Flüchtlingsabkommen mit Türkei Bundesregierung arbeitet offenbar an Plan B
Was passiert, sobald des zum "worst case" zwischen der EU und der Türkei kommt? Ein Aufkündigen des Flüchtlingsabkommens hätte dramatische Folgen, soviel steht schon jetzt fest. Im Bundesfinanzministerium will man offenbar nicht davon überrascht werden und bereitet sich vor - nur nicht offiziell.
Die Bundesregierung bemüht sich weiter um enge Kontakte zur türkischen Regierung. Trotzdem hat sie nach einem Bericht des "Spiegel" einen Plan für den Fall, dass das Flüchtlingsabkommen scheitert. In einem internen Papier des Bundesfinanzministeriums heißt es nach Angaben des Magazins, die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen seien völlig unklar.
"Erneuter Handlungsbedarf auf europäischer Ebene ist nicht ausgeschlossen."
Vermerk im Papier des Bundesfinanzministeriums
Die Finanzfachleute fühlen sich demnach zuständig, weil mit der Flüchtlingskrise auch Kosten für den Bundeshaushalt verbunden sind. In dem Papier werden demnach die nötigen Schritte nach einem Scheitern des Abkommens durchgespielt. Das Finanzministerium erklärte widerum, dass seine Mitarbeiter regelmäßig entsprechende Szenarien durchdenken würden. Zu konkreten Positionspapieren nehme man aber keine Stellung.
Wenn der Türkei-Deal platzt, ist Griechenland gefordert
Im Falle eines Scheiterns würde Griechenland wieder eine besondere Rolle zukommen. Denn dort müsste zum einen die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Außengrenze der EU besonders "verlässlich" schützen. Zum anderen müssen Vorbereitungen getroffen werden, nicht abweisbare Flüchtlinge - beispielsweise aus humanitären Gründen - in grenznahen Auffanglagern zu sammeln, zu registrieren und nach Quoten zu verteilen, so die Einschätzung laut "Spiegel" im entsprechenden internen Papier.
"Vollumfängliche Kooperation Griechenlands ist sicherzustellen, auch unter Anwendung finanziellen Drucks. Ansonsten droht Rückzug auf eine erst im Westbalkan haltbare Grenzlinie."
Vermerk im Papier des Bundesfinanzministeriums
Türkei droht, das Flüchtlingsabkommen platzen zu lassen
Das im März zwischen der EU und Ankara geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommende Flüchtlinge zurücknimmt. Im Gegenzug stellte die Europäische Union Visafreiheit für türkische Bürger in Aussicht. Ankara droht, das Abkommen platzen zu lassen, wenn der Visazwang nicht bis Oktober fällt. Die "Bild" berichtete unterdessen, dass die Bundesregierung diesen Zeitplan für unrealistisch halte. Grund seien Probleme bei der Einführung der geforderten biometrischen Pässe für die türkischen Bürger bei EU-Reisen.
Finanzielle Hilfe für Drittstaaten
Aus deutscher Sicht habe dabei die Grenzsicherung der Bundesgrenzen Priorität, die gegebenenfalls angepasst werden müsse. Interessant dazu ist eine Anmerkung zum Fall von sich verändernden Flüchtlingsrouten, bei denen Drittstaaten eine besondere Rolle zukommen würde. Dabei ist auch die Rede davon, dass die "Kooperationswilligkeit und -fähigkeit finanziell befleißigt werden" könne.
Bilaterale Gespräche geplant
Außenminister Frank-Walter Steinmeier plant unterdessen eine Reise in die Türkei und Kanzlerin Merkel sieht weiterhin "eine besondere Verbindung" zwischen Deutschland und der Türkei. Sie verwies insbesondere auf die über drei Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland. Die Beziehungen zwischen Ankara und Berlin waren unter anderem wegen der repressiven Reaktion der türkischen Regierung auf den Putschversuch abgekühlt.