Geboren im Allgäu, erschossen in Syrien Der Tod des Kemptener Islamisten David G.
Gemeinsame Recherchen des ARD-Politmagazins report MÜNCHEN mit der Allgäuer Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dokumentieren auf bestürzende Weise, wie sich David G., ein völlig normaler Jugendlicher aus Kempten im Allgäu innerhalb von Monaten in einen sogenannten islamistischen Gotteskrieger verwandelte.
Mitte Januar 2014 starb David G. bei Gefechten in Syrien. Sein Fall wirft für die Behörden und Terrorismusexperten zahlreichen Fragen auf. Denn zusammen genommen passt keines der bislang immer wieder im Zuge von radikalisierten Islamisten genannten Erklärungsmuster auf den Kemptener Teenager: David G. stammte aus bürgerlichen Verhältnissen, hatte keinen Migrationshintergrund, fiel nicht als Straftäter auf und galt als fleißiger, beliebter Lehrling.
Rasche Radikalisierung
Bedrückend ist zudem, dass sich David G. bereits wenige Monate nach seiner Konversion zum Islam radikalisierte. Bald verachtete er die Demokratie, pries das islamische Rechtssystem, die Scharia, und hielt Frauen für weniger wert als Männer. In den beiden Kemptener Moscheen erhielt David G. Hausverbot.
Ziel Syrien
Im Sommer 2013 kündigte er seinen Lehrvertrag und erklärte, nach Syrien zu gehen, um dort zu kämpfen. Ein erster Ausreiseversuch zusammen mit einem Minderjährigen scheiterte im August 2013 am Münchner Flughafen, nachdem die Bundespolizei eingeschritten war. Zu diesem Zeitpunkt war David G. bereits als potenzieller Gefährder aktenkundig. Dennoch ließ sich David G. nicht beeindrucken; im Gegenteil. Wenige Wochen später unternahm David G. einen zweiten Ausreiseversuch mit der Bahn. Über Österreich, Serbien und Bulgarien reiste er in die Türkei. Dort verliert sich seine Spur. Nur mehr sporadisch meldete er sich in Kempten.
Verstrickt im islamistischen Netzwerk
Die Recherchen des ARD-Politmagazins report MÜNCHEN mit der Allgäuer Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zeigen erstmals, wie eng David G. in ein propagandistisches Netzwerk radikaler Islamisten in Deutschland eingebunden war. Bereits kurz nachdem er seine Lehrstelle gekündigt hatte, wurde David G. zum "Manager" einer radikalen Internetplattform berufen. Auf den Seiten der "Jugend der Gemeinschaft der Muslime" wird Hass und Gewalt gepredigt. David G. wurde somit Teil eines weltweiten islamistischen Netzwerkes, dies belegen exklusiv vorliegende Dokumente. Immer wieder weisen Spuren zudem nach Nordrhein-Westfalen. Einer der engsten Freunde von David G. war beispielswiese Islamist Mustafa K. aus Dinslaken. K. war Teil einer größeren Gruppe von radikalen Islamisten, die nach Syrien wollten. Das Umfeld dieser Männer weist Bezüge zur 2012 vom Bundesinnenministerium verbotenen Millatu-Ibrahim-Bewegung auf.
Wohl nicht der einzige Bayer
Millatu-Ibrahim galt bis zum Verbot 2012 als eine der radikalsten Islamistenbewegungen in Deutschland. Trotz des Verbots gelang und gelingt es dieser Bewegung aus dem Untergrund heraus, junge Muslime für ihre radikales Weltbild zu gewinnen. Laut den gemeinsamen Recherchen hatte auch David G. Bezüge zu der verbotenen Gruppe im In- und Ausland. Er war vermutlich nicht der einzige Islamist, der aus Bayern kommend Kontakte zu dieser Gruppe suchte und auch fand.
Weg ins Verderben
Anwohner aus Dinslaken Lohberg berichteten Reportern von report MÜNCHEN und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sie hätten Fahrzeuge aus Würzburg, Augsburg und München gesehen und, dass die Islamisten seit fünf Jahren im Viertel aktiv gewesen seien. Vom Allgäu nach Syrien in den Tod: Im Fall von David G führte der Weg ins Verderben über radikale islamistische Strukturen, darunter in Nordrhein-Westfalen.