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Gericht kippt Feiertagsschutz in Bayern Stille Nacht, schrille Nacht?

An Allerheiligen oder Heiligabend hat das Nachtleben in Bayern Zwangspause. Neun "stille" Feiertage gibt es im Freistaat. Tanzveranstaltungen sind dann Tabu. Der Karfreitag wird durch das Bayerische Feiertagsgesetz besonders geschützt. Unverhältnismäßig, sagt das Bundesverfassungsgericht.

Von: Tilmann Kleinjung und Birgit Beck

Stand: 30.11.2016 |Bildnachweis

Karfreitag | Bild: picture-alliance/dpa

Am Karfreitag gilt das Ruhegebot bislang ausnahmslos. Das Bundesverfassungsgericht hält diese Vorschrift für unverhältnismäßig. Es muss auch am Karfreitag Ausnahmen von der Pflicht zur Stille geben, heißt es in einem heute veröffentlichten Beschluss der Karlsruher Richter.

Gericht fordert "Abwägung im Einzelfall"

Anlass für den Beschluss war eine Verfassungsbeschwerde des "Bundes für Geistesfreiheit", einer Organisation, die sich für die strikte Trennung von Staat und Kirche einsetzt. Diese wollte am Karfreitag 2007 eine Veranstaltung unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual - religionsfreie Zone München" anmelden.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat verbot diesen demonstrativen Bruch der Feiertagsruhe. Zu Unrecht, findet das Bundesverfassungsgericht und empfiehlt den Behörden eine "Abwägung im Einzelfall".

Höherer Schutz der Versammlungsfreiheit

"Negative Religionsfreiheit"

"In diesem Land herrscht Religionsfreiheit, und das schließt die negative Religionsfreiheit mit ein. Warum sollen wir an einem für alle Menschen freien Tag nicht zu einem Fest oder zu einer Party einladen dürfen in eine Gaststätte oder ein Theater, um dort zu feiern, zur Musik zu tanzen? Schließlich würden alle gesetzlichen Auflagen beachtet (Emissionsschutz, Jugendschutz etc.), und zum Betreten dieser Stätte würde ja niemand gezwungen? Es würde den gläubigen Christen ja damit nicht verboten, am Tag des Todes ihres Herrn zu trauern." Assunta Tammelleo, stellv. Vorsitzende des Bund für Geistesfreiheit München

Weil die Veranstaltung "in einem geschlossenen Raum mit überschaubarer Teilnehmerzahl" hätte stattfinden sollen, wären die Auswirkungen auf den "Stillecharakter" des Karfreitags überschaubar gewesen. In einem solchen Fall müsse der Schutz der Versammlungsfreiheit höher bewertet werden als der Schutz des Feiertags.

Der Karlsruher Beschluss bedeutet allerdings nicht die Abschaffung der "stillen" Feiertage. Grundsätzlich sei das bayerische Feiertagsgesetz verfassungskonform. Das Tanzverbot an Karfreitag, Allerheiligen und Heiligabend (der zwar kein gesetzlicher Feiertag, aber ein sogenannter "stiller Tag" ist) gilt erst einmal weiter.

Grüne voller Lob - CSU sieht Urteil kritisch

Die Grünen im Landtag begrüßen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die religionspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Ulrike Gote, erklärte, die Haltung der Grünen sei damit bestätigt worden. Aufgabe eines verfassungsgemäßen Feiertagsgesetzes sei es, die Religionsfreiheit zu schützen.

"Pauschale Totalverbote à la CSU helfen uns hier nicht weiter und werden zu Recht von den Menschen in Bayern nicht mehr akzeptiert."

Ulrike Gote, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion

Die CSU kündigte an, den Beschluss zu prüfen. Innenminister Joachim Herrmann sagte: "Wir werden dem Schutz des Karfreitags und der stillen Tage weiterhin Vorrang einräumen". Das Urteil versteht Herrmann dahingehend, dass das Gericht deutlich gemacht habe, welche hohe Bedeutung der Karfreitag als stiller Tag genieße.

"Deshalb bleibt für uns die Leitlinie, den Charakter der stillen Tage, wie etwa den des Karfreitags, in Bayern auf jeden Fall beizubehalten und nicht anzutasten."

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Münchner KVR begrüßt Entscheidung

Das Kreisverwaltungsreferat hat mittlerweile klargestellt, es werde ab sofort gemäß der gerichtlichen Vorgaben über Befreiungen für den Karfreitag entscheiden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei bindend, heißt es aus dem KVR.

"Das bringt Klarheit, erleichtert die Arbeit der Kommunen und ermöglicht eine liberalere Handhabe der Regeln, die zu begrüßen ist."

Dr. Thomas Böhle, Münchens Kreisverwaltungsreferent







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wm, Mittwoch, 30.November 2016, 14:18 Uhr

5. Feiertage.....

......abschaffen!!!!

  • Antwort von Ingo Knietow, Mittwoch, 30.November, 14:46 Uhr anzeigen

  • Antwort von stoffel, Mittwoch, 30.November, 14:54 Uhr anzeigen

  • Antwort von wm, Mittwoch, 30.November, 18:22 Uhr anzeigen

Isabell Speidel, Mittwoch, 30.November 2016, 14:14 Uhr

4. 354 Tage im Jahr Halli Galli reichen nicht?

Ach die Grünen sprechen "von den Menschen in Bayern" ja ja "wir sind das Volk" ...... die Mehrheit arrangiert sich und benötigt nicht den kommunistischen säkularen Staat a la Grün !

RobertH, Mittwoch, 30.November 2016, 14:06 Uhr

3. Armes Abendland

Es ist einfach nur traurig, aber macht nur so weiter...bin mal gespannt was die Verfassungsrichter sagen wenn es eine Klage gegen das Geschrei vom Muezzin gibt....Kirchglocken und ein Hahn der am Morgen kräht sind ja auch schon oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen.

Anna, Mittwoch, 30.November 2016, 13:58 Uhr

2. Karfreitag

Finde es beschämend, dass das Tanzverbot aufgehoben wird. Warum kann man nicht einmal im Jahr seine Vergnügungssucht einstellen? Da heißt es, die Sprache verkommt usw., aber das mit solchen Urteilen es anfängt und auch Werte und Traditionen zunichte gemacht werden, das ist egal. Es ist traurig ein Christ zu sein, weil Tradition nichts mehr bedeutet und dann auch kein Wunder ist, wenn sich "Neue" Werte gesucht werden.

  • Antwort von R.B., Mittwoch, 30.November, 15:46 Uhr anzeigen

Manfred, Mittwoch, 30.November 2016, 13:58 Uhr

1.

Gut so, ein erster kleiner Schritt. Aber das Urteil geht mir nicht weit genug.

@BR:
Ähmm.... Heiligabend ist doch kein stiller Feiertag ?!? Ich war da früher öfters auf Party

  • Antwort von Roland, Mittwoch, 30.November, 14:52 Uhr anzeigen

  • Antwort von HP, Mittwoch, 30.November, 15:24 Uhr anzeigen