Bürgerwehren in Bayern Auch Rechtsextremisten wollen auf Streife
Sie wollen die Sicherheit der Stadt selbst in die Hand nehmen: In ganz Deutschland bilden sich Bürgerwehren - auch in Bayern. Das ist nicht ungefährlich, auch weil sie teilweise die rechte Szene anziehen.
Ein ganz normaler Nachmittag in Memmingen. Nicolas Kellner und sein Freund machen sich auf den Weg in die Innenstadt. Dort wollen sie einen Kontrollgang machen. Schauen, ob alles ruhig ist, dass es keine Probleme gibt. Eigentlich eher Aufgabe der Polizei - aber trotzdem will Nicolas Kellner selbst für Sicherheit sorgen. Und hat deswegen eine Bürgerwehr in Memmingen gegründet. Eine Gruppe, die auf Facebook innerhalb von wenigen Tagen knapp 800 Fans generiert hat.
"Profis" gehen mit
Türsteher und ehemalige Polizisten seien in der Gruppe, so Kellner: "Die meisten von uns haben schon Erfahrungen im Bereich Kampfsport und Verteidigung", sagt Kellner, fügt aber gleich hinzu, er wolle "Verteidigung" hervorheben, "schließlich geht es nicht darum, jemanden anzugreifen." Wenn Kommentare auf seiner Seite in die rechte Richtung gehen, läge das nicht in seiner Verantwortung, sagt Kellner. Schließlich wäre jeder selbst verantwortlich für seine Kommentare. Auch Nicolas Kellner weist jegliche rechte Verbindung von sich, gibt sich im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk als rechtstreu und staatsbürgerlich.
Über 100 Bürgerwehr-Gruppen auf Facebook
Sich - und vor allem die Frauen - in Deutschland zu verteidigen, das Bedürfnis scheinen momentan viele in Deutschland zu haben: Die Bürgerwehr in Memmingen ist eine von etlichen Bürgerwehren, die derzeit gegründet werden - meist als Reaktion auf die Vorfälle an Silvester in Köln. Das zeigt ein Blick auf Facebook: Wer dort in der Suche "Bürgerwehr" eingibt, bekommt über 100 Suchergebnisse ausgespuckt. Wenn man historische Vereine und Scherzgruppen aussortiert, die als "Burgerwehr" Fastfood den Kampf angesagt haben, bleiben allein über 60 verschiedene Gruppen übrig, die den Namen "Bürgerwehr" tragen - aus diversen Städte in ganz Deutschland.
Interaktive Karte - es werden keine Daten von Google Maps geladen.
Interaktive Karte: Facebookgruppen in Deutschland (Stand 20.01.2016)
Wenn man dann noch Gruppen dazu zählt, die sich zwar nicht Bürgerwehr nennen, sich aber dennoch zum "Schutz ihrer Mitbürger" zusammenschließen, dann bekommt man wieder über 100 Ergebnisse - und es kommen ständig neue Gruppen dazu. Auch in Bayern gibt es neben Memmingen auch Gruppen in München, Bayreuth, Landshut, Neumarkt und Miesbach.
Motivation und Hintergrund nicht immer eindeutig
Ein genauerer Blick auf die Seiten zeigt allerdings: Nicht jede Seite, die sich Bürgerwehr nennt, scheint auch schon als solche aktiv zu sein - auf vielen Seiten wird bisher lediglich darüber diskutiert, manche weisen die Idee, um die Häuser zu patrouillieren, sogar komplett von sich. Auch von rassistischem Gedankengut distanzieren sich zunächst viele. So heißt es beispielsweise in der Beschreibung der Gruppe "Neumarkt passt auf": "Hier geht es keinesfalls um rassistisches Gedankengut oder um die Diskriminierung Menschen anderer Herkunft." Weiter heißt es allerdings: "Diese Gruppe versteht sich als Gegenpol zum Aufmarsch der "neuen nicht integrierbaren Mitbürger", die unsere Schwestern, Mütter und nicht zuletzt unsere Töchter als "ungläubige Schlampen" bezeichnen und in ihrem Wahn nicht einmal vor öffentlicher Vergewaltigung zurückschrecken." In der Gruppe selbst sind immer wieder rassistische Posts zu finden. Und da ist Neumarkt kein Einzelfall.
In Bayreuth beobachtet die Polizei die Bürgerwehr dort kritisch
Auch in Bayreuth hat sich eine Bürgerwehr mit dem Namen "Bayreuther Bürgerwehr zum Schutze unserer Frauen u. Kinder !!!" gebildet, die knapp 130 Mitglieder zählt. Auf schriftliche Anfragen des Bayerischen Rundfunks zur Motivation der Gruppe sowie den konkreten Zielen und Vorhaben der Bürgerwehr antworteten die Initiatoren der Gruppe nicht. Die Polizei Bayreuth sieht die Gruppierung sehr kritisch, schließlich könnten sich die Bayreuther, wenn sie aktiv werden wollen, bei der Sicherheitswacht der Polizei engagieren, anstatt auf eine Faust loszuziehen. Auch angesichts von Kommentaren in der Gruppe wie "Wir können ja nicht einfach losziehen und Neger treten. Das kann in keiner Weise Sinn einer solchen Aktion sein", wollen sie die Gruppierung beobachten. Konkrete Aktionen gab es allerdings noch nicht. Bei einem ersten kurzfristig angesetzten Treffen vergangenen Freitag kamen nur zwei Mitglieder aus der Gruppe.
"Münchner helfen Münchner" zieht auch Neonazis an
Eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen sind vereinzelte Mitglieder einer Münchner Gruppe, die zunächst "Bürgerwehr München" hieß und sich dann in "Münchner helfen Münchner" umbenannt hat: Dabei sind nicht nur Pegida-München-Unterstützer. Laut der privat organisierten Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (Firm) sind immer mehr Mitglieder-Profile dort auch Neonazis beziehungsweise rechten Hooligans zuzuordnen.
Die Münchner Polizei sieht die Gründung der Bürgerwehren äußerst kritisch. Auch sie bestätigt, unter den Mitgliedern seien Neonazis, die die angstvolle Stimmung in der Bevölkerung für ihre Zwecke ausnutzen würden. Eine weitere Gruppe, die sich auf Facebook ebenfalls zunächst unter dem Namen "Münchner Bürgerwehr" gründete, sich dann aber "Zivilcourage München" nannte, plant ebenfalls Spaziergänge durch München, um die Stadt so sicherer zu machen. Sie schreiben zwar auf ihrer Seite, sie würden Extremismus in jeglicher Form ablehnen. Eine Interviewanfrage zu den Hintergründen und Motivation der Gruppe lehnen die Initiatoren aber ab.
Bald Zustände wie in den USA?
Wie die Polizei, sieht auch das Innenministerium die Bürgerwehren kritisch.
"... Das heißt, dass diese Bürgerwehr-Idee offensichtlich auch von Rechtsextremisten auch für deren Zwecke missbraucht wird. Ich halte insgesamt nichts davon, wenn wir hier neue Organisationen gründen, die dann womöglich auch wieder problematische Entwicklungen nehmen. Die Menschen sollen unserer Polizei vertrauen. ..."
Innenminister Joachim Herrmann im BR
Ganz egal, ob nun rechtes Gedankengut gepostet werde, oder die Mitglieder aus dem rechten Milieu kämen, allein die Idee „Recht und Ordnung in die eigene Hand nehmen zu wollen“, sei der der „blanke Horror“, so kritisiert auch Robert Andreasch von AIDA e.V. die Bürgerwehren. Das erinnere ihn an Entwicklungen in den USA, wo Bürger das staatliche Gewaltmonopol aushebeln wollen.
Umfrage auf unserer Facebook-Seite - User größtenteils gegen Bürgerwehren
Die überwiegende Mehrheit der User, die sich auf unserer Facebook-Seite an einer Umfrage beteiligt haben (bisher cirka 100 Personen), sagen, dass wir keine Bürgerwehren in Bayern brauchen. Bei angemessener Zivilcourage bestehe keine Notwendigkeit für Bürgerwehren, schreibt ein User. Ein anderer sagt, das sei Aufgabe der Polizei.
Kommentieren
Sani, Sonntag, 24.Januar 2016, 00:03 Uhr
41. Bürgerwehr
Es gibt nur eine Bürgerwehr:
"Die nächsten Landtags-bzw, Bundestags Wahlen"
Alles andere währe "Humbuk ".
Antwort von michael reier, Sonntag, 24.Januar, 09:59 Uhr
Es wäre für den Bürger gut, wenn es funktionieren würde. So wird die Demokratie in der Schule dem Bürger erklärt.
Es hat nur das Problem das jeder der anderer Meinung ist verboten wird und Extremist ist (Vergleichbar mit dem Teufel in der Religionen). Das eigentliche Übel sind die Bürokatien (Ministerien) und das Parteibuch der Mitarbeiter in den Ämtern. Oder Glauben Sie das ein Minister weiss was er tut, der darf nur Vortragen was hinten dran entschieden wurde - oftmals kennt er den Inhalt seiner Rede nicht oder kann den Inhalt geistig nicht erfassen.
Mangels Bildung kennen die Politiker weder die Verfassung, noch das Grundgesetz, nur deshalb ist ein Verfassungsgericht notwendig.
Es wird nicht an einer radikalen Reform vorbeiführen um eine Demokratie, im Sinne der alten Griechen einzuführen.
Gruss Michael
Manni, Samstag, 23.Januar 2016, 23:41 Uhr
40. Bürgerwehr
Als Familienvater, mit zwei Kindern und Eigenheim,welcher seit jahrzehnten seinen Job macht, seine Steuern bezahlt, nicht straffälig geworden ist, habe ich keine Angst vor einer "Bürgerwehr".
Eher fürchte ich die derzeitige Politik.
50 Jahre gearbeitet, fester Wohnort, keine Vorstrafen, immer Steuern bezahlt.
Warum sollte ich Angst vor einer Bürgerwehr haben?
Wenn die Polizei es nicht mehr macht, machen wir es halt selbs, damit habe ich kein Problem.
BR-Fan, Samstag, 23.Januar 2016, 23:02 Uhr
39. Wenn es "Bürgerwehren" geben muß...
Wenn es "Bürgerwehren" geben muss hat der Staat ganz klar versagt.
Was hat die Politik alles übersehen?
Oder war es Absicht?
Wenn man die Geschichte der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein bisschen anschaut dann muss man erkennen das sich die Geschichte wiederholt.
An das Ende dieser Jahre können sich nur mehr wenige erinnern.
Oder wollen manche "Kräfte" wieder diese Zustände.
Aber diesmal können wir nicht sagen das wir davon nichts gewusst hätten.
sindy, Samstag, 23.Januar 2016, 22:59 Uhr
38. Bürgerwehr
Lieber eine Bürgerwehr, als keine Poizei.
Gehrolf Gahlheimer, Samstag, 23.Januar 2016, 22:47 Uhr
37. Bürgerwehr
Eine Bürgerwehr in kleineren Orten, sowie kleineren Gemeinden währe durchaus eine vernünftige Option, den zumehmenden Einbrüchen und anderen Vergehen entgegenzutreten.
Wenn die Polizei wegen derzeitiger Überlastung erst eine Stunde später einträfe, könnte die Bürgerwehr zumindest die "verdächtigten" Personen festhalten.
Insofern währe es auch nur eine "Abwehr". Das eigendliche Problem liegt jedoch wo anders.