Rede des Kommissionspräsidenten Juncker sieht EU in "existenzieller Krise"
Mehr Geld für Investitionen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Und mehr Sicherheit an Europas Grenzen. Das sind zwei Kernpunkte der Rede zur Lage der EU von Kommissionspräsident Juncker.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kam in seiner Rede gleich zum Punkt: Er sieht die Europäische Union in einer existenziellen Krise. Die 28 Mitgliedstaaten sprächen zu oft nur von ihren eigenen nationalen Interessen, sagte Juncker heute Vormittag in seiner Rede zur Lage der Union im Europaparlament in Straßburg.
"Die Zahl der Bereiche, in denen wir solidarisch zusammenarbeiten, ist zu klein."
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
Die nächsten zwölf Monate seien entscheidend, "wenn wir unsere Union wieder zusammenführen wollen", sagte Juncker. Europa könne nur funktionieren, wenn alle nach Einheit und Gemeinsamkeit streben und das Gerangel um Kompetenzen und die Rivalitäten zwischen Institutionen hinter sich lassen. Nur dann sei Europa mehr als die Summe seiner Teile. Die großen, demokratischen Nationen Europas dürften sich nicht vom Populismus verführen lassen.
Umdenken beim Reizthema "Flüchtlingsaufnahme"
In der andauernden Flüchtlingskrise setzt Juncker auf bessere Grenzsicherung und mehr Kooperationsbereitschaft in der EU. Mehrere EU-Länder weigern sich nach wie vor, mehr Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Die Slowakei und Ungarn klagen gegen die Verteilung vor dem Europäischen Gerichtshof. Die ungarische Regierung wird dazu Anfang Oktober eine Volksabstimmung abhalten.
Juncker deutete nun ein Umdenken der EU-Kommission ein: Solidarität könne Mitgliedstaaten nicht auferlegt werden. Solidarität müsse freiwillig sein und von Herzen kommen. Zugleich rief er die EU-Staaten auf, ihren "fairen Anteil" zu übernehmen, Flüchtlinge umzusiedeln oder auch beispielsweise aus der Türkei aufzunehmen.
Kein "Europa à la Carte" für die Briten
Hinkriegen muss Junckers Kommission auch den Brexit. Und zwar so, dass Großbritannien Handelspartner der EU bleibt, die Ausstiegskonditionen aber hart genug sind, um potentielle Nachahmer in der EU abzuhalten. Auch das machte Juncker in seiner Rede klar: Die Briten würden keinen "Binnenmarkt à la Carte" bekommen.
EU-Investitionsfonds wird verdoppelt
Wie funktioniert der Investitionsplan Junckers?
Der sogenannte Juncker-Plan soll mit einem kleinen Anteil öffentlicher Gelder vor allem private Investitionen anstoßen. Der Grundstock waren 21 Milliarden Euro im "Europäischen Fonds für strategische Investitionen" (EFSI). Seit seinem Beginn sind damit nach Angaben der EU-Kommission bereits Projekte für 116 Milliarden Euro gestartet worden. Die Finanzierung der Verdoppelung des Programms in Volumen und Dauer ist allerdings noch nicht geklärt. Als gesichert gilt nach Junckers Worten nur ein Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro bis 2020. Nötig sind darüber hinaus weitere Mittel aus dem EU-Haushalt wie auch von den Mitgliedsstaaten.
Mehr Zusammenhalt als Trennung gibt es offenbar beim Thema Wirtschaft, beim gemeinsamen Binnenmarkt. Juncker kündigte in seiner Rede an, den milliardenschweren Investitionsfonds zu verdoppeln: Von 315 auf 630 Milliarden Euro bis 2020. Der Fonds funktioniere besser als erwartet, so Juncker. Auch für Afrika solle es einen Investitionsplan geben, kündigte Juncker an - und dadurch werde man auch die Ursachen für die Flüchtlingsbewegung bekämpfen.
Hohe Erwartungen der Parlamentarier
"Wir brauchen mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und mehr private Investitionen", fordert der CDU-Europaabgeordnete Reul. Dafür müssten Regulierungen gestrichen werden.
"Ich glaube, dass man mit weniger Regulierung dafür sorgt, dass Leute Lust haben zu investieren. Ein Unternehmen wird nur dann investieren, wenn es damit auch Geld verdienen kann. Und, wenn es von vornherein sich mit 27.000 Regeln rumträgt, hat es keine Lust."
Herbert Reul, CDU
Juncker muss eine klare Ansage machen, wohin es mit Europa geht, fordert der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann.
"Er muss die Verantwortung übernehmen, neue Vorschläge zu präsentieren, die Menschen überzeugen, warum Europa wichtig ist für uns. Weniger bürokratischer Talk, mehr konkrete Hilfe für die Alltagssorgen der Menschen, das erwarten wir."
Udo Bullmann, SPD
Lösungen gefordert
Probleme gibt es genug, die Lösungen fehlen, zwei Tage vor dem EU-Sondergipfel in Bratislava. Sicher leben ist in Zeiten des Terrors ein Thema, mit dem man Menschen in Europa für Europa gewinnen kann, meint der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul, Junckers Parteikollege. Die EU müsse den rechtlichen Rahmen so setzen, "dass Polizei zusammenarbeiten kann, dass man Daten austauscht, dass es mehr Personal gibt an den Außengrenzen". Das alles könne man machen, um den Leuten zu zeigen, "wir kriegen was hin".
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Aufklärer, Donnerstag, 15.September 2016, 12:51 Uhr
36. Kommentare belegen es - sehr schlecht informierte EU Bürger
Die EU muss sich besser erklären.
Die Halbwisser und EU-Kritiker haben ejnes gemeinsam: Sie äussern nur negatives. Kein einziger der konzertirten Schreiber hat auch nur ein positives Beispiel angeführt. Das legt den Verdacht nahe, das Meinungsmache betrieben werden soll.
Glücklicherweise denken die meisten Bürger nicht so schlecht über Europa.
Ich finde Europa super, bei allen kleineren Mängeln, die es auch tatsächlich gibt.
Antwort von Thomas, Freitag, 16.September, 11:33 Uhr
"Die EU muss sich besser erklären."
Vielleicht, aber bestimmt nicht nur das alleine, vor allem aber muss sich die EU wieder mehr an den Menschen, d. h. ihren Bürger*innen orientieren und für diese Politik machen und sich nicht durch Lobbyisten und deren Einflussnahme davon abbringen lassen.
Die negativen Kommentare haben weniger mit "Halbwissen", jedoch mehr mit den Erfahrungen zu tun die die Menschen in ihrem täglichen Leben erfahren. Null-Zins-Politik auf Erspartes ist so ein Beispiel aus der jüngsten Zeit und da kann sich die EU noch so "besser" erklären, die EU müsste dieser Politik ein Ende bereiten und zwar schnell.
Die Menschen fühlen sich immer mehr gegängelt aber für Sie ist alles "super". Für mich nicht und ich will eine grundlegend reformierte EU mit besserer Politik für die Menschen, mehr direkter Demokratie und Stärkung des EP mit weit viel weniger Bürokratie und Regulierungen.
Antwort von Jürgen, Freitag, 16.September, 16:21 Uhr
Was erfahren wir denn von Europa - Da ist die Raffgier der Eurokraten in Brüssel mit Ihrer Arroganten Selbstherrlichkeit. Die geheimen Geheimverhandlungen der Freihandelsabkommen von denen NIEMAND etwas erfahren DARF, um Gottes Willen bloßnicht. Die da unten wollen es nicht, interessiert aber in Brüssel niemand.
Da wird anderen Staaten gedroht wegen Ihrem Nationalstolz. Da übernimmt Merkel mal so eben die Euroschulden der Briten.
Ah ja positives . Ich muss an der Grenze meinen Ausweiss nicht mehr vorzeigen und ich brauche auch kein D-Schild mehr und auch kein zweites oder drittes Portmonee. Ich bin schlecht informiert mir fällt nicht’s positives mehr ein. Ah ja den Teuro, eh ich mein den EURO.
Grantler, Donnerstag, 15.September 2016, 06:24 Uhr
35. Juncker In der Krise
Die Krise Europas ist ein Produkt der abgehobenen Eurokraten. Juncker ist deren Prototyp. Alles an sich reißen, das Geld anderer Leute verteilen und dann über mangelnde Solidarität jammern. In Brüssel ist Juncker bestens vernetzt, aber außerhalb Brüssels dürfte kaum jemand ihn als glaubwürdigen Vertreter europäischer Werte ansehen. Europäische Solidraität a la Juncker sind fragwürdige Steuerdeals und Vertragsbrüche (Maastricht, Schengen, Dublin) am Fließband.
Josef Rödl, Donnerstag, 15.September 2016, 01:19 Uhr
34. EU ist Rückschritt
Die "EU der Bürger" wird erst leben, wenn sie von den bürokratischen Monstern in Brüssel und Straßburg befreit ist. Wahrscheinlich haben wir dann wieder mehr Grenzen und entsprechende Einschränkungen. Aber dafür viel mehr begeisternde Individualität und Kreativität, wie wir sie schon vor der EU gewohnt und geliebt haben.
Keine Grenzkontrollen oder eine gemeinsame Währung sind doch nur Bedingungen eines europa- und weltumspannenden Kapitalismus von mächtigen Großkonzernen, welche bisher nur zu "Ausbeutung pur" und Vereinheitlichung aller Konsumgewohnheiten geführt haben. Der "einfache Bürger" empfand in der ehemaligen politischen Trennung eher einen Reiz des Neuen, der durch die zunehmende EU-Vereinheitlichungsmanie in allen Lebenslagen weitgehend zerstört wurde.
Ich würde dies eher als erheblichen Rück- anstelle von Fortschritt bezeichnen.
Zensur macht krank, Mittwoch, 14.September 2016, 21:59 Uhr
33. Die EU hat keine Krise, sie ist die Krise selbst!
Weil durch die immanente Bürgerferne einer solchen Organisation die Tendenz besteht, auch die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger immer mehr als Problem,als Hemmschuh im polit.Handeln zu definieren.
Mit existenzielle Krise dürfte Juncker meinen, erst wenn die Nationalstaaten abgeschafft sind, ihre komplette Souveränität an diese Org.abgegeben haben, und der Bürger ohne Widerspruch die Direktiven von der EU-Kommission hinnimmt, dann funktioniert die EU.
Außerdem warum brauchen die Bürger Europas eine Geldverteilungs-manchmal Geldvernichtungsmaschinerie, es kann doch nicht angehen, etwa in Ostdeutschland geht die Möbelindustrie vor die Hunde, und nebenan in Polen wird mit EU-Geldern die Konkurrenz aufgebaut.
Die EU ist ein Lobbyprojekt der Wirtschaft in Kooperation mit den ihnen hörigen Politikern, aber kein Projekt, dass von den europ.Bürgern initiiert worden ist.
Daher auf den Müllhaufen der Geschichte, und gebt uns die EWG zurück!!!
Antwort von Schlechte Kommentare auch, Donnerstag, 15.September, 12:44 Uhr
Sie haben von der EU leider überhaupt nichts verstanden und scheinen unzureichend informiert!
Das ist m.E. das grössere Problem.
Schorsch, Mittwoch, 14.September 2016, 21:28 Uhr
32.
Typisch EU: Immer mehr Geld in die Märkte pumpen, auf daß das Geld immer weniger wert werde. Wachstumsideologie statt Sinngebung, wo doch die Grenzen des Wachstums schon seit den 70er Jahren bekannt sind und jetzt spürbar werden. Wie krank ist diese EU-Politiker-Nomenklatur eigentlich?? Achja: Und die vorgesehene Erhöhung der Sicherheit: Völlig unglaubwürdig nach den Geschehnissen und der EU-Politiker-Unfähigkeit der letzten 12 Monate.
Junker macht halt das, was manche deutsche Politiker auch machen: Gegen den Populismus anarbeiten. Nur spüren die Populisten, daß die Etablierten absolut nichts an Handlungsmaximen haben. Da kippt das Kartenhaus der EU-Politiker-Nomenklatur zusammen.