europas als die Sache einer Handvoll von Kern-Länder an, die an den Rest Europas Impulse weitergeben sollen. Heute, als Finanzminister, hat er immer noch diese Vision für Europa:

"Einfach, dass die Pioniere für Europa vorangehen. Aber immer noch warten, dass die anderen, wenn sie mitwollen, jederzeit mitkommen. Wir müssen schrittweise in der Verbindlichkeit europäischer Regeln vorrankommen."

Wolfgang Schäuble, damaliger Bundeskanzleramtschef

Eine Vorstellung, die zeitweise auch bei der EWG-Gründungsnation Italien auf Zustimmung trifft. Romano Prodi, EU-Kommissionspräsident bis 2004, kann sich mit der Vorstellung von einem Kerneuropa durchaus anfreunden.

"Einige sprechen nun von einer Avantgarde von Pionierstaaten die die Entwicklung der EU vorranbringen soll. Lösungen dieser Art gehören zur Tradition der Europäischen Union."

Romano Prodi, EU-Kommissionspräsident bis 2004

Versuch der gemeinsamen Entwicklung

Und während sich die Staaten der Montanunion aus den 50er Jahren auf die Tradition Europas berufen, beschleicht jüngere EU-Staaten ein ungutes Gefühl: Das alte Kerneuropa könne ihnen Entwicklungen aufzwingen, zu denen man noch nicht bereit ist. Was, wenn die Gründungsstaaten sie in eine Richtung drängen, in die sie gar nicht gehen wollen? Besonders nach dem EU-Austritt der Briten besteht für sie das Schreckens-Szenario eines allzu mächtigen Deutsch-Französisch-Italienischen Clubs in der EU. Außenpolitiker wie Frank-Walter-Steinmeier sind daher bemüht, das Bild eines Kerneuropas wieder aus der Welt zu schaffen.

"Ich kann ihnen sozusagen nur aus der heutigen Diskussionberichten, dass von einigen Rednern insbesondere Überlegungen sich jetzt stärker auf ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten, auf ein Kerneuropa zurückzuziehen oder gar die Gründernationen wieder mit besonderen Rechten in Anspruch genommen sind, betont zurückgewiesen worden sind."

Frank Walter Steinmeier, Bundesaußenminister Deutschland

Eines scheint aber dennoch klar zu sein: Wenn Europa sich weiter entwickeln soll, braucht es eine Lokomotive an der Spitze. Ob dann aber alle Staaten in gleicher Geschwindigkeit nachfolgen müssen , diese Frage wird noch zu klären sein.


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Kommentieren

Karl, Freitag, 08.Juli 2016, 16:23 Uhr

3. Andere Denkweisen sollten erlaubt sein!

@Franz: An Ihren(andere Kommentare ins schlechte Licht stellende) Kommentaren merkt man, dass Sie nach meiner Wahrnehmung ein ewig Gestriger sind.
Es tut nicht weh etwas zu ändern(vor allem zum Guten) und andere Ideen zu denken.

  • Antwort von Franz, Freitag, 08.Juli, 17:32 Uhr

    Sehen Sie, Karl, mit der Wahrnehmung ist das so eine Sache. Gerade weil sich hier so viele ewig Gestrige tummeln, schreibe ich dagegen an und werde mir das sicher nicht nehmen lassen.

    In schlechtem Licht stehen hier viele Kommentare von ganz alleine. Mein kleiner Beitrag ist höchstens, dies noch ein wenig zu verdeutlichen.

    Wollen wir hoffen, dass es sich zum Guten ändert, wenn sich etwas ändert.

Barbara, Donnerstag, 07.Juli 2016, 15:10 Uhr

2. Sprachbarrieren müssen abgebaut werden!

Es ist dringend nötig, daß in allen europäischen Ländern mindestens zwei Sprachen gleichzeitig gesprochen werden, damit die Sprach-Barrieren abgebaut werden und Verständigung möglich wird. Wichtig wäre auch, daß eine östliche Sprache, wie z. B. Russisch, an öffentlichen Schulen unterrichtet wird, damit die Verständigung auch in Richtung Osten möglich wird.

Francesco, Donnerstag, 07.Juli 2016, 13:21 Uhr

1. Volk ernst nehmen... !!

Wir haben eine total veränderte Welt seit dem ersten Hauch von EU. Dies wird von den Draghis, Junckers, Schulzens, etc. dieser Welt nicht gesehen oder aus eigener Überschätzung / Arroganz / Ignoranz, etc. ignoriert. Deshalb müssen diese Leute erst mal aus der Verantwortung genommen werden. Dann muss - in geeigneter Form - die Volksmeinung eingeholt werden. Damit meine ich konkrete, sinnvolle und vor allem umsetzbare Ideen und Vorschläge und nicht die ewigen "ich bin auf jeden Fall dagegen..." Stimmen.
Letztlich muss aus der Essenz Volk / Politik das Beste in einem Projektteam diskutiert werden und in umsetzbare Vorschläge gegossen werden. Natürlich dauert das "ein wenig", aber es sichert aus meiner Sicht die Zukunft Europas Hintergrund dieses Vorgehens ist, das größte aktuelle Problem (Ignoranz des Volkes u.z.T. auch der Landesregierungen !!) wird offiziell aufgegriffen und hoffentlich gelöst.

  • Antwort von Franz, Freitag, 08.Juli, 13:02 Uhr

    Das "Projektteam" hat mich überzeugt. Ein echter Schenkelklopfer ;-)