Niederbayern erzittert Im Schatten des Maßkrugs
"Da war schon mal mehr los"
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... sagt ein Mann mit Trachtenhut, der eilig dem Ausgang der Passauer Dreiländerhalle zustrebt. Stimmt. Und das lag nicht an der vorab beschworenen neuen Nachdenklichkeit im Schatten des Ukrainekriegs. Geholzt wurde durchaus, wenn auch weniger gegen die politische Konkurrenz als gegen Griechen und Kosovaren.
Zurückhaltung auch bei der SPD. Was passiert, wenn gerade nirgends Wahlkampf ist und in Berlin Große Koalition, zeigt schon ein Vergleich der Vilshofener Reden Sigmar Gabriels 2012 und 2015.
"Wer sowas vorschlägt, der hat sie nicht alle!"
Sigmar Gabriel über Horst Seehofer und das Betreuungsgeld 2012
"Ich werde meinen Freund Seehofer heute nicht vorführen. Das machen schon seine eigenen Minister."
Sigmar Gabriel 2014
Taten sie aber nicht. Statt die Gelegenheit zu nutzen, um in programmatischen Reden Visionen für eine christsoziale Zukunft zu entwerfen, kauten Markus Söder und Ilse Aigner - umlagert von Reportern - Fischsemmeln und Erdnüsse.
Auch das Willkommensschild für Karl-Theodor zu Guttenberg zeigte neben gewissen Schwäche in englischer Grammatik vor allem, dass der ehemalige Hoffnungsträger nicht da war. Und auf der Bühne sammelte vor Horst Seehofer schon sein Vorvorgänger Edmund Stoiber den größten Teil der Ovationen ein, indem er seinen Vorvorgänger ("logischerweise im Himmel") grüßte.
"Strauß blickt mir jeden Tag über die Schulter."
(Horst Seehofer im Interview)
Keine Wahl, (fast) nirgends: Nach der Superurnentriathlonsaison 2013/14 fürchten viele, das bayerische Traditionsspektakel Nummer 1 könnte 2015 so beschaulich werden wie ein Nordseeurlaub im Winter. Dabei gibt es durchaus brisante Fragen zu klären. Zum Beispiel:
Die Frage aller Fragen
Wer sind denn nun die mehrer'n? In den vergangenen Jahren inszenierten CSU und SPD wilde Rechenschiebereien darum, wer die meisten Besucher in seine Löwenhöhle locken konnte. Nicht weniger als 7.000 CSU-Fans wollte Alexander Dobrindt 2013 in der Passauer Dreiländerhalle gesehen haben. Die SPD - dank zugkräftiger Redner wie Peer Steinbrück und Martin Schulz zeitweise auf schwindelerregender Augenhöhe - zählte rund 5.000 Zuschauer und reklamierte den ersten Platz postwendend für sich. Schlagendes Argument der Bierzelt-Sozis: Die Dreiländerhalle der Konkurrenz ist nur für 4.000 Menschen zugelassen.
"Jeder Sitzplatz, jeder Stehplatz ist besetzt. Und deswegen können wir sagen, dass wir mit 7.000 Besuchern heute die größte politische Veranstaltung in Bayern haben."
Alexander Dobrindt, damals CSU-Generalsekretär 2013 in Passau
"Warum die sich so verrechnen? Nicht wegen dem Bier. Die haben den ADAC beauftragt, ihre Zuschauerzahlen zu ermitteln."
Florian Pronold, SPD-Vorsitzender Bayern, 2014 in Vilshofen
Die drei (großen) Fragezeichen
Jetzt geht es wieder um die Wurst. Die SPD schickt mit Sigmar Gabriel den Chef persönlich nach Vilshofen - und um für Binnenkonkurrenz zu sorgen, zusätzlich noch Florian Pronold nach Schweinfurt und Yasmin Fahimi nach Augsburg.
Und wer hält für die CSU dagegen?
Ungewöhnlich lange hat Bayerns Regierungspartei diese Frage offen gelassen. Noch fünf Wochen vor dem Auftritt war nur zu erfahren, dass "selbstverständlich der Parteivorsitzende" sprechen wird. Jetzt ist klar, dass neben dem ruhestandswilligen Seehofer Alt-Ministerpräsident Edmund Stoiber und EVP-Fraktionschef Manfred Weber zu Wort kommen sollen.
Und wo bleiben die Kronprinz(essinn)en?
Übrigens: Gabriel spricht nicht zum ersten Mal in Vilshofen - aber "zum ersten Mal in seinen Funktionen als Vizekanzler und Wirtschaftminister" (SPD-Mitteilung).
"Angela Merkel regiert nicht, sie moderiert nicht mal. Das ist keine Präsidialkanzlerin, das ist eine Trivialkanzlerin."
Sigmar Gabriel 2010 in Vilshofen
Ob er sich das 2015 auch noch traut?
Noch mehr (mittelgroße) Fragezeichen
Offiziell alles offen war lange auch bei den Freien Wähler ("N.N."). Obwohl: Wer außer Hubert Aiwanger sollte da groß kommen? Jetzt wissen wir: Münchens FW-Chef Michael Piazolo, der es sich kaum nehmen lassen wird, über Horst Seehofers Kehrtwende in der Konzertsaal-Debatte zu lästern.
Die Grünen spielen naturgemäß kein Solo, sondern laufen in Schafkopfstärke ein: Neben Cem Özdemir und Claudia Roth sprechen der Landesvorsitzende Eike Hallitzky und Fraktionschefin Margarete Bause. Die Linke schickt einen Dreier mit Gregor Gysi als Trumpf auf die schwankenden Planken eines Donaudampfers.
Ob die "Kleine Opposition" beim Bier mehr reißt als im Bundestag?
Nicht ganz unspannend auch das: Wer ist und was will Nicola Beer? Die neue Generalsekretärin der FDP versucht in der BMW-Stadt Dingolfing, ihre Partei vom Pannenstreifen zu kriegen. Wie hält es AfD-Chef Bernd Lucke mit Pegida? Und wer interessiert sich dafür? Und natürlich: Was essen Piraten in der Fastenzeit? Basisdemokratisch haben sie den Aschermittwoch unter ihren Kreisverbänden ausgeschrieben. Punkten konnte, wer "mindestens ein echtes vegetarisches Gericht" auf den Tisch bringt - am Ende wie im Vorjahr München.
Der BR ist heute natürlich wieder vor Ort dabei - mit einem Live Blog. Was seit 1919 und ganz besonders in den vergangenen zwei Jahren los war, sehen Sie hier.