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NSU-Prozess Die Angeklagten - fünf Porträts

Die Terrorzelle des NSU hielt sich streng abgeschirmt. Ohne Unterstützung von außen hätte sich das Trio aber kaum mehr als 13 Jahre in der Illegalität halten können. Außer Beate Zschäpe müssen sich jetzt vier der Terrorhelfer vor Gericht verantworten.

Von: Jürgen P. Lang

Stand: 09.11.2012 | Archiv

Montage: Beate Zschäpe, dahinter 4 stilisierte Männersilhouetten | Bild: colourbox.com; dapd; Montage: BR

Am 8. November 2012 hatte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe als Mittäterin der Zwickauer Terrorzelle angeklagt. Im wesentlichen geht es um zehn Morde. Nach dem Willen der Anklagebehörde sollen sich auch vier mutmaßliche Helfer vor dem Oberlandesgericht München verantworten, unter ihnen spielt der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben eine zentrale Rolle. Die fünf Angeklagten im Kurzporträt:

Beate Zschäpe (37)

Beate Zschäpe

Die einzige Überlebende des "Zwickauer" Terror-Trios steht unter Mordanklage. Konkret wirft ihr die Bundesanwaltschaft Mittäterschaft bei den zehn Morden, den zwei Sprengstoffanschlägen und den 15 bewaffneten Raubüberfällen der Zelle vor. Hinzu kommt unter anderem eine Anklage wegen besonders schwerer Brandstiftung. 1998 tauchte Zschäpe gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter, um der drohenden Festnahme zu entgehen. Die drei Neonazis aus dem thüringischen Jena gründeten eine Terrorgruppe und nannten sich spätestens ab 2001 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Zeugen beschreiben Zschäpe als gleichberechtigtes Mitglied. Sie soll das Geld verwaltet und in der Gruppe das Sagen gehabt haben. Nach dem Selbstmord ihrer Kumpane am 4. November 2011 setzte sie die gemeinsame Wohnung im sächsischen Zwickau in Brand. Zschäpe soll auch die menschenverachtenden Bekennervideos mit dem "Paulchen Panther"-Motiv verschickt haben, die die Mordserie des NSU und schließlich das beispiellose Versagen der Sicherheitsbehörden offenbarten. Vier Tage später stellte sie sich der Polizei in Jena. Seitdem sitzt Zschäpe in Untersuchungshaft.

Ralf Wohlleben (37)

Ralf Wohlleben

Der ehemalige Thüringer NPD-Funktionär mit Kontakten zur militanten Kameradschaftsszene soll die Mordwaffen organisiert haben. Der heute 37-Jährige wusste nach Ansicht der Ermittler von den Verbrechen. Am 29. November 2011 wurde er im Zusammenhang mit der Mordserie verhaftet und sitzt als einziger der mutmaßlichen Unterstützer noch in U-Haft. Mitte der 90er Jahre gründete er gemeinsamen mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe die "Kameradschaft Jena". Alle vier gehörten auch dem rechtsextremistischen "Thüringer Heimatschutz" an. Wohlleben gilt als Schlüsselfigur beim Untertauchen des Trios im Jahr 1998. Er hielt telefonisch Kontakt zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe und soll sie bei ihrer Flucht finanziell unterstützt haben. Am schwersten wiegt jedoch der Umstand, dass Wohlleben maßgeblich bei der Beschaffung der Ceska 83 beteiligt war. Mit der Waffe hatten Mundlos und Böhnhardt zwischen 2000 und 2006 neun Migranten regelrecht hingerichtet.

André E. (33)

André E. (Mitte) bei seiner Festnahme.

Der 33-Jährige gilt als Hardcore-Neonazi. Der gelernte Maurer war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll es zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. Die Ermittler hielten ihn zunächst für den Ersteller des "Paulchen Panther"-Videos. Als Zweifel daran aufkamen, ordnete der Bundesgerichtshof im Juni seine Freilassung an. Es sei nicht klar, ob E. von den Terrortaten wusste. In der aktuellen Anklage wird ihm Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Daneben soll er an den Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen sein, was die Anklage als Beiheilfe zum versuchten Mord wertet. Zudem soll sich E. wegen Beihilfe zum Raub verantworten.

Holger G. (38)

Holger G. bei seiner Festnahme.

Er gehörte wie Wohlleben und die drei Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft und war fest in der thüringischen Neonazi-Szene verwurzelt. 1997 zog der 38-Jährige nach Niedersachsen um. Er spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Er überließ Böhnhardt einen Ersatzführerschein sowie 2001 und 2011 seinen Pass. Von Überfällen und Morden will er nichts gewusst haben. Nach der Verhaftung im Januar 2012 kam er Ende Mai wieder auf freien Fuß. Seine Ausssagen während der Vernehmungen lieferten den Ermittlern aufschlussreiche Informationen über das Verhalten und die Denkweise des Terror-Trios. G. steht unter Anklage wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen.

Carsten S. (32)

Carsten S. (2. von links) bei seiner Festnahme.

Er soll zusammen mit Ralf Wohlleben die Tatwaffe zu den Morden an neun Kleinunternehmern beschafft haben und damit ebenfalls der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig sein. S. löste sich kurz darauf aus der Szene, lebte ab 2001 in Nordrhein-Westfalen und legte nach seiner Verhaftung im Februar 2012 ein umfangreiches Geständnis ab. Aus diesem Grund ließ ihn die Bundesanwaltschaft im Mai nach viermonatiger Untersuchungshaft wieder frei. S. sagte sich nach Auffassung der Ermittler glaubhaft vom Rechtsextremismus los. Außerdem war er zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, ihm könnte nach dem milderen Jugendstrafrecht der Prozess gemacht werden. Aus Sorge vor Racheakten aus der rechtsextremistischen Szene befindet sich S. momentan im Zeugenschutzprogramm.

Weitere Helfer

Das Umfeld der NSU ist weitaus größer - folgende Personen sind nicht von der aktuellen Anklage betroffen: Der Fernfahrer Matthias D. aus dem sächsischen Erzgebirgskreis unterschrieb die Mietverträge für zwei Wohnungen des Trios. Der ehemalige sächsische Chef der rechtsextremistischen Gruppierung "Blood & Honour", Jan W., soll persönlichen Kontakt zum Trio gehabt haben. Der Chemnitzer Thomas S., ebenfalls von "Blood & Honour", verschaffte den dreien 1997 Sprengstoff und Unterschlupf in Chemnitz. Max Florian B. soll 1998 den frisch Untergetauchten als erster ein Quartier gegeben haben. Mit seinem Personalausweis beantragte Mundlos im September dieses Jahres einen Pass. B.s ehemalige Freundin Mandy S. wiederum soll Zschäpe ihre Identität geliehen haben. Pierre J. und Herrmann S. stehen im Verdacht, Mundlos bei der Beschaffung einer Pumpgun geholfen zu haben.

Der 6. Strafsenat des OLG München

Er wird den NSU-Prozess vermutlich leiten: der Vorsitzende des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München, Manfred Götzl.

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichtes (OLG) München heißt auch Staatsschutzsenat. Er ist mit fünf Berufsrichtern besetzt, den Vorsitz hat Manfred Götzl. Er hat Erfahrung mit spektakulären Fällen. Der Senat ist zuständig bei Anklagen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Offenbarung von Staatsgeheimnissen. Außerdem werden dort sämtliche Terrorprozesse in Bayern verhandelt. So muss sich auch die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe demnächst vor dem Staatsschutzsenat verantworten. Der 6. Strafsenat verhandelt aber auch Revisionsverfahren. Zuletzt hatte er einen Freispruch gegen einen Journalisten aufgehoben, der den Schauspieler Ottfried Fischer mit einem Sex-Video zu einem exklusiven Interview genötigt haben soll.


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