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Internet-Fakes Unter falscher Flagge

Immer wieder kommt es im Netz zu "False-Flag-Operationen": Hetzer stehlen aus echten Meldungen Fotos, schreiben einen neuen Text und erfinden ein passendes Medium dazu, um dann den positiven Artikel in Frage zu stellen.

Von: Maximilian Zierer

Stand: 12.08.2015 | Archiv |Bildnachweis

Illustration: Hände auf einer Computertastatur, Piratentatoo | Bild: colourbox.com; Montage: BR

Eigentlich ist es eine ganz schöne Meldung, die da auf Facebook geteilt wird: "Junge Flüchtlinge mit Herz schenken obdachloser deutscher Frau ihre Einkaufsgutscheine". Dazu ein Foto der Obdachlosen Marlies T., die die Gutscheine in die Kamera hält. Der Link unter der Nachricht führt auf die Webseite des Bergheimer Tageblatts. Die Kommentare unter dem Link sind weniger schön: "Die haben doch die dicken Scheine im Sack" oder "Die klauen doch sowieso überall", heißt es dort.

Das Problem: Der Artikel ist eine Fälschung. Und noch dazu eine schlechte. Es gibt weder eine Obdachlose Marlies T., noch ein Bergheimer Tageblatt. Das Foto ist gestohlen, von der Webseite des Deutschlandradios. Die Journalistin Ellen Häring hatte dort vor über einem Jahr in einem Selbstversuch über Einkaufsgutscheine für Asylbewerber berichtet. Neben dem Bericht: Ein Foto von Häring vor einem Supermarkt: "Die Verfälschung war jetzt, dass eine rechtsradikale Gruppe das Foto genommen hat", sagt Häring.

"Man sieht die Gutscheine, mein Gesicht ist etwas verpixelt. Und die Message steht darunter: Die Obdachlose Marlies T. -also ich- hat drei Lebensmittelgutscheine von Asylbewerbern geschenkt bekommen. Weil die es ja nicht nötig haben, ist der Subtext, sich mit Lebensmittelgutscheinen zu versorgen."

Ellen Häring

Stimmung gegen Asylbewerber und Medien

Auch wenn die Meldung frei erfunden ist, hat der Fälscher sein offenkundiges Ziel erreicht: Stimmung gegen Flüchtlinge und Medien zu machen. Und im Netz finden sich immer mehr solcher Falschmeldungen. Der Verein Mimikama hat einige davon dokumentiert. Meistens werden dabei Flüchtlinge im positiven Licht dargestellt, zum Beispiel weil sie angeblich Geldbeutel oder Koffer finden und als ehrliche Finder zurückgeben.

In rechtsextremen Blogs und Facebookseiten werden die Links dann geteilt, als Beweis für die vermeintliche Lügenpresse und ihre angebliche Propaganda:"Lassen Sie sich nicht verarschen, von dieser schmierigen Mitleids-Aktion der Medien", heißt es etwa in einem der Blogs.

Die Fälle häufen sich

Fälschung und Original: Die gefälschten Texte sollen als Beweis für die vermeintliche Lügenpresse dienen.

Ein anderer Fall, eine andere Facebookgruppe, aber wieder die gleiche Masche: "Flüchtling aus Syrien findet 50 Euro und übergibt sie feierlich dem Rathaus", heißt es in etwas krummem Deutsch unter einem Link der zu "Spieglein.de" führt. Dazu ein Foto, auf dem "Hassan B. aus Damaskus" den Schein in die Kamera hält. Doch auch diese Nachricht ist gefälscht. Das Foto zu dem Artikel wurde von der Webseite des Westfalen-Blatts gestohlen und zeigt in Wahrheit einen Flüchtling aus Eritrea, dem eine Busfahrt verweigert wurde. Aber hier gehen die Fälscher noch einen Schritt weiter: Sie stellen den Originalartikel daneben und zweifeln dann den Wahrheitsgehalt ihrer eigenen Fälschung an. Der Schuldige wieder: die bösen Medien. Auf Facebook wird der Artikel jetzt so geteilt: "Das ist doch das Foto mit dem 50-Euro-Finder? Werden wir schon wieder mal von der Systempresse verarscht?"

"Besondere Perfidie"

Experten nennen solche Fälschungen "False-Flag-Operationen", also Aktionen unter falscher Flagge. Die Hetzer stehlen aus echten Meldungen Fotos, schreiben einen neuen Text und erfinden ein passendes Medium dazu, um dann den positiven Artikel in Frage zu stellen. Der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sagt:

"Diese False Flags haben natürlich eine besondere Perfidie, da hier den Massenmedien unterstellt wird, gute Meldungen über Asylsuchende zu fälschen. Dabei sind die Fälschungen von diesen rechtsextremen Kreisen selbst erstellt, um dann darauf aufbauend Kritik zu äußern und diesen Lügenpressenvorwurf, der nun schon seit einiger Zeit kursiert, zu erhärten."

  Christoph Neuberger

Die Konfusion ist offenbar gewollt. Der User soll am Ende nicht mehr wissen, was nun echt ist und was falsch. Und die Wahrheit bleibt dabei auf der Strecke. Deshalb gilt: Wer Artikel über Asylbewerber findet, sollte lieber zweimal überprüfen, ob der Text echt ist. Selbst wenn die Nachricht noch so positiv ist.







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Amelia, Samstag, 15.August 2015, 12:22 Uhr

22. Fake-Meldungen

Ich fürchte, das sind leider die missverstandenen Auswüchse der Pressefreiheit. Jeder schreibt, was er will. Die Regenbogenpresse tut das schon lange, mit - sich gegenseitig - widersprechenden Schlagzeilen und keiner tut was dagegen (Außer Caroline von Monaco ab und zu..) Welcher Nachricht soll man überhaupt noch trauen, zu Zeiten, in der die Wahrheiten so unbequem sind?

Krause, Donnerstag, 13.August 2015, 16:33 Uhr

21.

Das sind doch nur besorgte Bürger, die einfach nicht mehr wissen, was sie noch machen sollen angesichts der Überfremdung ihres Denkapparats.

  • Antwort von Ignaz, Donnerstag, 13.August, 20:28 Uhr anzeigen

  • Antwort von Krause, Freitag, 14.August, 06:49 Uhr anzeigen

  • Antwort von Richard, Sonntag, 16.August, 16:39 Uhr anzeigen

Michael-Günther Bayer, 91522 Ansbach, Donnerstag, 13.August 2015, 08:14 Uhr

20. Verfälschte Nachrichten

Vielen Dank für diesen Artikel. Da kommt man leicht ins grübeln. Aber Gott sei Dank habe ich jeden Tag noch meine Tageszeitung Fränkische Landeszeitung, da kann ich mir dann doch noch ein anderes Bild machen. Aber es ist sehr sehr gut, dass der BR hier mal aufklärt. Ihr solltet sowas öfters zeigen im Fernsehen aber auch hier im Netz. Und was mir auch sehr sehr wichtig ist: Es sollte permanent über diesen braunen Sumpf berichtet werden, damit die Ermittlungsbehörden noch mehr dazu aufgefordert werden, dagegen endlich vorzugehen. Viel Glück dabei und meine Unterstützung habt Ihr auf alle Fälle. Denn dieser braune Sumpft nervt mich, vor allem wegen unserer Geschichte.

Philanthrop, Mittwoch, 12.August 2015, 18:10 Uhr

19. Dem o.g. Artikel kann ich viel wahres abgewinnen, ABER

m.M. nach spiegelt sich oft in der virtuellen Welt des I-Nets eine gewisse Ohnmacht und Demokratieverdrossenheit des einzelnen Bürgers wider.
Der Bürger, eigentlich der sog. Souverän der Demokratie, hat im Grunde das hinzunehmen, was das politische Establishment und die Massenmedien, der Mainstream vorgibt.
Diese Phänomene im I-Net mit den Fakes, false-flag-Aktionen, sehe ich eher als Ventil und als besorgniserregendes Signal für einen zunehmenden Unmut über Demokratie und gesellschaftlichen. Zustände. Quasi ein Seismograph.
Der Bürger muss in einer lebendigen Demokratie wieder spüren, dass er tatsächlich etwas zu entscheiden hat. Nicht nur alle 4 Jahre, sondern bei allen wesentlichen, gesellschaftsrelevanten Themen wie TTIPP, Wirtschaftsmigration vs. Asylanspruch, Erweiterung der EU, oder gar Beendigung dieses Experiments, € usw. sollte in Zukunft ohne den Bürger nichts mehr möglich sein.
Demokratie wagen, dann wird sich auch die Diskussionskultur im I-Net transformieren!

  • Antwort von DaW, Donnerstag, 13.August, 09:46 Uhr anzeigen

  • Antwort von Patti, Donnerstag, 13.August, 12:26 Uhr anzeigen

  • Antwort von Krause, Donnerstag, 13.August, 16:45 Uhr anzeigen

  • Antwort von Wendedemokrat, Freitag, 14.August, 09:24 Uhr anzeigen

  • Antwort von Krause, Freitag, 14.August, 22:54 Uhr anzeigen

  • Antwort von Kopfschmerzen, Sonntag, 16.August, 04:41 Uhr anzeigen

Antifa Aktivist, Mittwoch, 12.August 2015, 16:06 Uhr

18. Juristische Mittel

Da kann man doch juristisch vorgehen, die Bilder sind doch sicherlich urheberrechtlich geschützt. Wenn man also diese Nazi Fake seiten verklagt sollte sich damit doch das ganze Netzwerk bloß stellen lassen.

  • Antwort von David Ehrgart, Mittwoch, 12.August, 17:27 Uhr anzeigen

  • Antwort von Altansässiger, Mittwoch, 12.August, 18:27 Uhr anzeigen

  • Antwort von Popelbert, Donnerstag, 13.August, 07:50 Uhr anzeigen

  • Antwort von Holperbald , Donnerstag, 13.August, 11:28 Uhr anzeigen