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Terroranschlag in Istanbul Spur der Attentäter führt in die Ex-Sowjetunion

Beim Terroranschlag auf den Flughafen Istanbul sind mehr Ausländer ums Leben gekommen als bislang bekannt war. Von den 43 Toten seien 19 Nicht-Türken. Das gab Innenminister Efkan Ala am Donnerstag bekannt. Die Attentäter stammen womöglich aus Zentralasien und dem Kaukasus.

Von: Thomas Bormann und Silke Henning

Stand: 30.06.2016

Blumen für die Opfer des Anschlags am Istanbuler Flughafen | Bild: pa/dpa/Tolga Bozoglu

Laut Ala deuten die Ermittlungen immer stärker daraufhin, dass die IS-Terrormiliz hinter dem Selbstmordanschlag stecke. Einer der Attentäter sei mittlerweile identifiziert, so der Minister, der allerdings keine genaueren Angaben zu dem Mann machte. Ala sagte zudem, im Rahmen der Ermittlungen zum Anschlag auf dem Flughafen seien in Istanbul 13 Personen festgenommen worden, unter ihnen vier Ausländer. Sie alle stehen im Verdacht, Verbindungen zur IS-Terrormiliz zu haben.

Attentäter womöglich aus Zentralasien und dem Kaukasus

Türkische Medien berichten, die drei Selbstmordattentäter hätten zu einer zentralasiatischen Terrorzelle des IS gehört. Sie sollen angeblich aus Usbekistan, Kirgisien und der zu Russland gehörenden Republik Dagestan stammen. Eine offizielle Bestätigung zu diesen Angaben gibt es noch nicht.

Gab es Sicherheitslücken am Flughafen?

Zuvor hatte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim eingeräumt, dass einer der Attentäter bis ins Innere des Flughafengebäudes vordringen konnte. Das hatten die türkischen Behörden bisher abgestritten. Am Mittwochabend war sogar etwas Selbstkritik vom türkischen Regierungschef zu hören:

"Es reicht offenbar nicht aus, das Gepäck von Fluggästen mit Röntgen-Strahlen zu durchleuchten. Wir müssen gewappnet sein für den nächsten Angriff mit Waffen; wir brauchen wohl zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen."

Türkischer Ministerpräsident Binali Yildirim

Nach den Erkenntnissen der Ermittler, so Yildirim, hatte sich ein erster Attentäter an der Eingangskontrolle des Flughafens in die Luft gesprengt. Das dadurch ausgelöste Chaos nutzte ein zweiter Täter, um in die Halle einzudringen und dort seine Bombe zu zünden.

"Ich war gerade an der Maschine, an der man seine Koffer in Plastikfolie einwickeln lassen kann. Dann hörte ich eine Explosion. Die Polizei rief: 'Hinlegen, hinlegen!' Alle haben sich auf den Boden gelegt. Ich hinter die stählerne Wickelmaschine, die hat mich geschützt. Denn die Täter schossen auf die Polizei und die Polizisten auf die."

Augenzeuge am Flughafen

Kampf gegen den Terror

Wenn der türkische Minister für Europa-Angelegenheiten, Ömer Celik, heute in Brüssel auf EU-Politiker trifft, wenn nämlich die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei in die EU feierlich erweitert werden, dann bringt Minister Celik eine Botschaft aus der Türkei mit:

"Die Solidarität, die die EU der Türkei gegenüber nach den Terror-Anschlägen zeigt, ist sehr bedeutend."

Minister für Europa-Angelegenheiten, Ömer Celik

Allerdings fügte der türkische Europa-Minister ein dickes Aber hinzu: "Aber - und das sage ich auch meinen Kollegen in der EU - wir brauchen einen umfassenden, gemeinsamen Aktionsplan gegen den Terrorismus."

Dabei dürfe nicht zwischen Terrororganisationen unterschieden werden, zum Beispiel zwischen der Terrormiliz IS und der PKK. Das sei für die Sicherheit der Türkei, die Sicherheit Europas und der ganzen Welt wichtig. Hinter diesem Satz steckt der Vorwurf, der in der Türkei oft zu hören ist, nämlich, dass die EU klammheimlich die kurdische PKK unterstütze.

Zwar gilt die PKK auch in der EU als Terror-Organisation, dennoch kritisieren viele EU-Politiker das harte Vorgehen der Türkei gegen die PKK. Viele EU-Politiker fordern, die Türkei solle den Friedensprozess mit den Kurden wieder aufnehmen und dabei auch die PKK als Verhandlungspartner akzeptieren. Genau das aber lehnt die türkische Regierung vehement ab. So werden heute auch die Beitrittsverhandlungen in Brüssel vom Streit über den richtigen Weg zur Bekämpfung des Terrors überschattet sein.

Hinweise des Auswärtigen Amtes

Die Sicherheitshinweise wurden aktualisiert: Reisende sollen in Istanbul Kontakt zu ihrem Reiseveranstalter oder der Fluglinie aufnehmen und die aktuelle Berichterstattung der Medien verfolgen. Außerdem rät man zu Vorsicht auf öffentlichen Plätzen, vor Touristen-Attraktionen und generell in Menschenansammlungen.

Tathergang ähnelt anderen IS-Anschlägen

Die türkischen Behörden sind sich inzwischen ziemlich sicher, dass die Terrormiliz IS hinter dem Angriff steckt. Es gebe Parallelen zum Anschlag auf den Brüsseler Flughafen. Außerdem habe der IS in der Vergangenheit "weiche Ziele" wie zufällig anwesende Passanten angegriffen. Die kurdische PKK und deren Splittergruppen griffen normalerweise das Militär oder Regierungsvertreter an. Bei dem blutigen Anschlag auf dem Atatürk-Flughafen haben drei Attentäter 42 Menschen mit in den Tod gerissen. Etwa 240 Menschen wurden verletzt. Darunter ist eine Frau aus Deutschland. Sie wird von Mitarbeitern des dortigen Generalkonsulats betreut. Hinweise auf deutsche Todesopfer hat das Auswärtige Amt nicht. Es gebe aber noch keine vollständige Gewissheit.

Flüge von München nach Istanbul annulliert

Viele Flüge von und nach Istanbul sind noch gestrichen oder werden umgeleitet. Auch Flüge nach München wurden annulliert. Inzwischen normalisiert sich der Betrieb im größten Flughafen der Türkei aber langsam. Die türkischen Behörden wollen so schnell wie möglich zur Normalität zurück. Jetzt – in der Hochsaison der Reisezeit, soll der Flugplan wieder eingehalten werden.

Tourismus am Boden

Der Tourismus in der Türkei liegt am Boden. Allein in Istanbul war das gestern schon der vierte Terror-Anschlag in diesem Jahr. Hinzu kommen zwei tödliche Anschläge in der Hauptstadt Ankara in diesem Jahr – all das hat bereits  viele Touristen abgeschreckt.

Hoteliers und Gastwirte in der Türkei befürchten, dass die Rechnung der Terroristen aufgeht und bald gar keine Urlauber mehr in die Türkei kommen.

Tödliche Anschläge in der Türkei

7. Juni 2016

Im Zentrum von Istanbul explodiert eine Autobombe, als ein Polizeibus vorbeifährt. Sechs Polizisten sowie fünf Zivilisten werden getötet. Zu der Tat bekennen sich die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

13. März 2016

Bei einem Anschlag im Zentrum der Hauptstadt Ankara sterben mindestens 37 Menschen. Mehr als 120 weitere werden verletzt. Eine Selbstmordattentäterin hatte sich mit einem Auto nahe einer belebten Bushaltestelle in die Luft gesprengt. Auch hier bekennen sich die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK).

Februar 2016

Bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi im Regierungsviertel von Ankara sterben 30 Menschen, darunter der Selbstmordattentäter. Später bekennt sich die aus der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK hervorgegangene militante Splittergruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) zu der Tat. Die türkische Regierung macht die PKK und ihren syrischen Ableger YPG für den Anschlag mitverantwortlich.

Januar 2016

Bei einem Anschlag im historischen Zentrum Istanbuls werden zwölf Deutsche getötet. Der Angreifer sprengt sich mitten in einer deutschen Reisegruppe in der Umgebung der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in die Luft. Der Attentäter gehörte nach Angaben der türkische Regierung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an.

Oktober 2015

Am Rande einer regierungskritischen Demonstration in der Hauptstadt Ankara reißen zwei Sprengsätze mehr als 100 Menschen in den Tod. Die Staatsanwaltschaft macht die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich.

September 2015

Bei einem Bombenanschlag in Igdir in der Osttürkei werden zwölf Polizeibeamte getötet. Zuvor starben bei einem Angriff der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK und Gefechten im südosttürkischen Daglica in der Provinz Hakkari 16 Soldaten.

August 2015

Bei einem Bombenanschlag und einem anschließenden Angriff auf eine Polizeiwache in der Millionenmetropole Istanbul werden mindestens vier Menschen getötet. Zwei Frauen greifen zudem das US-Konsulat an, eine wird festgenommen. Sie soll Mitglied der linksextremen Terrororganisation DHKP-C sein.

Juli 2015

Im südtürkischen Grenzort Suruc reißt ein Selbstmordattentäter 33 pro-kurdische Aktivisten mit in den Tod. Die Behörden machen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich, die sich allerdings nie zu der Tat bekennt.

Juni 2015

Zwei Tage vor der türkischen Parlamentswahl verüben Unbekannte in der südosttürkischen Kurden-Metropole Diyarbakir einen Sprengstoffanschlag auf eine Veranstaltung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Mindestens vier Menschen sterben.

Mai 2013

Bei der Explosion zweier Autobomben in der Grenzstadt Reyhanli werden mehr als 50 Menschen getötet. Die Regierung beschuldigt türkische Linksextremisten mit Kontakten zum Regime im benachbarten Syrien.

September 2011

Drei Menschen sterben in der türkischen Hauptstadt Ankara, als im Regierungsviertel eine Bombe explodiert. Eine Splittergruppe der PKK bekennt sich zur Tat.


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Kommentieren

Rita Groß, Freitag, 01.Juli 2016, 16:05 Uhr

8. Terror

Ich glaube nicht,daß Anschläge verhindert werden können.Es wird nicht der letzte Anschlag sein,Kampf ist angesagt.Mit den Flüchtlingen sind die Terroristen in sämtliche Länder gekommen,unkontrollierbar.Leider!!!!Die Politiker streiten es zwar nach wie vor ab,aber es ist eben so.Das sagt fast jeder Deutsche und alle können nicht so blöd sein.1

Vielflieger, Donnerstag, 30.Juni 2016, 11:23 Uhr

7. Sicherheitslücken?

Nein, es gab keine Sicherheitslücken am Flughafen! Wer das Leuten glauben machen will, der sollte nie mehr aus dem Haus gehen. Solche Anschläge sind de facto nicht zu verhindern, außer man sperrt den Flughafen - was dann aber dazu führen würde, dass niemand mehr fliegen kann. Dieses ständige "noch sicherer Gelaber" geht mir dermaßen auf den Geist. Und jedes Mal, wenn ich mein halb volles Colafläschchen vor dem Sicherheitsbereich wegwerfe, ärgere ich mich. Denn es hat nichts mit Sicherheit zu tun, sondern nur etwas mit Volksverdummung, wenn man glaubt, dadurch würde irgendetwas sicherer. Sicherheitsmaßnahmen gehen immer davon aus, dass der Täter überleben will. Gegen Leute, die ihren eigenen Tod mit einplanen, kann man sich so gut wie nicht wehren. Leidtragende sind die Millionen "normalen Menschen", die immer noch eine zusätzliche überflüssige Kontrolle über sich ergehen lassen müssen - ohne Sicherheitsgewinn!

  • Antwort von Manfred, Donnerstag, 30.Juni, 13:44 Uhr

    " wenn ich mein halb volles Colafläschchen vor dem Sicherheitsbereich wegwerfe, ärgere ich mich. Denn es hat nichts mit Sicherheit zu tun, sondern nur etwas mit Volksverdummung, "

    Na ja, DAS hat wohl in erster Linie mit den Geschäftsinteressen der Shop-Betreiber im Sicherheitsbereich bzw. den Airlines zu tun. Kann man doch nun viel besser Getränke zu überhöhten Preisen verkaufen.

dentix07, Donnerstag, 30.Juni 2016, 09:28 Uhr

6. IS Anschläge auf türkischem Flughafen

Irgendwie seltsam, daß Daesh (IS) Anschläge in einem Land verübt welches ihn(heimlich) unterstützt! Oder hat Erdogan die Unterstützung inzwischen eingestellt? Dann wär's verständlich!
Und das alles während des Ramadan!? Ist das nicht eigentlich ein nicht notwendiger Bruch islamischer Vorschriften, deren strikteste Einhaltung Daesh doch ansonsten so predigt?
Mhm! Oder .....? Nein, den Gedanken spinne ich lieber nicht weiter!

  • Antwort von Verschwörer, Donnerstag, 30.Juni, 11:42 Uhr

    Der IS bricht ständig die Gesetze des Islam wie Sie vielleicht bemerkt haben mögen. Sie können sich also den billigen Versuch ihrer Verschwörungstheorien gleich mal auf´s Klo nageln.

Gabi, Donnerstag, 30.Juni 2016, 07:25 Uhr

5. Erdogan schreckt mich ab!

Es stimmt, vor solchen Anschlägen ist man nirgendwo sicher.
Ich würde derzeit wegen des Verhaltens von Sultan Erdogan nicht in der Türkei Urlaub machen. Er tritt die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei mit Füßen und fliegt Bombenangriffe auf Kurdengebiete. Erdogan hat doch zunächst den IS gewähren lassen, weil er für ihn Assad und die Kurden bekämpft hat.
Er soll sogar Waffen an den IS geliefert haben. Ja, die Geister, die er rief....

Sachsendreier, Mittwoch, 29.Juni 2016, 19:48 Uhr

4. Diese Vermutung wird sich sicher bestätigen.

Wer anders als Salafisten wollen sich gemeinsam mit auserkorenen Opfern in das Paradies bomben?